Choeur Tac-Til – Blind Ecosystem (UnRec, 21.11.2023)

Natasha Musiera, eine Sängerin, Komponistin, Experimental-Musikerin und Wissenschaftlerin gründete 2012 den Chor Choeur Tac-Til. Mit diesem Projekt ging sie noch einen Schritt weiter in ihrem experimentellen Schaffen. Alle Sänger*innen, die sie für dieses Projekt rekrutiert, eint eines, und zwar, dass sie blind sind. Nun könnte man fragen “und, was tut das zur Sache, schließlich arbeiten sie mit ihren Stimmen”. Doch wenn man einmal genau darüber nachdenkt, ergibt sich ein anderes Bild. Der klassische Chor singt anhand von zu Papier gebrachten Noten und Partituren und für den stimmlichen Einklang eines Chores sorgt der Chorleiter/Dirigent. Und diese visuelle Führung fällt hier weg. So interpretieren die Sänger nach dem, was die Komponistin versucht vorzugeben und mit viel Vertrauen auf das eigene innere Gefühl und Gespür für die Aktionen der Chormitglieder.

Die acht Stücke auf dem Album stellen aber auch nur entfernt ein klassisches Chorwerk dar. So ist bereits das erste Stück eine Einleitung in das Album, welche gar nicht nach Gesang, sondern nach elektronischen Geräuschen klingt, aber verbal erzeugt wurde. Es gibt auch immer wieder Sprechparts umringt von Chorklängen, die wahlweise dahinschwimmen oder auch mal kakophonisch sind.

Aber auch atmosphärische Glanzstücke wie „Object 4“ erwarten den Hörer, wo die Stimmen zu einem mystischen, aber ebenso schwebend schönen Klang anschwellen. Diese wundervollen Passagen brechen den experimentellen Gesang immer wieder auf und erfreuen so das Herz des Chorliebhabers.

Es ist kompositorisch wie gesanglich eine absolute Höchstleistung, die auf diesem Album geboten wird. Die Stücke offenbaren immer wieder neue Facetten und halten den mystisch-dunklen Spannungsbogen über Albumlänge. Aus dem populären Bereich fällt mir höchsten Björk ein, die schon mal ähnlich abstrakte Gesangsstücke abgeliefert hat. Das Werk ist absolut nicht überambitioniert, an keiner Stelle kakophonisch, immer wieder überraschend und klanglich grandios. Ein Gespür für sehr experimentelle Musik muss man aber mitbringen, um es durchhören zu können.

 

  1. Object 1
  2. Object 2
  3. Object 3
  4. Object 4
  5. Object 5
  6. Object 6
  7. Interlude
  8. Object 7

https://choeurtac-til.bandcamp.com/

4.5