Devin Townsend Project (mit Leprous und Between The Buried And Me) live in München (Backstage Werk, 10.02.2017)

Ich kann mich noch gut an mein erstes (und bisher letztes) Konzert von Devin Townsend erinnern. Das müsste 2003 gewesen sein. Noch im alten, kleinen Backstage Club auf der anderen Seite der vierspurigen Straße, wo heute noble Wohnbunker stehen. Damals gab er ein Doppelkonzert mit seiner brandneuen Devin Townsend Band (von der drei Leute noch/wieder mit dabei sind) sowie mit dem Abrisskommando Strapping Young Lad. Quasi das Yin & Yang im Schaffen des Devin Townsend. Er stand damals fein unter Drogen und gab sich besonders mit letzterem Quartett komplett durchgeknallt und destruktiv. Diese Zeiten sind schon lange vorbei. Mit dem Devin von damals hat der Kandier wohl nicht mehr viel zu tun. Und statt der damaligen 80 Nasen, standen heute geschätzte 800 im annähernd ausverkauften Backstage Werk.

Townsends eigenwillige Musik fasziniert allerdings noch heute genauso. Und wie sie wirkt, das behandle ich in Kürze. Doch zuerst zum Vorprogramm. Denn an diesem Freitagabend im Jahre 2017 war der Kanadier wieder nicht allein gekommen. Als Aufwärmacts waren die Norweger Leprous sowie die Amis Between The Buried And Me dabei. Das versprach bereits im Vorfeld ein Gourmetfest in Sachen „zeitgemäße Prog-Sounds“ zu werden.

 

Leprous

Leprous – DER Geheimtipp im Prog-Metalbereich. Die Mucke der Band ist trotz dem einen oder anderen verwirrendem Takt per se gar nicht so kompliziert angelegt und die Songs relativ straight. Doch wie so oft macht die Performance den Unterschied. Vor allem durch den intensiven, bisweilen recht theatralischen Gesang von Einar Solberg klingen die Songs heute wie der Tanz auf einem Vulkan. Nur ein falscher Schritt und man treibt unumkehrbar seinem Ende entgegen. Das ist wahrlich keine Guten-Laune-Mucke. Trotzdem hat sie ihre düsteren Hymnenmomente. Während die Musiker in sich gekehrt ihre Parts spielen, tanzt Solberg regelrecht um seine Worte vor seinem Mikro- und Keyboardständer. Man muss sagen, dass die Musik wunderbar live funktioniert. Vielleicht sogar noch ein Stück besser als auf Platte, wo sie doch etwas steril wirkt. Dafür kann man sich ja jetzt das aktuelle Livealbum „Live at Rockefeller Music Hall“ nach Hause holen. Ist mal so eine Empfehlung.

Setlist Leprous:
Foe
Third Law
The Price
The Flood
Rewind
Slave

 

Anfangs nicht ganz so einnehmend, aber nicht unwesentlich faszinierend sind auch die folgenden Between The Buried And Me. Nur wenige kombinieren rabiaten Mathcore so geschickt mit Prog- und Artrock, der seine Wurzeln ganz klar in den 70ern hat (z.B. Gentle Giant, King Crimson). Allerdings war auch hier mehr Stehfußball angesagt. Nicht gerade weniger nahbar als Leprous gab man sich. Lediglich Sänger Tommy Rogers war so etwas wie ein Aktivposten. Was zählte war allerdings rein die Musik – keine Show, keine Ansagen, nur purer, Kopf verdrehender Sound. Für Uneingeweihte ist es erst mal gewöhnungsbedürftig wie die Band halsbrecherische Radikalpassagen mit klaren, schwebenden Klangflächen paart. So waren im Zuschauerraum auch mehr bedächtige Zuhörer als ein Moshpit zu sehen. Der Auftritt war ein ziemliches Wechselbad der Gefühle. Und da die ganz großen Melodien, die einen auch beim ersten Hören an den Eiern packen, irgendwie fehlten, erwischte man sich doch immer wieder, wie man gedanklich abschweifte. Zum Beispiel zu dem was wohl später noch folgen mochte. In allem trotzdem ein spannender Auftritt, das muss man schon sagen.

Setlist Between The Buried And Me:
Fossil Genera – A Feed from Cloud Mountain
The Coma Machine
Lay Your Ghosts to Rest
Bloom
Option Oblivion
Life in Velvet

 

Devin Townsend

Die Synapsen waren also schon gut aufgewärmt, bevor es mit dem Hauptact losging. Wobei der Einstieg beim Devin Townsend Project recht harmonisch verlief. „Rejoice“ vom flauschigen „Sky Blue“ und der Oldie „Night“ vom Klassiker „Ocean Machine“, dazu ein paar warme Worte zur Begrüßung. Ja, da fühlte man sich doch gleich wohl, auch wenn man die Protagonisten durch den übertriebenen Bühnennebel kaum sehen konnte – was fast bis zum Ende so blieb. Trotzdem konnte man das breite Grinsen Devins sowie die große Spielfreude der Band durchgehend spüren. Schon toll, welch positive Stimmung hier sogar in den abgründigen Momenten verbreitet wird. Den bösen Mann spielt der Kanadier zwischendurch ja nur als Schutzmechanismus wegen seines geringen Selbstwertgefühls, wie er an dem Abend augenzwinkernd mal sagen wird. Wer das genauer wissen möchte, dem empfehle ich sein Buch „Only half there“, das er kürzlich heraus gebracht hat.

Überhaupt geizte der Mann nicht mit dem einen oder anderen lustigen Spruch und bewies damit starke Entertainer-Qualitäten. Dabei ist es schön mal Musiker zu sehen, die sich nicht so ernst nehmen und auch mal über sich selbst lachen können. Der Höhepunkt dessen war erreicht, als Devin zur Heavy-Nummer „Planet of the Apes“ eine überdimensionale Flying V auspackte, die zudem auch noch Rauch versprühte. Mehr Rockstar geht wohl nicht.

Das Set war gut ausgewogen, zwischen harten Brechern und großen melodischen Stücken. Da der Herr eh keine so richtigen Hits hat, vermisste man auch keinen, auch wenn Diskografie-Highlights wie „Earth Day“, „Bad Devil“ oder „Life“ schön gewesen wären. Sei’s drum, Nummern wie „Suicide“, „Spercrush!“, das brandneue „Stormbending“ oder das den „offiziellen Teil“ beschließende „Kingdom“ entschädigten sehr gut dafür. Das sah auch das bunt gemischte Publikum so, das die Band ordentlich beklatschte und sich sogar bereitwillig zu Mitklatschspielchen und zum Händeschwenken überreden ließ – selbstverständlich nur auf ironische Art und Weise, ganz klar…

Die obligatorische Zugabe folgte natürlich auf dem Fuße (Devin verließ die Bühne gar nicht erst). Trotz großer Kulisse war nun der Zeitpunkt für ein bisschen Heimeligkeit gekommen: Akustikpart. Aufgrund der guten Stimmung ließ sich Devin sogar zu einer ungeplanten Einlage hinreißen und spielte auf Zuruf „Let It Roll“, bevor das planmäßige „Ih-Ah!“ folgte. Plötzlich war es sehr ruhig im Raum und das im Text vorkommende „I love you“ schien ganz auf das Münchener Publikum gemünzt. Schöner Moment. Aber das war natürlich kein standesgemäßer Abschied für ein Metalkonzert. Und so schob man als endgültigen Abschluss den Brocken „Higher“ vom aktuellen Album „Transcendence“ hinterher.

Tja, irgendwann musste das Ganze wohl dann doch vorbei sein. Und nach ca. 100 Minuten war es dann soweit. Ein toller Abend mit feiner Musik ging zu Ende. Das Kommen hat wohl keiner bereut!

Setlist Devin Townsend Project:
Rejoice
Night
Stormbending
Failure
Hyperdrive
Where We Belong
Planet of the Apes
Ziltoid Goes Home
Suicide
Supercrush!
March of the Poozers
Kingdom

Let It Roll
Ih-Ah!
Higher

 

Fotos aus München von:  Karl-Friedrich Wild