Simeon Soul Charger – Meet Me In The Afterlife (Gentle Art Of Music, 04.03.2011)

Die Geschichte von Simeon Soul Charger war etwas ungewöhnlich. Ursprünglich stammen sie aus Akron, Ohia. Beheimatet war man allerdings die längste Zeit im tiefsten Oberbayern. „Überredet“ dorthin zu kommen, wurden die Musiker von ihrem späteren Manager, welcher das Quartett bei einem Aufenthalt in New York kennenlernte und überzeugte, man bräuchte eine Band wie sie hier. Also wanderte man kurzum nach Europa aus und quartierte sich in einem beschaulichen Bauernhof ein.

Vorher wurde allerdings noch in der alten Heimat das Debütalbum „Meet Me In The Afterlife“ aufgenommen. Ergebnis war ein wilder Parforceritt gut abgehangener „Retrosounds“. Irgendwie zeitlos, kreativ, verspielt, spleenig, emotional, psychedelisch – und mitreißend. Als ich die Band auf einem kleinen Fest in unserer Lieblings-Rockdisco Rockmusik Hamlar zum ersten Mal (und unbekannterweise) sah, haben sie mich regelrecht umgehauen: ein paar junge Herren in Schlaghosen und langen Haaren, ein altmodisch anmutender Sound und wahnwitzige Songs, die derart euphorisch dargeboten wurden, dass man einfach mitgehen musste.

Bandgründer Aaron Brooks (Gesang, Gitarre, Keyboards), Gitarrist Rick Phillips und sein Bass spielender Bruder Spider Monkey (haben aufgrund ihrer deutschen Wurzeln tatsächlich Bezug zu unseren Breitengraden) sowie Schlagzeuger/Perkussionist Joe Kidd konnten diesen Zauber zum großen Teil glücklicherweise auch auf „Meet Me In The Afterlife“ erzeugen. Eine gute Stunde lang spielt man sich durch 13 abwechslungsreiche Titel, die recht eigen klingen, auch wenn die Zutaten in Jahrzehnten Rockgeschichte geschmiedet wurden. Vielfach kommen die Songs recht ungehobelt und direkt durch die Lautsprecher, klingen dabei angenehm schräg, manchmal auch düster. Genauso wie die Texte, welche man (wie die Musik) erst einmal auf sich wirken lassen muss. Wo die Töne oft bunt klingen, strotzen die Liedzeilen immer wieder vor Abgründen.

Letzteres gipfelt im überlangen Epos „Swallowing Mouth“, das wie ein ausgeflippter Jahrmarkttrip durchs Horrorkabinett klingt. Sich langsam aufbauend, bevor es einen am Ende in die Geisterbahn zieht. Faszinierend. Aber auch auf der restlichen Platte passiert einiges. Dabei merkt man nicht bloß, dass Brooks ein interessanter Songwriter ist, sondern eine gut eingespielte Band hinter sich versammelt hat. Allen voran Rick Phillips, dessen Blueswurzeln man deutlich hört und der ein leidenschaftliche Sologitarrist ist.

Gerade in der ersten Hälfte lässt man es ordentlich krachen. Das von zappelnden Gitarrenläufen eingeleitete „Vedanta (The Nothing)“, das wie eine tickende Uhr klingende „God Lends A Hand“, das verschleppte, leicht düstere „Through The Trees They Walk“ sowie das wild abgehende „Europa’s Garden“ sind kantige, einnehmende Songs mit dem Hauch des Besonderen. „And He Skinned Them Both“ ist ein achtminütiger Hardrocker, welcher auf die Gesangslinien zugeschnitten ist in der zweiten Hälfte von einem ausflippenden Gitarrensolo lebt.

Hier bekommt man auch das Melodiengespür von Aaron Brooks deutlicher zu spüren. Stärker lebt man es im folkig beginnenden „Please“ sowie dem Akustik-Dreierpack „Song Of The Sphinx“ / „Child’s Prayer“ / „Dear Mother“ zu spüren, der die Sache vor dem großen Finale noch etwas abkühlt.

„Meet Me In The Afterlife“ ist auch neun Jahre später noch ein tolles Album das gehört werden sollte. Leider kommt man nicht mehr in den Livegenuss dieser Songs. Simeon Soul Charger waren eine außergewöhnliche Liveband, haben sich allerdings 2016, einige Monate nach dem überraschendem Ausstieg von Aaron Brooks, aufgelöst (mehr dazu hier). Schlagzeuger Joe Kidd und Gitarrist Rick Phillips sind daraufhin zurück in die USA und dort als Musiker unterwegs. Bassist Spider Monkey blieb hier, heiratete eine Deutsche und lässt als auch Spider The Akronaut wieder von sich hören. Und nach einem Sabbatical ist glücklicherweise auch Aaron Brooks erneut aufgetaucht. Er ist als Solokünstlicher unter seinem eigenen Namen unterwegs und hat vor zwei Jahren sein schönes Album „Homunculus“ veröffentlicht, auf dem er sich von einer etwas reduzierteren Seite zeigt.

 

Trackliste:
1. Vedanta (The Nothing)
2. God Lends A Hand
3. Through The Trees They Talk
4. Tooth
5. And He Skinned Them Both
6. Please
7. Europa’s Garden
8. Europa’s Garden (Reprise)
9. Into The Afterlife
10. Song Of The Sphinx
11. Child’s Prayer
12. Dear Mother
13. Swallowing Mouth