Rock am Beckenrand 2023 – was für ein Festival!

Jedes Jahr wenn der August endet, lädt eine freundliche gelbe Quietscheente zu ihrem Festival, dem Rock am Beckenrand nach Wolfshagen im Harz. Allerdings ist die freundliche, gelbe Quietscheente auf dem Campground und an diversen anderen Orten ein schwarzes, grimmig dreinblickender Riesenenterich, der wohl eher auf Punk und Metal steht.

Der Campground war mal wieder brechend voll, der Womo-Parkplatz ebenso und die umliegenden Hotels restlos ausgebucht.

Und auch auf dem Festivalgelände gibt es Neuerungen: das vorherige Vereinszelt wurde zum Biergarten, die Wohnzimmerbühne ein Stück weit Richtung Eingang verschoben und auf dem Hügel neben der Mainstage prangt in bester Hollywood-Manier in beleuchteten Riesenlettern erstmals der Name des Festivals – was auch feierlich am Freitag Abend vor Royal Republic stimmungsvoll eingeschaltet wurde.

Insgesamt wurde wieder auf drei Bühnen gespielt: der Wohnzimmerbühne, der eigentlich ein Wohnwagenanhänger ist, die Poolstage, direkt an der „Waterkant“ und die Mainstage. Am Donnerstag, dem Tag des Warm-Ups, ist das RaB aber auch ein „Umsonst + Draußen“ – denn hier wird auf dem Kirchplatz im Ortskern für alle Interessierten gespielt.

Hier eröffneten dieses Jahr Delta Constellations aus der Region sowie Monsters of Liedermaching das Festival. Es war tatsächlich sehr voll an der Kirche und die Monsters begeisterten mit ihrem Programm aus witzigen Texten sowie ihren Mitmach- bzw. Mitsing-Songs. Da kann schonmal ein halbes Dorf „Tod in der Nordsee“ singen. Exin sehr gelungener Auftakt. Währenddessen eröffnete auch das Camp mit dem traditionellen Bierpong-Turnier und ein spontanem Late-Night-Act.

Die Wohnzimmerbühne – direkt neben dem Biergarten platziert – war der Raum für Singer/Songwriter, Akustikmusik und Comedy. Hier traten die entsprechenden Künstler häufiger auf: erstmals bot das RaB auch Stand-Up-Comedy an. Mella Steckelberg berichtete von ihren skurrilsten Festivalerfahrungen (oft zum Thema Exkremente auf Festivals) und brachte so eine Menge Spaß in die Zuhörerschaft.

Die RaB-Kultband Mr. Malibu Stacy trat gleich vierfach auf, wobei der Slot am Samstagabend der meistbesuchte war – ihren Mix aus verschiedenen Covers brachte das Publikum vor dem Wohnwagen zum Tanzen – ebenso unsere Fotografin, weshalb wir die Band leider nicht bebildern können. Ebenfalls öfter war die Band Highgain zu sehen und das beschränkte sich nicht nur auf die Wohnzimmerbühne: der nächtliche Auftritt am Eröffnungs-Donnerstag auf dem Camp nach dem Bierpong-Turnier brachte noch eine Reihe (etwas angetrunkener) Leute zum Mitmachen und Tanzen. Dazu hatte Highgain noch einen spontanen und stimmungsvollen Auftritt auf der Poolstage am Samstag, durch die kurzfristige Absage von Butterwegge und diverse Auftritte eben auf der Wohnzimmerbühne – auch hier wurden viele stimmungsvolle Cover akustisch in die Zuhörerschaft gebracht.

An den Hauptfestivaltagen Freitag und Samstag werden die Bühnen Poolstage und Mainstage wie üblich abwechselnd bespielt. Der Freitag wurde durch die Dorks eröffnet sowie die Mainstage durch Ember Sea, was wir jedoch aufgrund des späten Donnerstagabend nicht wirklich miterlebt haben.

Stimmungsvoll wurde es jedoch bei den Arkaden auf der Poolstage – diese sprangen kurzfristig für Maid of Ace ein und brachten gute Stimmung an den Pool. Nicht nur Maid of Ace konnten kurzfristig nicht spielen, auch Our Mirage fehlte kurzfristig. Beide Bands hätten wir doch gerne gesehen.

Aber auch für Our Mirage hatten die Beckenrandrocker schnell hochwertigen Ersatz gefunden – Venues aus Stuttgart sprangen kurzfristig ein und überzeugten auf ganzer Linie mit ihrem aus dem Klargesang von Sängerin Lela und Growls von Gitarrist Robin. Vor der Bühne wurde es auch deutlich voller – insbesondere im Matsch vor der Hauptbühne aufgrund des immer wieder einsetzenden Regens. Hier gab es dann auch die erste Wall of Death des Tages zu sehen – ein toller Auftritt – der Band war anzumerken, dass sie Spaß am Beckenrand hatte.

Weiter geht’s auf der Poolstage. Drei Sänger in schwarzem T-Shirt sorgen für viel Spaß: Olympya hat den Pool im Griff und sorgt so für den Moshpit im Pool. Olympya kam ebenfalls gut am Beckenrand an und stellte sich zusätzlich noch zum „Löcher die Band“ auf der Wohnzimmerbühne zur Verfügung.

Anschließend prangt ein Auto als Bühnenbild von der Mainstage mit dem Kennzeichen A-KJ 1312. Akne Kid Joe überzeugen von der Hauptbühne. Hier gibt es erstmals Pyrotechnik im Moshpit. Die Frage ist doch auch, haben sich Akne Kid Joe etwa verfahren? Sie spielten natürlich ihre Ode an Rock am Ring/Rock im Park live. Akne Kid Joe hat es zumindest gefallen am Beckenrand – wer weiß, ob nicht ein Rock am Beckenrand-Song auf dem nächsten Longplayer folgt. Wir sind gespannt.

Wir kommen in den Abendbereich und es folgt der Headliner-Slot auf der Poolstage: Punkrock mit Gebläse liefern 100 Kilo Herz und die spannenste Frage, die ich nach dem Auftritt dieser Band beim Seepogo hatte, beantwortet die Band direkt selbst. Üblicherweise gilt bei Auftritten von 100 Kilo Herz ein Verbot, ohne T-Shirt vor der Bühne zu gehen, was natürlich im Freibad absolut widersinnig wäre. Daher erklärte die Band, warum ihr diese Regelung so wichtig ist und hob sie natürlich exklusiv für den Beckenrand auf. Das obligigatorische Pyro durfte natürlich nicht fehlen – insgesamt ein Auftritt, bei dem die Band deutlich mehr Spaß vermittelte, als den letzten Auftritt, den ich gesehen habe. Die Wall of Death im Wasser war zumindest auch für mich neu. Vielleicht tat hier auch die Örtlichkeit gut.

Auf Hauptbühne wird es Zeit für Yonas, Hirsch und Max Power – also Montreal. Montreal besticht wie immer dadurch, unglaublich viel auf das Publikum einzugehen und auf das dortige Geschehen mit durchaus kreativen Ansagen einzugehen. In Anlehnung ihres letzten Auftrittes am Beckenrand versprachen sie auch, nicht wieder beim Folgeact (damals war es die eng befreundete Sondaschule) nackt die Bühne zu stürmen. Das hat auch geklappt. Montreal hatte sehr viel Lust auf den Beckenrand und die Freude über die Rückkehr war ihnen anzumerken. Funfact: Der “15 Jahre für die Punchline”-Song zum 15-jährigen Jubiläum funktioniert auch beim mittlerweile 20-jährigen Jubiläum! Weiter so!

Ein absolut würdiger Headliner des Freitags war dann Royal Republic! Auch sie sind Beckenrand-Wiederholungstäter. Was dann folgte, war ein großartiger Auftritt garniert mit einigen Überraschungen – so bauten die Royals mal wieder zwei Akustikstücke ein, die sie in der Zeit des Albums “Save the Nation” eingespielt hatten. Sänger Adam betonte des öfteren, dass er seine Heavy-Metal-Gitarre für die härteren Stücke dabei hatte. So folgte dann plötzlich ein „Ace of Spades“-Cover vom Bassisten Jonas eingegröhlt – klasse! Dazu gehören natürlich auch die Storys, welche die Royals stets zu erzählen haben. Dieses mal wie sie am Folgetag beim Festival in der Schweiz von Limp Bizkit 30 Minuten Spielzeit übernehmen konnten (“Tommorow we kick the ass from Limp Bizkit” – Herrlich).  Zusätzlich wird dem Beckenrand-Publikum noch gespoilert, dass man sich im Oktober ins Studio begibt, um das neue Album aufzunehmen! Aber auch rund um das Beckenrand zeigt die Band, trotz der wachsenden Bekanntheit, wie sehr sie authentisch geblieben sind. So wird man Jahre nach unserem gemeinsamen Interview und trotz Verlust des Haupthaares wiedererkannt und Adam bespaßt noch die anwesende Crew im Backstage-Zelt mit Tanzchoreografien für die gesamte Crew zu Kinderliedern – Großartig!

Zum Late-Night-Abschluss des Freitags folgen Reis against the Spülmaschine mit ihrem verrückten Mix aus umgedichteten Covers und Comedy, der wie üblich für viele viele Lacher sorgte. „Hast Du saufen mal probiert? Bei mir hat’s immer funktioniert!“ – großartig! Zur weiteren Belustigung des Publikums ließen sich die Spülmaschinen noch Schnäpse durch Chefbooker Sascha in altertümlicher Badekleidung bringen – herrlich!

Der Samstag beginnt auf der Poolstage: die Antipreneurs eröffnen jene. Da der zweite Festivaltag durchaus sonnig beginnt, hat sich das Beckjen auch ordentlich gefüllt, weshalb vor der Poolstage gar nicht mal so wenig los war. Die Antipreneurs haben in Sachen Merch ein interessantes, eigenes Konzept, denn aus Gründen der Nachhaltigkeit kaufen diese Stoffe ein und erstellen so den Merch kurzerhand selbst. Das führt allerdinigs auch dazu, dass aber auch jedes Stück ein Unikat ist. Vorbildlich – „und wenn man Glück hat, findet man etwas in passender Größe“, betont die Band mit sympathischen Sarkasmus.

Auf der Mainstage folgt dann March – härterer female-fronted Punkrock aus den Niederlanden und Belgien. Vor der Bühne ist es wetterbedingt recht leer, wofür Sängerin Fleur durchaus Verständnis hat. Sie meint, dass sie bei diesem Wetter auch lieber im Pool wäre. Dennoch finden sich mit der Zeit einige vor der Bühne ein, um im Matsch des Vortages zu tanzen. Es war zu merken, dass March noch nie zuvor in dieser Gegend Deutschlands gespielt hat, so hat diese Band im Westen der Republik inzwischen deutlich spätere Festivalslots. Ein toller Auftritt, der zudem das im September folgende neue Album „Get in“ mit ein paar neuen Songs spoilert!

Stimmungsvoll geht es auf der Poolstage weiter: Get Jealous füllen die Poolstage recht ordentlich und zum Bühnenbild gehören auch entsprechende Papp-Plakate mit der Aufschrift der Band neben der Bühne – witzig und so noch nie gesehen. Der Auftritt kommt sehr gut und zudem wird noch ein Cover von „Denkmal“ eingebaut.

Kein Festival ohne dass man eine neue Band für sich entdeckt: In meinem Fall gilt dieses für das RaB23 eindeutig für Setyoursails aus Köln. Die Metalband überzeugte auf voller Linie mit ihrem Metalcore, wobei die Sängerin Jules Mitch – schwarz gewandet mit Hut – eine unglaubliche Bühnenpräsenz ausstrahlt! Wer Setyoursails noch nicht gesehen hat, sollte das dringend nachholen! Auch vor der Bühne hat es sich mittlerweile schon ordentlich gefüllt und die Band holt das Publikum auch ab! Klasse!

Liedfett hatten in den Vorjahren stets einen Headliner-Slot am Abend und sind nun ins Vorabendprogramm gerutscht. Da die Band beim RaB hohe Beliebtheit hat, ist es vor der Mainstage rappelvoll. Die frühe Uhrzeit tut der Band insgesamt gut, denn der Auftritt ist deutlich besser und die Band deutlich fitter als in den Vorjahren – das Spiel zwischen Band und Publikum funktioniert ! Also, reinbügeln!

Anschließend wird es voll auf der Poolstage, weil sich gleich acht Musiker die kleine Bühne teilen. Voll ist es ebenso rund um und auch im Pool – die Awesome Scampis stehen zum fünften Male auf der Beckenrand-Bühne. Um den Pool war es sogar so voll, dass man eine La Ola rund um den Pool starten konnte und im Pool sorgte ein Piratenboot für jede Menge Spaß. Die Scampis brachten sogar neue Songs mit, denn ein neues Album ist ebenso in der Mache. Zum Abschluss durfte das „Dau dau“ nicht fehlen, dieses mal von Trompeter Sebastian gesungen, da sich Sänger Björn der Aufforderung des Publikums („in den Pool“) beugen musste. Ein kreativer Auftritt und ein würdiger Pool-Headliner – vor allem, weil sich die Scampis immer wieder etwas neues einfallen lassen. Toll!

Co-Headliner des Samstag Abends waren keine Unbekannten am Beckenrand: die Rogers. Diese waren bereits im Vorjahr da, mussten jedoch mittags spielen, da sie abends einen weiteren Festivalauftritt andernorts hatten. So haben die Rogers dieses Jahr den wohlverdienten Co-Headliner-Slot erhalten und diesen gut ausgefüllt. Neben vielen Songs vom aktuellen Album „Rambazamba und Randale“ durften auch alte Stücke nicht fehlen – ebenso wie die Polonäse zu „Kreuzberger Nächte“. Einziger Wermutstropfen: irgendwie haben die Rogers nie Merch dabei, wenn ich auf diese treffe.

„In den Pool“ hieß es auch zum Abschluss des Headliners Zebrahead. In diesem Fall endete der Gig mit einem stagedivenden Bassisten Ben, der den gesamten Weg von der Mainstage zum Pool zu absolvieren hatte, um im Anschluss in selbigen zu landen! Zebrahead, die als überragende Liveband bekannt sind, überzeugten auf voller Linie – die matschige Moshpitzone war entsprechend groß! Mit lustigen und kreativen Ansagen fand die Band entsprechend Anklang im Publikum! Klasse!

Passend zum Song „Die Nacht (gehört für immer uns allein)” füllen das Lumpenpack die Mainstage zum Late-Night-Special. Zusätzlich feiert die Band am Beckenrand ihre Album-Release-Show, denn das neueste Werk „Wach“ erblickte tags zuvor das Licht der Welt. Besonders witzig: Roadie Juta musste zum Abschluss („in den Pool“) von der Riesenrutsche, was jedoch auf witzige Weise misslang: er rutschte, kam jedoch aufgrund des abgestellten Wasser nicht unten an. Als er dann versuchte aufzustehen, um Richtung Bühne zu winken, fiel er absolut unelegant rückwärts ins Wasser – herrlich und entsprechend abgefeiert von der Band. Das war dann der Auftakt zum nachfolgenden Nachtbaden!

Die Beckenrandrocker haben wir mal wieder ein außerordentliches Festival hingelegt. Abgesehen von absolut stimmigen und hochwertigen Line-Up, was für die Größe des Festival mit maximal 3.000 Zuschauern wirklich sehr stark ist, haben sich die Beckenrandrocker viel einfallen lassen: sei es die bereits erwähnte neue Lichtinstallation, aber auch das neue Partyzelt im Banddorf Backstage, was im Vergleich zum Vorjahr viel größer und heller ausfiel. Erwähnenswert auch das liebevoll erstellte Camping-Gelände inklusive Supermarkt oder das Festivalquiz, was die Langeweile auf den rund 20-minütigen Weg zwischen Camp und Festivalgelände verkürzte. Aktionen wie Aquafitness und Bieryoga sowie die Riesenrutsche und der Spinning-Ball im Becken dürfen hier nicht fehlen und sorgen für Kurzweil beim Publikum.

Wer also noch nicht am Beckenrand war, der sollte das wirklich dringend nachholen, wenn man bedenkt, dass dieses Festival aus ehrenamtlichen Gestaltern besteht, ist es vielleicht sogar das wohl größte DIY-Festival in Deutschland (Oder vielleicht auch das “Rock am Härtsfeldsee” mit 3.500 Besuchern im Süden mit internationalem Billing? – Anm.d.Red.).

Liebe Beckenrandrocker, macht weiter so!

 

Fotos: Merlin Schönfisch Photographie

Fotos; Ruhrwurf Photographie