Rock am Beckenrand – der Freitag: Rekordverdächtig, nass und sehr sehr spät

Das Rock am Beckenrand dufte nach nun zweijähriger Pause wieder seine Tore öffnen und bot ein vielfältiges Programm – sowohl auf dem Festivalgelände als auch auf dem Camp, was in rund 20 Minuten fußläufig zu erreichen war.

Der musikalische Auftakt fiel bereits am Donnerstag: an der Kirche im malerischen Wolfshagen/Harz trat dann Reis against the Spülmaschine auf. Leider haben wir diesen Auftritt verpasst, da die Anreise mit dem Awesome-Scampis-Reisebus sowie Zeltaufbau für mitreisende Familienmitglieder doch länger als gedacht dauerte. So verpassten wir leider auch das Überraschungskonzert von Mr. Malibu Stacy, über die wir ja im letzten Jahr beim Mini-RaB ausführlich berichteten. Schade, ich hätte sie gerne nochmal gesehen.

Das Camp war liebevoll eingerichtet, mit einem Rewe-Festivalmarkt, der doch erstaunlich gut ausgestattet war. Es wurde am Donnerstagabend ein Beer-Pong-Turnier angeboten, was gut angenommen wurde, da ausgebucht. Weitere Höhepunkte auf dem Camp war das Frühstück am Zelt und das traditionelle Bieryoga. Man merkt, die RaB-Crew lässt das Publikum nicht alleine auf dem Camp zurück, sondern bietet auch dort eine ganze Menge für Camping-Freunde.

Das Festivalgelände bildet dann das örtliche Wölfi-Bad, das mitten in der Natur liegt – da verliert sich auch mal ein Frosch an den Beckenrand, obwohl das Mitbringen von Tieren ja untersagt ist.

Das musikalische Programm begann dann Freitag – gefühlt vormittags – um 12:45 Uhr. Auf der Poolstage ertönte der erste Ton von und mit DAS NIVEAU. Die Band, bestehend aus dem Schriftsteller Martin Spieß und Schauspieler Sören Vogelsang, ausgestattet mit Akkustik-Gitarren, versucht genau das eben nicht darzustellen und mit lustigen und teils auch sehr provokanten Texten sehr viel Entertainment. Die beiden verstehen sich als Comedy-Musik-Duo. Leider vermisste ich mein Niveau-Lieblingssong „Beim Pinkeln gemeuchelt“. Dennoch, DAS NIVEAU verbreitet eine Menge Spaß für die Frühaufsteher im RaB-Publikum.

Der Auftakt auf der Mainstage folgte dann mit THE OKLAHOMA KID aus Rostock. Ein wahrer Wachmacher, denn hier gab es nun statt Akkustik-Gitarren lauten und harten Metalcore. Druckvoll!

Der Beckenrand füllte sich am Freitagnachmittag so langsam. Da die beiden Hauptbühnen abwechselnd bespielt werden – es gab zudem noch eine Wohnzimmerbühne vor einem liebevoll eingerichteten Wohnwagen – folgte dann mit ELFMORGEN ein sehr überzeugender Auftritt auf der Poolstage. Da der Freitag zudem sonnig und warm war, füllte es sich nicht nur vor der Bühne , sondern ebenso vor der Bühne im Pool. ELFMORGEN überzeugten mit guten Punkrock, der viel Spaß machte. Die Band bewieß, dass sie gut vorbereitet war: sie bereitete das Publikum auf einen anstehenden Weltrekordversuch vor und führte schon mal eine Generalprobe durch. Mein persönliches Highlight war der Song „Oberlippenbart“, was natürlich besonders lustig ist, wenn man mit einem überzeugten Schnauzbartträger unterwegs ist. Ein klasse Auftritt, der mit ihrem Song „Kapitän“ endete, der beim Publikum sehr gut ankam und erste Zugabeaufforderungen nach sich zog. Der knappe Zeitplan mit einem Folgeauftritt sowie der enge RaB-Zeitplan ließen das allerdings nicht zu.

Auf der Mainstage wurde nun getanzt – davor ebenso. The TCHIK (Toten Crackhuren im Kofferraum) luden zu ihrem persönlich Ball ein, mit einem irren Mix aus verrücktem Bühnenoutfit, schrägen Texten und tanzbarer Elektronik-Musik. Irgendwie kann ich bis heute nicht greifen, was genau die da eigentlich tun – aber es macht Spaß und reißt das Publikum mit. Klasse. Zum Ponysong (“Ich und mein Pony”) gab es dann das stagedivende Einhorn mit Crackhuren-Besatzung! Mit Wasserrutschen-Contest zeigte die Band, dass sie am Beckenrand wohl richtig aufgehoben ist und trugen so dieses besondere Festival mit viel Spaß mit. Klasse und sehr sympathischer Auftritt!

Weiter auf der Poolstage! HI!SPENCER füllte den Beckenrand und den Pool mit einem gelungenem Auftritt! Die Stimmung sehr gut und ausgelassen.

Auf der Hauptbühne folgte DEINE COUSINE, die erst spät ins Line-Up rutschte.  DEINE COUSINE bestach durch ihre Bühnenpräsenz, konnte das Publikum gut mitreißen und brachte es zum Tanzen. Während dieses Auftrittes begannen aber die ersten bangen Blicke gen Himmel, der Himmel wurde zusehends dunkler und es waren erste Gewitterzellen durchaus in der Nähe, die jedoch stets am Festivalort vorbeizogen.

Es folgte der Headliner auf der Poolstage mit den AWESOME SCAMPIS, die jedoch dieses mal als ihre eigene Tribut-Band „ATOMIC SHRIMPS“ angekündigt wurde. Mit ihren „Dau-Dau“-Wrestling-Masken betraten sie die sehr gut besuchte Poolstage und den noch volleren Pool. Das liegt daran, dass die Scampis einen offiziellen Weltrekordversuch beim Guinness Buch der Rekorde angemeldet haben – den größten Circlepit in einem Swimming-Pool, der zum Song „Nicht bewegen“ gestartet wurde. Es folgte ein wirklich heftiger Abriss mit einer Band, die sich einiges ausgedacht für einen besonderen Auftritt, der es auch aus zweierlei Gründen wurde: Der Weltrekordversuch wurde durch Kamerateams und einer Drohne begleitet, so dass man den Weltrekord dokumentieren kann! Ich würde behaupten, das hat geklappt. Die offizielle Bestätigung von Guinness muss jedoch noch abgewartet werden.

Foto: Rene G

Ein wirklich sagenhafter Auftritt der Band, der jedoch rund 10 Minuten nach dem Rekordversuch abgebrochen werden musste:

Ein plötzlich einsetzender Starkregen sorgte dafür, dass die Band abbrechen musste. Es begann die sofortige Evakuierung des Geländes, denn Minuten später gesellten sich noch Blitz und Donner dazu. Dank des besonnenen Publikums, den großartigen Einsatzkräften vom DLRG OG Braunschweig, den Securitys, des DRK und der RAB-Crew gelang die Evakuierung schnell und geräuschlos. Klasse! Auch das Camp wurde evakuiert und es wurde eine Turnhalle für gestrandete Festivalbesucher geöffnet. Die Kommunikation mit dem Publikum über die Sozialen Medien funktionierten ebenso gut.

Als dann nach einer Stunde der Regen etwas nachließ, folgten die ersten Anfragen, wann es und ob es weitergehen kann. Zu diesem Zeitpunkt gingen die bangen Blicke nicht gen Himmel – dort war wegen der Dunkelheit ohnehin nichts mehr zu sehen – sondern auf das Stormtracking von Kachelmannwetter.de. Denn rund 40 km nördlich war eine weitere Gewitterzelle mit ungünstiger Zugbahn für das RaB zu erkennen. So konnte erst gegen 22 Uhr nach rund dreistündiger Pause überhaupt erst entschieden werden, dass es weitergehen kann. Das besagte Gewitter hatte sich aufgelöst und hätte sicherlich auch zu einem Abbruch des Tages geführt, wenn es das RaB zusätzlich getroffen hätte. Für FIDDLERS GREEN reichte es leider nicht mehr: ihr Auftritt fiel dem Unwetter und der späten Uhrzeit sprichwörtlich ins Wasser.

Um 23 Uhr öffnete sich wieder das Gelände, nachdem es wieder auf Vordermann gebracht worden ist und es war Zeit für den Freitag-Headliner: SWISS UND DIE ANDERN. Es war zu spüren, dass viele Zuschauer eben wegen SWISS vor Ort waren und SWISS zeigte sich ebenso erfreut, dass es noch klappte mit dem Auftritt – der wirklich großartig und mit ausreichend Pyrotechnik bestückt war! SWISS nahm sich auch die Zeit für das Publikum und spielte das vollständige Set zur Freude des partywütigen Publikums. Die Zugabe-Forderungen wurden gerne erfüllt – ein würdiger Headliner für ein tolles RaB. Man hatte den Eindruck, dass Gewitter sorgte dafür, dass Band und Publikum noch dankbarer füreinander waren und so entstand eine besondere Stimmung auf dem Gelände.

Der Auftritt von RUSSKAJA wurde so zu einer nächtlichen Nummer und auch einer sehr emotionalen. RUSSKAJA kommt aus Österreich, aber gebürtig betrachteten sie sich als multikulturelles Kollektiv mit Musikern aus Österreich, Deutschland, Italien, Ukraine und Russland. Daher sieht sich die Band auch verpflichtet, klare Kante gegen den Krieg in der Ukraine zu zeigen! Man merkt RUSSKAJA an, dass sie aufgrund der Herkunft der einzelnen Bandmitglieder nochmal anders von dieser Situation betroffen sind. Die Band steht für Frieden, Party, Turbo-Polka, Ska und jeder Menge guter Laune. Der tradionelle Moshpit, dieses mal um einen seifenblasenproduzierenden Plastikrasenmäher zu “Psycho-Traktor” durfte da nicht fehlen. Als der Set so spät wie nie beim RaB endete, hatte das Publikum noch nicht genug. Sänger Georgij Alexandrowitsch Makazaria zeigte sich verlegen, als um diese Uhrzeit noch eine Zugabe gefordert wurde, was dann aber letztlich nicht mehr zugelassen werden konnte – auch in Hinblick auf die Helfer und Crew. Den sehr zugewandten Einwohner von Wolfshagen, die jede Menge Verständnis für das Festival aufbringen, war eine spätere Uhrzeit sicherlich auch nicht mehr zuzumuten.

So endete der Freitag sehr sehr spät und es war ein dennoch ein großartiger Festivaltag mit Rekordversuch, Unwetter und richtig tollen Auftritten! Schwer vorstellen, dass der Samstag das noch toppen konnte…

 

Fotos: Ruhrwurf Fotografie