Interview – “Ich glaub ich bin oft lauter als ich mich fühle” … John Allen

Beim Garden of Voices Festival in Hude habe ich die Gelegenheit genutzt und ein paar Worte mit John Allen gewechselt.  Vielen Dank an dieser Stelle!

 

Sven:

Die Geschichte deiner „Entdeckung“ durch Frank Turner ist schon ein wenig Hollywood. Was hast du denn vor deiner ersten Begegnung mit ihm musikalisch gemacht?

John:

Ich hab schon immer gespielt irgendwie. Z.B. in Coverbands. Hab auch Songs geschrieben, aber nie so richtig ernsthaft. Als ich nach Hamburg gezogen bin, wollte ich die Musik auch ein wenig einschlafen lassen. Dann hab ich ein Wohnzimmerkonzert mit Chuck Ragan gewonnen. Der hat dann bei mir eine Gitarre hängen sehen und mich gefragt ob ich auch Musik mache. Aber ich hab nur ein wenig rumgedruckst.

Später sagte er mir dann, dass es zwei Arten gibt Musik zu machen. Entweder du liebst Musik, dann machst du Musik und dir ist egal ob Leute kommen und zuhören, oder du machst das nicht, aber dann kannst du auch nicht behaupten das Musik dir wirklich viel wert ist. Mir war es aber unangenehm wenn dann keine Leute kommen und so. Aber Chuck meinte, dass du Herzblut in die Sache reinlegen kannst und dann kommen die auch. Vielleicht keine 1000. Keine 500. Aber es kommen Leute. Das alles hat mich sehr inspiriert. So wie ich den ganzen Typ sehr inspirierend finde. Ein paar Monate später ist das mit Frank Turner dann passiert.

Sven:

Und das war echt so wie man es überall lesen konnte?

John:

Ja. Der hat im Knust in Hamburg gespielt. Freunde haben mich dann überredet in der Schlange zu spielen, obwohl ich das mega peinlich fand.

Als mir die Songs ausgingen, fing ich an wild zu covern. Ich hab dann Mr.Jones von den Counting Crows gespielt. Beim Singen hab ich oft die Augen zu und als ich die wieder öffnete, guckte ich in 60 Handykameras und wusste erst gar nicht was los ist, bis ich neben mir Frank Turner mit der Mundharmonika bemerkte, der mit einstimmte.

Nach der Show wollte ich mich nur bedanken und Frank meinte „Ja, alles gut. Schreib mal eine Email. Wir machen mal was!“.

Einige Wochen später meldete sich dann das Managment von Frank Turner und meinte, dass er mich auf seiner Deutschlandtour dabei haben möchte. Ich bekam gleich die Daten und sollte nun sagen wann ich Zeit habe.

Sven:

Was hast du zu dem Zeitpunkt beruflich gemacht, ging das so einfach?

John:

Nee, überhaupt nicht. Wie auch bis letzte Woche war ich zu dem Zeitpunkt Lehrer.

Das war nicht wirklich einfach. Die Tour war nicht in den Ferien. Ich hatte aber das Glück das ich in der Schulleitung Rock`n`Roll Fans hatte. Denen hab ich das halt erzählt und auch gesagt was das für mich bedeutet. Wann bekommst du schon die Chance vor 3000 Leuten zu spielen? Eine Show musste ich absagen und für zwei Shows habe ich dann Schulfrei gekriegt, was eigentlich gar nicht geht und nicht bei allen Kollegen wirklich gut angekommen ist.

Sven:

Du warst Lehrer? Also hast du für die Musik jetzt den Job aufgegeben?

John:

Letzte Woche Mittwoch hatte ich meinen letzten Schultag und ich habe den Beamtenstatus gekündigt. Ich bin jetzt 31 und will es einfach mal probieren. Jetzt bin ich arbeitslos / freischaffender Künstler.

Sven:

Die Geschichte mit Frank Turner war ja ein großes Glück und hast du dadurch schonmal Äußerungen wie „Du hattest ja einfach nur Glück!“ gehört? Oder anders: Bekommst du offen irgendwelche Leute mit, die dir den großen Support nicht gönnen?

John:

Um ehrlich zu sein nicht. Die Geschichte mit Frank… es ist ja nicht so das Frank aktiv rumläuft und Leute sucht. Ich hab also dafür, dass mir das passiert ist, nichts geleistet, bis auf wirklich reines Glück gehabt zu haben. Und das kann mir einfach keiner übel nehmen. Ich war einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das hat auch nichts mit Qualität zu tun. Es ist nicht so das Frank mich mitgenommen hat, weil ich so außergewöhnlich gut bin. Der ist halt großer Fan von den Counting Crows, hat den Song gehört, fand ihn gut und so ist das dann entstanden. Na klar gibt es Leute die sagen „Ich beneide dich da voll drum und hätte das auch voll gerne“. Das hätte ich umgekehrt genauso gesagt, aber Neider sind ja was bösartiges und das habe ich überhaupt nicht mitbekommen.

Du hast halt immer Leute mit denen du gut kannst und Leute mit denen du nicht so gut kannst. Andersrum genauso. Die mit mir vielleicht nicht so gut können, haben vielleicht die Nase gerümpft, aber es stand nie Jemand vor mir und meinte „Ich find das scheiße und ich wäre viel besser gewesen“.

Sven:

Deine neue EP steht bei Gunner Records an. Ich hab im Vorfeld von „John und Klavier“ gelesen. Und vermutlich ja die Akustikgitarre….

John:

Nee. Nur Klavier und Gesang.

Sven:

Oh. Das ist aber ein krasser Unterschied zum folkigen Album davor.

John:

Die EP ist mega depressiv. Also richtig düster und dunkel. Ich komm eigentlich auch vom Klavier und hab das wirklich spielen gelernt. Ich steh total auf Musiker wie Tom Waits und wollte schon immer etwas abgefahrenes, dunkles machen. Das ist aber keine generelle Soundveränderung. Das nächste Album ist wieder mit Band. Es ist quasi ein Abstecher in mein Hobby. Wir haben mit einem alten Flügel aufgenommen, den das Studio günstig gekauft hat. Wir wollten das Knarzen vom Pedal lassen, ein latentes Hintergrundrauschen…

Sven:

Hört sich nach dem analogen Vinylgefühl an.

John:

Absolut! Wir haben das drinnen gelassen und es sind 7 Songs, zwei Cover, zwei alte Songs von mir die ich umgeschrieben habe für das Klavier und drei neue Songs. Es ist auf jeden Fall etwas ganz ganz anderes, und das nächste Album wird wieder anders, aber ich wollte sowas unbedingt mal machen.

Sven:

Bist du persönlich dann auch eher der Ruhige oder die Partysau?

John:

Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Partysau umschreibt nicht so ganz mein Wesen. Es ist sehr Tagesformabhängig. Ich glaub ich bin oft lauter als ich mich fühle. Ich kann mich in Depression und Selbstmitleid auch gut suhlen. Wenn aber Leute auf ein Konzert gehen, wollen sie eine gute Zeit haben. Wenn ich also zwei Stunden spiele und jeder Song ist depressiver als der nächste, muss es entweder total gut sein oder du musst positive Höhepunkte haben.

Sven:

Vielen Dank für das Interview! Meine letzte Frage ist „Spielst du Mr.Jones heute“?

John:

Wahrscheinlich nicht, nee. Oder wir gucken mal ob ich noch 5 Minuten mehr bekommen kann.

 

… und er hat es gespielt! 😉

 

Interview & Foto sind von Sven