Madrugada – Chimes At Midnight (Warner Music, 28.01.2022)

Die Überraschung war groß, als sich Madrugada 2018 reformierten, um zwölf Jahre nach dem Tod ihres Gitarristen Robert Burås auf Tour zu gehen, um das 20-jährige Jubiläum ihres Debütalbums „Industrial Science“ zu feiern (siehe unseren Tourbericht auch München). An neue Musik wurde dabei nicht gedacht, sondern das Vergangene gefeiert. Das dafür mit umso mehr Leidenschaft. Die Entscheidung eine Band zu bleiben und sich nicht nur der Nostalgie hinzugeben, fiel aber wohl recht bald, was zuerst die 2019 veröffentlichte Single „Half-Light“ bewies und jetzt dieses Album: „Chimes At Midnight“.

Gleich die ersten Takte klingen, als wäre die Zeit stehen geblieben. „Nobody Loves You Like I Do“ ist Madrugada pur: melancholischer, balladesker Breitwandsound mit feinen Melodiebögen, vorgetragen von der großartigen, maximal einnehmenden Stimme Sivert Høyems. Dunkel schimmernd und so faszinierend. Gänsehaut. Und so geht es weiter. Eine Mega-Ballade nach der anderen. Große Gefühle, weite Sounds, viel zu entdecken. Mal hell schimmernd, dann wieder Sonnenuntergangsstimmung, dann auch wieder tiefste Mitternacht.

Klar, Madrugada sind auch anno 2022 auch noch Madrugada. Doch klingen sie heute ein bisschen anders. Die gleißende Sologitarre von Robert Burås fehlt etwas, auch wenn seine Nachfolger Cato Thommassen und Christer Knutsen bereits auf der langen Tour mehr als nur ein Ersatz waren. Irgendwie klingt die Band etwas Songwriter-lastiger, nah am Soloschaffen ihres Sängers Sivert Høyem. Wobei jener die Fahne seiner Band die letzten Jahre gedanklich auch irgendwie hochgehalten hat.

„Chimes At Midnight“ ist voller schöner Momente. Sei es die bereits genannte Eröffnungsnummer „Nobody Loves You Like I Do“, das wehmütige „Help Yourself To Me“, der fein schimmernde, ans Banddebüt erinnernde „Ecstasy“ oder das große „Dreams At Midnight“, welches durchaus Hitfeeling hat. Zwischen all den getragenen Nummern, welche doch nicht ohne starke Dynamik auskommen, erhebt sich lediglich das schon fast fluffige „Empire Blues“ etwas rockiger heraus.

Ich gebe es zu. Anfangs hat mich „Chimes At Midnight“ auch als großer Fan nur mit einigen Spitzen so richtig gepackt. Aber es wächst mit jeder Umdrehung, die Faszination steigt mit jedem Durchlauf. Danke Madrugada, dass ihr wieder da seid!

 

Trackliste:
1. Nobody Loves You Like I Do
2. Running From The Love Of Your Life
3. Help Yourself To Me
4. Stabat Mater
5. Slowly Turns The Wheel
6. Imagination
7. Dreams At Midnight
8. Call My Name
9. Empire Blues
10. You promised To Wait For Me
11. The World Could Be Falling Down
12. Ecstasy

 

 

Photo-Credit: Knut Aaserud
4.5