Konzertbericht La Dispute – Live Music Hall, Köln, 26.04.2023

10+2. Unter diesem Moniker steht der heutige Abend. Eigentlich wollten La Dispute ihr 2011 erschienenes Erfolgsalbum „Wildlife“ schon vor zwei Jahren mit einer Tour zelebrieren. Aber dann kam das böse C und wie so ziemlich jede:r Musiker:in musste das Quintett aus Grand Rapids, MI die Jubiläumsfeier um zwei Jahre verschieben.

Umso schöner ist es, dass die Show aus der Essigfabrik in die Live Music Hall hochverlegt wurde – gut so, denn in der etwas größeren LMH ist es gerammelt voll mit überwiegend (aber nicht nur) Mitdreißiger:innen, die die Gelegenheit nutzen, um in den Erinnerungen ihrer lebensdefinierenden 20er zu schwelgen. Ich schätze, ich bin einer von ihnen.

Insofern ist klar, wie sich das Set der Band gestalten wird. Zunächst kann sich Köln Ehrenfeld aber über zwei exzellente Newcomer-Acts freuen. Leider zwingt uns die Arbeitswoche, Bielefeld erst zu späterer Stunde zu verlassen und auch entsprechend spät in Köln einzutreffen. Die leidige Parkplatzsuche im Veddel tut ihr Übriges und wir verpassen leider die großartige Elise Okusami aka Oceanator. Es ist leider, wie es ist, unter der Woche. Arbeit nervt.

Aber zumindest das Floridianische Quartett Pool Kids schauen wir uns an. Die paritätische Band, zwei Mädels, zwei Jungs, bringt uns mit Spielfreude und jeder Menge positiver Energie schnell auf Betriebstemperatur. Auch der Sound passt und dass die Band gesteht, noch nie vor so vielen Menschen gespielt zu haben, freut uns schon ein wenig für sie.

Gut gelaunt und voll motiviert geht es nun also zum vorhersehbaren Teil des Abends über. Unter dem Intro-Sampler ihres ikonischen zweiten Albums und tosendem Applaus betreten die fünf Jungs von La Dispute die Bühne und beginnen bei Track 1 („A Departure“), arbeiten sich Stück für Stück durch „Wildlife“, und enden schließlich bei Track 14 („You and I in Unison“).

An den Einschnitten des Konzeptalbums (Songs, die mit einem „A“ im Titel beginnen) gibt es jeweils kurze Verschnaufpausen, die Sänger und Lyriker Jordan Dreyer für die üblichen Danksagungen an Support-Acts und Fans nutzt. Besonders von Oceanator spricht er in den höchsten Tönen.

Vor dem letzten Abschnitt des Albums, beginnend mit „A Broken Jar“, erläutert Dreyer, worum es im Konzeptalbum „Wildlife“ eigentlich geht (ein beobachtender Blick auf die ökonomische Rezession und den damit verbundenen, gesellschaftlichen Verfall in der Heimatstadt der Band) und wie fern und doch nah sich dieser Lebensabschnitt für die Bandmitglieder anfühlt.

Nach einem längeren Monolog, der mit viel Zustimmung und Applaus bedacht wird, begehen La Dispute die abschließenden drei Songs des Albums, die nach Eigenaussage positiver gestimmt sind als die vorherigen Stücke. Nach kurzer Dauer gibt das Quintett noch zwei Zugaben, von denen „Andria“ mit frenetischem Applaus begrüßt wird. Der Abend schließt mit „Hudsonville, MI 1956“ und hinterlässt eine wohlige Erinnerung an eine andere Zeit, die zwar nur zwölf Jahre zurückliegt, sich jedoch wie aus einer ganz anderen Ära anfühlt.

Trotzdem wirkt „Wildlife“ nach drei Jahren Pandemie und den damit verbundenen Belastungen und ökonomischen Problemen so aktuell wie vor zwölf Jahren und attestiert dem Zweitling der fünf Jungs aus Michigan damit eine gewisse Zeitlosigkeit. Schön, dieses Werk noch einmal so in Gänze gehört zu haben.