Krawehl

Interview – “Ich finde es einfach sehr schwer, sich mit dem erhobenen Zeigefinger hin zu stellen!” – mit KRAWEHL

Im Mai erfreuten uns die vier Bielefelder von Krawehl mit ihrem gleichnamigen Debüt-Album, welches schon vorab als Geheimtipp für das Post-Hardcore-Album des Jahres gehandelt wurde. Nachdem die Jungs dann im SommerKrawehl quer durch die Republik unterwegs waren um die Scheibe vom kritischen Live-Publikum absegnen zu lassen, fanden sie nun vor ihrem Gig im idyllischen Cuxhaven ein wenig Ruhe und Zeit, um mir die eine oder andere Frage zu den aktuellen Geschehnissen im Rahmen eines Interviews zu beantworten.

Das Interview fand unter recht amüsanten Bedingungen statt, da wir gemeinsam um 22:00 Uhr auf dem Deich saßen, ein Kreuzfahrtschiff vorbeifuhr und Krawehls Schlagzeuger Manu mir liebenswürdigerweise mit dem Handy leuchtete, da es ansonsten mit den vorbereiteten Fragen Essig gewesen wäre.

Nun aber genug der vielen Worte… jetzt geht’s los:

 

Schön, dass ihr hier seid und herzlich willkommen im beschaulichen Cuxhaven – mit Blick auf ein Kreuzfahrtschiff hier im Düsteren… eine Traumkulisse!
Alle im Chor: Danke schön, wir freuen uns auch!
Ward ihr schon mal hier?
Alle: Nein… nöö!
Niemand von Euch?
Manu: Doch, ich bin als Kind schon mal rüber gefahren, aus Cuxhaven… auf irgend so eine Insel – Helgoland wahrscheinlich – genau… mit den Eltern im Sommerurlaub!
Marco: Meinen ersten Wespenstich habe ich hier bekommen – als Kinder oder heute (Gelächter) – Nein, auf dem Klassenausflug. Alle nach Cuxhaven… hier schön über den Deich.
Irgendwie ist ganz NRW immer im Sommer hier und… ähhh, das ist tödlich (Lachen) – Ich bin ja schließlich extra da weg gezogen… bitte!
Marco: Das Maskottchen hier, wie heißt das nochmal – ähhh, Jan Cux… und Cuxi ist das Mädel.
Alle: Cux und Cuxi?
Ja genau!

Aber nun zum Wesentlichen… wir haben nur noch zwei Minuten Zeit!
(Anm. d. Red.: die DEAD KOYS sollten den Abend um 22:00 Uhr eröffnen und man kann unschwer erkennen, es war gerade 21:58 Uhr). Nachdem das Gelächter dann irgendwann abgeebbt war – schätzungsweise mittlerweile nach 22:00 Uhr – konnte es weitergehen!

Ihr habt ja im Mai euer Debüt-Album „Krawehl“ raus gebracht. Hat ein bisschen länger gedauert, so um die sechs Jahre glaube ich – wie kam’s denn dazu?
Kammi: Die Frage kriegen wir natürlich relativ oft gestellt – Aähh Scheiße (Lachen) – Also eigentlich bisher jedes Mal. – Man… – Ja, wie kam’s dazu?
Stimme aus dem Off: Der Kammi ist schuld!
Kammi: Ja, der Kammi war schuld – das Leben kam irgendwie dazwischen, will ich mal so sagen. Wir hatten schon eine ganze Menge Material gesammelt, waren dann erst unzufrieden. Dann haben wir wieder ein paar Live-Konzerte

Krawehl

gespielt. Dadurch mussten wir für die Live-Konzerte proben und hatten keine Zeit fürs Songwriting! Dann ist Marco 2014 zu uns gestoßen – den mussten wir auch erst einarbeiten… also auch wieder keine Zeit fürs Songwriting. Dann hatten wir einen Schlagzeuger-Wechsel, weil Philipp nicht mehr so viel Zeit hatte. Da haben wir zum Glück ziemlich schnell Manuel gefunden, aber da mussten wir uns auch erstmal ein bisschen einspielen – haben es dann aber irgendwann geschafft auch viel an den Songs die wir aufnehmen wollten zu arbeiten.
Jörn: Ein bisschen Rücken kam auch noch!
Kammi: Ja, genau, Rücken war auch noch… und wir hatten alle damals recht unterschiedliche Jobs. Philipp war damals am Studieren, Jörn war in der Ausbildung. Ich war anfangs in der Ausbildung, wurde dann übernommen in die Firma, habe mein eigenes Gewerbe und irgendwie hat sich das dann so gezogen.
Ja, und mit Manu haben wir uns dann an die Songs gesetzt, alle fertig gemacht, sind direkt ins Studio bei einem Kumpel in Bochum und ja, dann hat das so seinen Lauf genommen…
…dann hat das Ganze endlich geklappt!

Mit viel Vorschusslorbeeren gestartet – es war ja schon im Vorfeld klar, dass wird ein geiles Album…
Manu: …ist es geworden! (Gelächter)
Kammi: Ist das so?
Manu: Ja, iss so!
Hast du die Rezensionen nicht gelesen?
Manu: Nein, nein… ich meine vorher! Irgendwie war vorher schon klar, dass wird ein geiles Album.
Kammi: Die Erwartungen waren tatsächlich sehr hoch. Ich hatte überhaupt nicht mehr daran gedacht, dass uns überhaupt noch jemand auf dem Schirm hat! Wir hatten schwach angefangen… und stark nachgelassen! 😉
Jörn: Wir konnten das ja irgendwie nur hoffen!
Nicht mehr auf dem Schirm haben und dann durch die Decke gehen… das haben ja Kettcar heute bewiesen! Sind fünf Jahre weg und hauen dann so ein geiles Album raus. Ich weiß nicht, ob ihr da schon reingehört habt?!
Manu: Nur in die Songs, die vorher rauskamen… die kenne ich!

Wenn ihr sagt, ihr ward abgetaucht und wusstet vorher nicht, ob das dann irgendwie nochmal der große Hype wird – wie würdet ihr denn den Leuten, die euch nicht kennen, erklären wer ihr seid… was seid ihr für eine Band, was macht ihr für Musik?
Jörn: Nöl-Punk! (Lachen) Irgendjemand hat das mal ganz nett als „Nöl-Punk“ bezeichnet und irgendwie passt das ganz gut. Das hat seine Wurzeln in irgendwelchen Emo-Geschichten und in irgendwelchen Punk-Geschichten und irgendwie hören wir auch alle total verschiedene Sachen… das ist halt das was ganz am Ende dabei rauskommt – also besser als „Nöl-Punk“ kann ich’s nicht beschreiben!
Perfekt!

Der eine oder andere von euch kommt aus Bielefeld, Casper kommt auch aus Bielefeld – „Alles endet… aber nie die Musik!“ hat er damals gesungen –  ihr klärt uns bei „Altlastenasyl“ darüber auf, dass  alles von vorne anfängt, „aber niemals die Musik“… wer hat denn nun eigentlich Recht? Kennt ihr euch persönlich, habt ihr vielleicht schon einmal gemeinsam bei nem Bierchen darüber diskutiert?
Jörn: Früher als er noch im Ringlockschuppen in Bielefeld gearbeitet hat, haben wir ein bisschen mehr Kontakt gehabt und damals war er ja auch relativ aktiv in der Hardcore- und Punk-Szene, hat ja in irgendwelchen Hardcore-Bands gegrölt. Michbeck, der Gitarrist von ihm und Daniel der Bassist von ihm waren früher mit unserem alten Schlagzeuger zusammen in der Schule und daher kennt man sich irgendwie, aber ich wüsste nicht, ob man sich mittlerweile noch kennt… ist aber ein Netter!
Kammi: Also ich glaube Daniel und Michbeck haben uns noch auf dem Schirm, ob Benni uns auf dem Schirm hat oder uns noch kennt… das weiß ich nicht!
Jörn: Wer weiß, ob er dafür Zeit hat?!

Was hat es mit „Bielefeld sehen… und Scherben?“ auf sich – ein heimliches Liebeslied an eure Stadt, oder doch eher die Flucht raus, weg… auf und davon?
Ich kenne Bielefeld nur von St.-Pauli-Spielen… man schlendert so durch die Schrebergarten-Anlage – kickt so nebenbei noch einen Gartenzwerg weg (Anm. d. Red.: Nein, natürlich nicht… wir lehnen Gewalt in jeglicher Form – auch, oder sogar besonders gegen Gartenzwerge – kategorisch ab!) und sitzt dann auf einmal im Stadion – ansonsten ist mir Bielefeld völlig fremd. Aber ich weiß, dass es das gibt – diesen scheiß Witz kann auch eh keiner mehr hören! (Kopfnicken und Gelächter allenthalben!)
Manu: Haben wir neulich sogar von Briten gehört! Letztes Wochenende!
Ach was… ja, was hat es denn nun eigentlich mit dem Song auf sich?
Kammi: Sowohl als auch… und eigentlich auch überhaupt nicht! Eigentlich ist das ein ziemlich persönliches Ding und wir wohnen nun mal in Bielefeld… und dadurch kam einfach dieser Bezug in dem Song – das liegt daher natürlich nahe!
Jörn: Die Kneipenwege zurück…
Kammi: …genau! Die Kneipenwege zurück, die liegen natürlich in Bielefeld für uns.

Politik, Krieg und Terror ist ja nun leider schon seit längerem in aller Munde…. Auch die Wahlen, die waren ja auch katastrophal! Lasst ihr euch von den Wirrungen der heutigen Zeit beim Songwriting beeinflussen oder sagt ihr die Leute kennen unsere Einstellung zu dem Thema, das lassen wir lieber andere machen?
Kammi: Also, sicher beeinflusst uns das in vielerlei Hinsicht… natürlich auch im Songwriting. Es ist jetzt nicht so, dass wir von den Texten her die politischste Band sind, die man sich vorstellen kann – ich glaube das können andere auch besser! Wir haben alle eine politische Haltung und wir glauben auch nicht, dass es unpolitische Bands gibt bzw. geben sollte. Wir halten uns auch nicht für eine unpolitische Band, nur weil wir mehr über irgendwelche zwischenmenschliche Geschichten singen. Also eine politische Haltung ist uns auf jeden Fall wichtig.
Jörn: Wir sind von den Guten! (allgemeines Gelächter)
Das war mir klar, sonst würden wir nicht hier sitzen!
Kammi: … und das Ganze fließt natürlich auch ins Songwriting ein!

Meint ihr denn, dass die Leute, die in der Öffentlichkeit stehen, grundsätzlich einfach zu wenig Stellung beziehen… oder soll das jeder für sich entscheiden?
Jörn: Ich meine generell ist das natürlich grundsätzlich ganz nett, wenn Leute das tun! Ich habe mich beim neuen Casper-Album tatsächlich darüber gefreut, dass er da klar Stellung bezogen hat – weil Benni in einer Position ist, wo ich’s schön finde, wenn Leute jüngeren Leuten näher bringen, dass man sich Gedanken machen kann über das was um einen herum passiert. Aber es ist schwer zu sagen „du musst das machen“, weil du zum Beispiel in einer bestimmten Position bist!
Manu: Eigentlich ist auch einfach politisch sein was anderes, als irgend so ein Partei-Ding. Ich finde politisch sein und sich äußern, das ist die eine Sache – aktiv eine politische Partei unterstützen, das ist ja dann nochmal etwas komplett anderes.
Jörn: Ich finde es einfach sehr schwer, sich mit dem erhobenen Zeigefinger hin zu stellen! Du kannst für dich gucken was richtig ist, du kannst gucken was in deinem Umfeld richtig ist… und du kannst daraus auch Rückschlüsse ziehen – aber mehr…
Kammi: …und ich finde man muss nicht gezwungenermaßen irgendwie in seiner Musik politische Texte schreiben – aber man sollte schon seinen Standpunkt außerhalb der Musik auch öffentlich klar darstellen!

Wenn ich eure Platte im Regal sehe, dann seid ihr sehr gut zwischen den Platten von den Hafensaengers, Fjørt bzw. Matula, Captain Planet oder den Punkrock-Rookies von Keele aufgehoben… seht ihr das ähnlich, oder gehen euch solche Vergleiche auf den Sack?
Kammi: Sowohl aus auch… es gibt halt ein paar Vergleiche die hören wir immer wieder und irgendwie ist das auch cool.
Manu: Es lässt sich aber auch irgendwie nicht verhindern.
Kammi: … es lässt sich nicht verhindern, aber manchmal denken wir auch „mhhh, okay – finden wir jetzt nicht!“ – Scheiß Schublade?! Aber gut, wenn das dann jemand so findet… dann ist das halt so!
Okay!
Kammi: Also bisher wurden wir glaube ich mit keiner Band verglichen, wo ich sagen würde „oh Gott“ – eher im Gegenteil… bei den Namen die da genannt wurden, kann man sich eher geschmeichelt fühlen!
Jörn: Es ist glaube ich selten so, dass wir sagen „wir haben dies und das gehört“… und daraus entsteht dann ein

Song. Also dafür hören wir wirklich alle viel zu unterschiedliche Musik…
Marco: Das funktioniert glaube ich gar nicht! Also wirklich… jeder bringt Sachen mit und daraus entsteht dann durch die verschiedenen Stile ein Gefühl zu dem Song und dann passt das alles zusammen.

Auch wenn ihr die Frage in letzter Zeit wahrscheinlich schon oft beantworten musstet, wie kam es damals eigentlich zu dem ungewöhnlichen Bandnamen? Hat das Ganze vielleicht dann doch tatsächlich etwas mit der alten Loriot Nummer zu tun… „Krawehl, Krawehl!“?
Kammi: Krawehl, Krawehl…! Ganz genau! Da kommt der Name auch her. Tja, wie kam’s dazu?
Jörn: Wir haben gesucht und uns ist nur Scheiße eingefallen.
Kammi: Ganz genau! Und ich hatte dann irgendwann glaube ich die Idee, weil ich das gerade vorher beim Demo-Tape von …But Alive gesehen hatte, das ja auch „Krawehl, Krawehl“ hieß – den Namen habe ich dann vorgeschlagen. Wir hatten damals glaube ich auch schon ein Konzert stehen, hatten aber noch keinen Namen. Das war damals zu der ganz frühen Anfangszeit der Band, als wir Songs gespielt haben, die hoffentlich nie veröffentlicht werden!
Hahaha… also Farin Urlaub hat heute ein Album mit alten Songs rausgebracht, die vorher noch nie jemand gehört hat… wäre ja auch mal eine Idee, wenn euch mal nichts einfällt!
Manu: In 40 Jahren vielleicht!?
Ja vielleicht! (Gelächter)

 

Zum Ende des Interviews schmeiße ich immer gerne noch ein paar Worte in den Raum, was fällt euch denn eigentlich ein zu…

 …Bielefeld?
Manu: Ich wohne in Herford! Aus dem Einzugskreis kommen wir alle… alle aus Westfalen! Proben tun wir auch in Herford!

…Bands mit denen ihr besonders gut könnt?
Alle: Huelse! Auf jeden Fall Huelse!
Kammi: Da können wir gerade aktuell nur Huelse nennen, das sind super Jungs – eine großartige Band! Die sollte man auf jeden Fall auf dem Schirm haben. Wir haben die vor etwa einem Jahr kennengelernt, zum ersten mal gehört und uns direkt verliebt.
Ansonsten Litbarski aus Berlin… super guter deutschsprachiger Punkrock.
Jörn: Schade, dass es Käfer K nicht mehr gibt!
Kammi: Mit Käfer K haben wir früher sehr viel gemacht – das ist sehr schade, dass es die nicht mehr gibt! Mit denen waren wir auch echt dicke! Mit Koeter waren wir öfter mal unterwegs… auch super Jungs aus Köln! Es gibt eigentlich so viele Bands die man jetzt noch nennen müsste.

…Sachen die auf Tour am meisten nerven?
Marco: Ein Manu der verschwindet! (wildes Gelächter)
Kammi: Staus!
Manu: Ja, aber wenn ich verschwinde, dann gibt’s auch immer die witzigsten Geschichten hinterher…
Haut er am Ende des Abends ab, oder bevor es los geht?
Manu: Nee, schon am Ende!
Jörn: Ach ja… und der bitter-saure Geruch dann immer im Bully – hinterher, nach der Tour.
Marco: Eigentlich sind wir relativ gut darin zu sagen, wenn uns etwas stört!
Manu: Wir hatten da letztes Jahr unsere Russland-Tour, das war auch echt ein Härtetest. Da sind wir zwei Wochen komplett aus Europa raus und nach Russland – nichts anderes, du bist komplett auf dich selbst angewiesen… hast zwar zum Glück einen der die Sprache dort vor Ort kennt und Kyrillisch entziffern kann – und das war dann auch echt eine Reifeprüfung!
Auch für die Leber wahrscheinlich!
Manu: Auch für die Leber!
Marco: Wir hatten auch vorher darüber gesprochen… also entweder es geht schief, oder wir spielen danach weiter.
Manu: Genau!
Ihr seid noch hier, also hat’s geklappt!
Manu: Es war aber dann auch erstmal gut nach den zwei Wochen!

Apropos „ein Test an die Leber“…Bier oder Schnaps – hier gibt’s lebensverkürzenden Reis-Schnaps, also Augen auf beim Drogenkauf! 😉
Alle: Bier.
Kammi: Erst Bier, dann Schnaps!

Möchtet ihr unseren Lesern abschließend vielleicht noch etwas mit auf den Weg geben?
Kammi: Ach Gott, in sowas bin ich immer ganz schlecht.
Jörn: Haltet immer euren Kopf offen… und euer Herz!

Vielen Dank, das war’s schon! Dann bleibt mir eigentlich erstmal nur, euch weiterhin Erfolg zu wünschen… und natürlich freue ich mich schon auf den Gig gleich!

Titel – Krawehl
1. Kotzen, bitte!
2. AltlastenasylKrawehl
3. Steckenpferd
4. Salz & Ekel
5. German Angst
6. Voyeur
7. Bielefeld sehen… und Scherben?
8. Prost Mahlzeit!
9. Déjà Vu
10. Zufrieden/Trugschluss
11. Ein Abschied
12. Bielefeld sehen… und Scherben? (Radio Edit)

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