Devin Townsend – Empath (InsideOut Music, 29.03.2019)

Als Devin Townsend 2016 „Transcendence“ mit seinem Project veröffentlichte, schwärmte er noch, wie toll die Bandchemie sei und wie sehr sich seine Mitmusiker sich dieses Mal mit einbringen konnten. Zwei Jahre später verkündete er nach erfolgreichen Touren überraschend das Ende. Er wollte sich künstlerisch neu ausprobieren, keiner festgefahrenen Schiene folgen. Ja, man kann schon sagen, dass seine letzten Alben recht ähnlich im Stil klangen. Ein Umstand, den man vom Kanadier in frühen Jahren nicht gewohnt war.

Ist „Empath“ also nun ein Umbruch, wie es die vier konzeptionell komplett verschiedenen Project-Alben wischen 2009 und 2011 waren? Nicht ganz. Aber man erkennt den Willen, alles wieder wilder und spannender zu gestalten. Überhaupt war es der Grundgedanke alles durcheinander zu mischen, was im Kopf des Musikers so vorgeht und die Vorstellung „heavy“ Musik etwas auf den Kopf zu stellen. Na gut, letzterer Anspruch ist in Zeiten, in denen eh wohl schon fast alles probiert wurde, nicht so einfach zu erfüllen. Trotzdem klingt „Empath“ abenteuerlich. Oftmals verwirrend. Aber dann doch wieder faszinierend.

Mit floydigen Gitarren und Meeresgeräuschen geht es erst einmal entspannt los. Ein Frauenchor leitet in das bereits vorab veröffentlichte „Genesis“ über. Dieser doch etwas chaotische Song bietet schon mal eine ordentlich Palette aus dem typischen Townsend-Breitwand-Sound (allerdings in locker), brachialen Blastbeats, bombastischem Soundtrack-Getöse, einen ordentlich anschellender Refrain, Prog-Abfahrten und Harmonie-Zeug. Eine klare Linie bleibt der Musiker einem zwar etwas schuldig, aber ein Anfang ist gemacht.

Was dann folgt, ist eine Kanonade aus großen Melodien, viel Wohlgefühl, ordentlichem Bombast, der droht ins Kitschige hinüber zu kippen. Besonders angenehm neben dem majestätischen „Spirits Will Collide“ dabei: „Evermore“. Stampf-Sound, eingängige Melodien, positives Wohlgefühl, ein tänzelndes Flair und etwas verwinkelter Aufbau. Dabei auch noch überraschend gesangslastig. Die erste Albumhälfte vergeht wie im Flug. Dezente Absurditäten machen klar, dass Devin immer noch einen sympathischen Sprung in der Schüssel hat.

So richtig in den Sessel gedrückt wird man, als man bei „Hear Me“ plötzlich den groben Knüppel auspackt. Erinnerungen an Strapping Yound Lad und die Burger-Oper „Deconstruction“ kommen hier nicht von ungefähr. Größer wie der Kontrast zum folgenden „Why?“ könnte es allerdings nicht sein. Was ist das, macht der Mann hier jetzt etwas einen auf Klassik-Pop? Verwirrend… „Borderlands“ groovt sich dann heavy ein und wagt den Spagat zwischen New-Age-Medidations-Sounds á la „Ghost“ und Progmetal.

So richtig wissen will es Mr. Townsend aber mit dem überlangen Abschlussstück „Singularity“ (über 23 Minuten lang). Hier wirft der Musiker noch einmal ALLES in den Ring, was er vorher auch nur im Ansatz angedeutet hat. Metal, Ambient, Jazz, Prog, Chöre, Orchester, whatever… Man weiß zwar nicht, wo er dabei mit seiner Kreativität hinwollte (einen verbindenden Faden sucht man bis zum Ende, bis plötzlich doch noch einmal ein paar vetraute Hooks auftauchen), aber lustig ist es schon irgendwie, dem Mann zuzuhören, wie er sich mit kindlicher Freude austobt. Ein Gefühl der Planlosigkeit überwiegt am Ende aber doch irgendwie.

Tja, ich habe mich als Fan die letzten Jahre etwas beschwert, dass Devin Townsend sich zu komfortabel zurückgelehnt hatte. Das hat er hiermit definitiv sicher nicht. Zwar ist „Empath“ nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber eine überraschend, teilweise ziemlich spaßige Veranstaltung und hoffentlich ein Aufbruch in noch spannendere Gefilde. Ich wurde nicht wirklich enttäuscht.

Trackliste:
1. Castaway
2. Genesis
3. Spirits Will Collide
4. Evermore
5. Sprite
6. Hear Me
7. Why?
8. Borderlands
9. Requiem
10. Singularity

 

3.9