Konzertbericht STRIKE ANYWHERE, ROUGHNECK RIOT – Kulturzentrum Faust, Mephisto (Hannover, 01.10.2023)

Was gibt es Schöneres, als am verlängerten Wochenende Konzerte zu besuchen? Richtig, kaum was. Und nochmal schöner, sich Sonntagabends die Schühchen zu schnüren und auf einer wenig befahrenen Autobahn nach Hannover zu tingeln. Dort erwartet uns das Doppelpaket aus Roughneck Riot und Strike Anywhere.

Zunächst bin ich skeptisch, ob das denn wirklich eine passende Kombination ist. Schließlich haben die britischen Roughneck Riots mit Akkordeon, Mandoline und Banjo doch drei Folk(stümliche) Instrumente zusätzlich zu Schlagzeug, Bass und Gitarre im Gepäck, während Strike Anywhere aus Virginia auf traditionelles Punkinstrumentarium zurückgreifen. Die Skepsis weicht aber schnell der Einsicht, dass die beiden Bands doch eigentlich ganz wunderbar zusammenpassen. Verbindungsstück ist dabei vor allen Dingen die gemeinsame Vorliebe für Geschwindigkeit und melodischen Hardcore.

Aber fangen wir vorne an: Die kleine Bühne im Faust’schen Mephisto zu Hannover platzt fast aus allen Nähten, als sich das Sextett aus dem beschaulichen Warrington spielbereit macht. Wir werden vorgewarnt: Der vorige Abend sei wohl feuchtfröhlich gewesen und die Band dementsprechend verkatert – “We blame Strike Anywhere of course”, ja ne is klar….Aber wer feiern kann, der kann auch arbeiten und das tun die fünf Jungs und ein Mädel sehr vernünftig.

Während die Folkinstrumente zwar gelegentlich ihre Soloauftritte haben und auch sonst dem Klangbild der Warringtoner einen steten Folkanstrich verleihen, wird die Nähe zum Headliner durch den fast durchgängigen Skatepunkbeat und die schiere Geschwindigkeit schnell deutlich. Melodic Hardcore trifft Folk, könnte Mensch sagen.

Auch die Hausaufgaben haben Roughneck Riot gemacht. Während das Publikum zunächst verhaltene Zustimmung zeigt, verwandelt sich der Auftritt spätestens ab der Mitte in ein rauschendes Punkrockfest. Großer Sympathiepunkt hier: Auf die Ansage, “this next song’s for everyone who played ‘Tony Hawk’s Pro Skater 2′” folgt eine Eigeninterpretation des Bad Religion-Übersongs “You”, der als Aushängeschild des Skatespiels zehn Jahre nach Erstveröffentlichung zu erneuter Popularität gelang und neben “American Jesus” und “21st Century Boy” einer der beliebtesten BR-Songs wurde.

Ein erstes, absolutes Highlight haben wir damit schon hinter uns gebracht und die Stimmung könnte nach einer Vorband nicht perfekter sein. Strike Anywhere brauchen den gedeckten Tisch eigentlich nur noch abfrühstücken. Und das tut das Quintett aus Richmond, VA auch postwendend.

Insgesamt ist der Sound im kleinen Mephisto als recht knallig, laut und leider wenig differenziert zu beschreiben. Ich bin froh, Ohrstöpsel mitgebracht zu haben, denn großartig besser wird es beim Hauptact nicht. Das ist aber auch vor dem Hintergrund, dass das hier eine Punkshow und kein Kammermusikkonzert ist, weniger schlimm. Außerdem machen die Richmonder das trotz ihres mittlerweile doch fortgeschrittenen Alters durch Spielfreude und Energie wieder weg, was ihnen das Publikum umgehend dankt.

Von Anfang bis Ende der Show ist der Pit ein einziger Hexenkessel und die gelungene Mischung aus der Diskografie der (mittlerweile) Veteranen wird gleichermaßen bejubelt, egal ob vom Debüt “Change Is A Sound” zu Anfang, oder dem tatsächlich nach wie vor ‘neusten’ Album “Iron Front” Ende der 2000er. Nur die ‘ganz neuen’ Songs der 2020er EP “Nightmares Of The West” wollen nicht so ganz einschlagen, obwohl Sänger Thomas Barnett den Hintergrund der jeweiligen Stücke genauso enthusiastisch erklärt wie alle anderen Ansagen auch.

Vielleicht brauchen die Songs auch einfach nochmal so viel Zeit wie das mittlerweile alte Strike Anywhere-Material, um zu reifen. Höhepunkte aus den 2000ern werden jedenfalls besonders frenetisch gefeiert, darunter natürlich Hits wie “Infrared”, “We Amplify, Blaze” oder “I’m Your Opposite Number”. Mir geht es wohl ähnlich wie vielen der (ebenfalls) mittel- bis alten Zuschauerschaft – Es ist so schön, diese unglaublich sympathische Truppe nach so langer Zeit endlich wieder auf der Bühne eines kleinen Clubs zu sehen, in dem diese Musik einfach am besten funktioniert. Das lässt – zumindest von meiner Seite – eigentlich keine Wünsche mehr offen. Schön wars gewesen, wie der Bielefelder sagen täte.