Marcel Gein – Good Morning Erlenbach (Tapete Records, 04.12.2020)

Bevor ich mit dieser Besprechung starte, muss ich etwas gestehen. Und zwar das den Herr Gein und mich etwas verbindet. Da wäre einmal die schöne Kennenlerngeschichte. Dann noch das Wiedersehen in Schweden. Und auch ein paar Bier kreuzten unsere gemeinsame Wege. Ach und da wären noch drei Brüder, die wie Arsch auf Eimer zusammen sind und mit diesem Feeling auch alle anstecken. Nun aber genug der verworrenen Einleitungssätze. Good Morning Erlenbach.

Auch wenn ich selbst erstmal das berühmte Internet bemühen musste, damit ich weiß wo dieses Erlenbach liegt, kannten erstaunlich viele Menschen aus meinem Dunstkreis diesen “Weinort mit Charme”, wie er sich selbst nennt. Und unser Marcel Gein kommt nicht nur aus diesem Ort, sondern hat dort bei Mutti im Keller auch dieses Album aufgenommen.

In den meisten Situationen erlebt man Marcel als das was er ist. Der ultra nette Typ. Allerdings muss man sich ein wenig mehr mit ihm beschäftigen, damit man auch die bissige und mehr als lustige Seite von Marcel kennen- und lieben lernt. So ziemlich jeder Mensch der auch nur irgendwie mit aktueller Musik, Indie und dem ganzen Zeug zu tun hat, ist Marcel im Norden bestimmt schonmal über den Weg gelaufen. Wohnzimmertour mit seinem Buddy Rocky Votolato, “Skinny Love” Cover mit Nicolas Müller oder aber einfach im schönen Stade beim Immotions-Festival. Marcel macht alles, wofür er sich nicht zu sehr verbiegen und wo er keine Philipp Poisel Cover spielen muss.

Denn mit Songs von Poisel, die selbst jede zweite Redakteurin der Brigitte schreiben könnte, verbindet Marcel vor allem textlich so ziemlich gar nichts.

In der Vergangenheit ist er unter seinem Klarnamen eher mit missverstandenen und reduzierten Hits wie “Soulmate” bekannt geworden. Das hat sich mit “Good Morning Erlenbach” deutlich geändert.

Den Gästen wie Andreas Dorau und Rocky Votolato den passenden Rahmen eingeräumt, geht es hier ein wenig anders zur Sache. Und auch wenn man bei diesem Satz eine Speedmetal-Platte vermuten könnte, ist es doch eher ein Indiebeat und die dazu passenden Texte geworden.

 

 

Wenn man sich die Texte von “Chico”, “Tippgemeinschaft” und “Ich verkaufe alles” so anhört, muss man lachen wenn man den Songschreiber kennt. Und zwar weil man hört und auch spürt wieviel Marcel Gein hier drinsteckt. Es gibt diese Typen, mit denen man morgens um 6 Uhr in der Eckkneipe bei Walter und Uschi mehr als drei Stunden über Dinge reden kann, die einem in diesem Moment so wichtig vorkommen, dabei aber so unfassbar nebensächlich sind. Die kleinen Geschichten über Freud und Leid, die das Leben zu der Achterbahn machen, die es ist. Die uns eine Stunde versüßen oder aber ein Leben versauen können. Und Marcel setzt sich hin und schreibt genau darüber seine Songs. Denn er ist genau dieser Typ, mit dem du angesoffen am Tresen sitzt.

Wer den Lagerfeuer-Songwriter sucht, der sich gerne auf Herzschmerz und Route 66 beschränkt, sollte hier freundlich zunicken und weitergehen. Denn diese Songs können soviel mehr.

Dabei sind die Songs zeitgleich so unaufdringlich und doch so vielseitig. Ein akustisches Schulterklopfen und der letzte Drink. Der den man eigentlich immer lieber sein lassen sollte, wie man am nächsten Tag merkt. Aber diesen sollte man sich nicht entgehen lassen. Marcel Gein, der geht auf dich! Kaufempfehlung!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1. Chance
2. Chico
3. Northgate Petro
4. Tippgemeinschaft
5. Bulletball
6. MK II
7. Vectra
8. Kinder Außer Kontrolle
9. Hurra Hurra
Gemeinschaft
10. Dunkel
11. Versetzung
12. Ich Verkaufe Alles

 

 

Beitragsfoto: Von mir 🙂

 

4.8