Interview mit Wytch Hazel – „Wir sind nicht für drei Jahre da und machen dann etwas anderes.“

Wytch Hazel aus der Grafschaft Lancashire sind schon eine etwas spezielle – auf ihre Art vielleicht auch eine etwas schrullige – Band. Das fängt schon beim ausgefallenen, hellen Outfit an und manifestiert sich vor allem im altmodischen Hardrock, in dem immer wieder eine kleine Portion Folk durchschimmert. Hier werden scheinbar alte Zeiten romantisiert – inklusive Kämpfe und Frömmigkeit. Aber halt, nicht aufhören weiter zu lesen! Das britische Quartett ist ein ausnehmend sympathischer Haufen, ihre Musik trotz des angestaubten Flairs quicklebendig, einfach zeitlos. Und die Texte haben zwar eindeutig einen christlichen Unterton, aber hier wird nicht gepredigt oder missioniert. Nachzuhören auf ihrem aktuellen, zweiten Album „II: Sojourn“, welches kürzlich erschien und das zeigt, dass ihr hochgelobtes Debütalbum „Prelude“ vor zwei Jahren keine Eintagsfliege war. Grund genug, bei Sänger, Gitarrist und Bandleader Colin Hendra via Skype durchzuklingeln. Am anderen Ende der Leitung grüßte ein froh gestimmter Herr, der nur allzu gerne Auskunft über seine Band gab.

 

 

Hallo Colin, starten wir mal ganz am Anfang Deiner Band. Der Name Wytch Hazel hat sicher weniger mit einer Hexe, als mit der Virginischen Zaubernuss (engl. „Witch-Hazel“) zu tun.

Es bezieht sich tatsächlich auf diese Pflanze und ihre Heilkraft. Musik kann ebenfalls eine heilende Kraft haben. Daher der Name.

 

Ihr seid auf den Bandfotos und der Bühne relativ auffällig gekleidet – mit einer Art „Strumpfhosen-Robin-Hood-Look“. Das ist definitiv einzigartig. Wie kam es dazu?

Wenn du auf die Bühne gehst, möchtest du den Leuten eine Performance bieten, was in Straßenklamotten meiner Meinung nach nicht funktioniert. Wenn du eine Show bieten möchtest, sollte es auch etwas mit der Musik zu tun haben, ihrer Energie, dem Stil. Ähnlich wie bei einer Tanzvorführung, bei der man auch spezielle Kleidung trägt. Wenn man in einer Band spielt, verhält es sich ähnlich. Es hilft einem auch als Performer, aber nicht nur. Die Fans erwarten schließlich auch etwas von einem. Sie möchten ein Gesamtpaket sehen.

 

Wie aus dem Nichts hat sich in der Underground-Metal-Szene eine kleiner Hype um Euer Debütalbum „Prelude“ entwickelt. Kam dieses positive Echo für Dich nicht etwas überraschend?

Ich konnte mir nicht verstellen, wie viel man von unserer Musik verkaufen kann. Es ist einfach keine Mainstream-Musik, eher Nischenmusik. Wie ich mitbekommen habe, gab es tatsächlich ein überwältigend positives Echo, was schon sehr überraschend war. Ich dachte mir eigentlich, dass es viele Leute nicht mögen würden – die Musik, wie auch die Texte.

 

Verspürt man deswegen beim Schreiben einer neuen Platte einen gewissen Druck, gleichziehen zu können?

Ja, absolut! Bezogen auf das erste Album: Einige der Nummern wurden über einen langen Zeitraum geschrieben, fast schon Jahre, bevor wir schlussendlich ins Studio gingen. Wir hatten einen guten Produzenten, es lief sehr flüssig, eines kam zum anderen. Bei den Arbeiten zum zweiten Album kam dann schon etwas Druck auf. Ich wollte nicht, dass es im Anschluss heißt: „Das erste war aber schon besser“. (lacht)

 

 

Wie entsteht die Musik von Wytch Hazel? Meines Wissens bist Du der alleinige Songwriter. Wie groß ist der Einfluss der restlichen Band?

Ich mache das komplette Songwriting. Es gibt Proben, bei denen ich dann einen fertigen Song mitbringe, ein richtiges Demo mit selbst aufgenommenen Drums, sämtlichen Gitarrenspuren, der Grundstruktur des Stücks. Für mich ist es aber auch möglich über Ideen gemeinsam zu jammen und sie auszuarbeiten. Manchmal muss man sogar gewissen Dinge gemeinsam ausprobieren. Das haben wir kürzlich bei den neuen Stücken getan. Es gab ein paar strittige Punkte zwischen dem Schlagzeuger und mir, wie gewisse Übergänge und Passagen klingen sollen. Manche Sachen kann man nicht alleine machen. Aber davon abgesehen, tendiere ich schon dazu Songs vom Anfang bis zum Ende allein zu schreiben. In diesem Sinne bin ich so etwas wie ein einsamer Wolf. Ich genieße zwar auch die Zusammenarbeit mit anderen Musikern, ich bin sehr offen dafür. Aber wenn ich einen Anfang mache, möchte ich auch für mich das Ende sehen.

 

Du bist Vater eines eineinhalbjährigen Sohns. Ist es da nicht schwieriger geworden Zeit und Muße für die Musik zu finden?

Ich habe zwei Tage in der Woche, in denen ich als Musiklehrer Privatunterricht gebe. Wenn die Leute dann weg sind, bleibe ich noch längere Zeit hier und nutze sie, um an Songs zu arbeiten und Demos aufzunehmen. Ich arbeite aber auch als angestellter Lehrer an einer Schule die etwas weiter weg ist, so dass ich über Nacht bleibe und dann Songs schreibe. Daran hat sich nichts geändert. Ja, ich habe zu Hause weniger Zeit dafür, bzw. ich mache das nicht mehr, ich passe auf meinen kleinen Sohn auf. Dafür musst du in der restlichen Zeit einfach härter arbeiten und sie vernünftiger einteilen.

 

Die neue Platte hat einen angenehmen Fluss und klingt wie eine interessante Reise mit ruhigeren Momenten und überhaupt verschiedenartigen Songs. Etwas das mir sehr gefällt. Ein derartiger Gesamteindruck schien bei der Produktion wohl wichtig zu sein.

Ja, das war das Hauptaugenmerk. Bei der Zusammenstellung von Liedern beginne ich nicht mit null. So auf die Art, „wie soll das Album klingen?“, also schreibe ich entsprechende Nummern. Vielmehr beginne ich mit dem Songwriting und sehe, in welche Richtung es mich treibt. Es ist ein fließender Prozess. Wenn du regelmäßig Songs schreibst, bekommst du ein Gefühl, wie das Endergebnis als Album klingen könnte. Es folgt keinem Muster, man lässt es einfach geschehen. Dabei gibt es natürlich auch Lieder die anderes klingen, vielleicht auch nicht so gut sind und deswegen nicht ihren Weg auf die Platte finden. Dann schreibst du einfach weiter, bis genügend Stoff vorhanden ist, der gut zusammenpasst. Und genauso wie man einzelnen Songs schreibt, schreibt man sozusagen auch ein Album, man stellt es zusammen. Es gibt dabei meiner Meinung nach viel zu beachten. Seien es die Geschwindigkeiten der Songs, in welcher Tonart sie sind, auch, dass man nicht zu viel gleichartige dabei hat. Es ist nicht gerade interessant, wenn z.B. alle in derselben Geschwindigkeit sind.

 

Die Texte von „Sojourn“ scheinen alle einem ähnlichen Thema zu folgen. Eine Art Suche nach dem Licht, dem Besiegen von Dunkelheit. Wurde hier ein bestimmtes Konzept vorgegeben?

Das trifft ungefähr auf die Hälfte der Songs zu. Sie beziehen sich direkt auf Bibelpassagen. Der Rest ist eher nach innen gerichtet und beruht mehr auf meinen eigenen Erfahrungen.

 

Der Albumtitel bedeutet soviel wie ein vorübergehender Aufenthalt. Ist das im künstlerischen Sinne gemeint, als eine Art Zwischenschritt in der Evolution der Band, oder liegt ein tieferer Sinn dahinter?

Dieser vorübergehende Aufenthalt ist der Punkt, an dem man nach einer Reise ankommt. Das Album ist das Ziel. Aber um an dieses Ziel zu kommen, muss man erst einmal reisen. Wie in der Bibel, wo sich jemand auf die Reise begibt, um einen bestimmen Ort, einen bestimmten Zustand zu erreichen. Die Reise ist das Songwriting, das Ziel das Album. Ein weiterer Gesichtspunkt dieses temporären Aufenthalts ist, dass es kein dauerhafter für die Band ist. Wir machen jetzt nicht einfach zwei Platten und hören dann auf. (lacht) Das ist der Punkt an dem wir uns zwischenzeitlich befinden, das ist das, was wir für jetzt machen wollten. Das nächste Album kann wieder anders sein, wer weiß.

 

 

Immer wieder ist zu hören, dass Wytch Hazel eine Art religiöse Band seien. Allerdings keine die predigt, wie im typischen christlichen Rock und Metal. Ich würde das eher mit einer Band wie Trouble in ihren frühen Jahren vergleichen, welche die christliche Bildsprache zwar verwendete, aber ohne in einen Predigerton zu verfallen.

Ja, möglicherweise. Die Band Trouble an sich ist mir geläufig, aber nicht komplett. Was wir definitiv nicht sind, ist Stryper. (lacht) Der Hauptunterschied zwischen ihnen und uns ist, dass Stryper komplett aus amerikanisch-evangelikalen Christen bestehen. Sie haben alle dieselben Anschauungen. Sie möchten auf jeden Fall auch gute Musik schreiben, auf der anderen Seite aber auch evangelisieren. Das mag für sie passen, in den 80ern war das eine gute Sache. Aber ich bin mir nicht sicher, ob das heute noch auf diese Art und Weise funktionieren würde. Die Leute sind heute einfach skeptischer, was das betrifft. Bei uns ist das anders. Wir sind keine Band mit einem klaren Plan dahinter. Der einzige Plan ist, gute Musik zu machen. Letztendlich ist das Ganze auch nur ein Hobby. Davon abgesehen ist Musik natürlich sehr wichtig für mich. Da ich der einzige Songwriter bin und auch noch gläubiger Christ, ist es nur natürlich, dass diese Dinge auch in den Texten durchscheinen. Die Herangehensweise der christlichen Rockszene ist nicht mit unserer vergleichbar.

 

Die Musik von Wytch Hazel ist ziemlich oldschool, klingt sehr nach den 70ern und Sachen wie Thin Lizzy und Wishbone Ash. Ist das quasi „Deine Musik“?

Ich höre mir hauptsächlich das an, was man heute „Classic Rock“ nennt, inklusive Hard Rock und Heavy Metal. Vor allem Bands wie Black Sabbath, Thin Lizzy, Judas Priest, Led Zeppelin. Das ist einfach meine Lieblingsmusik. Ich versuche aber schon Up-to-Date zu bleiben, höre auch verschiedene Arten von Musik, zeitgemäße Musik, Folk, Klassik. Ich in ein großer Klassik-Fan. Auch orchestrale Film-Soundtracks. Letztendlich komme ich aber immer wieder zu den Rockklassikern zurück. Das macht sich natürlich in der Musik bemerkbar. Ich spiele den Stil, den ich mir auch am meisten anhöre.

 

Das Albumcover von „Sojourn“ erinnert mich stark an die Ästhetik von Wishbone Ashs „Argus“. Ist das eine bewusste Anlehnung?

Als wir das spanische Branca Studio um ein Artwork baten, haben wir Bilder und Referenzen geschickt, die in diese Richtung gehen. 70er-Jahre-Fotografien, wie sie auch Black Sabbath verwendet haben. Etwas grobkörnig, aber in guter Qualität. „Argus“ ist eine stark verfremdete Fotografie und wir wollten etwas in die Richtung haben. Es ist schwer zu leugnen, dass wir Fans davon sind. Ich denke, unser Cover ist ziemlich gut geworden. Es gibt eine feine Trennlinie zwischen einer reinen Kopie und etwas Originellem. Es gibt eine echte Fotografie. Die Farben sind in einer ähnlichen Art gestaltet. Ich finde, dass es letztlich ein schönes Stück Kunst geworden ist.

 

Original oder Fälschung? Links “Argus”, rechts “Sojourn”.

 

Du hast vorhin schon mal erwähnt, dass Wytch Hazel eine Art leidenschaftliches Hobby sind. Hattest Du dabei allerdings nie den Traum, es auf einem professionellen Level zu tun, mit regelmäßigen Touren etc.?

Um das zu erreichen, musst du pausenlos unterwegs sein, du solltest jede Woche spielen. Ich könnte das machen, aber man muss ein gutes Gleichgewicht zwischen Beruf und Familie finden. Für mich ist Zeit mit meiner Familie zu verbringen einfach wichtiger. Als Underground-Band würde es sehr viel Arbeit bedeuten, um ein geregeltes Einkommen zu erzielen. Ich sage aber auch niemals nie. Wenn die Sache in Zukunft erfolgreicher werden würde, wäre das toll. Aber wir verkaufen keine 50.000 Platten. Und wenn wir das tun würden, kämen wir vielleicht diesem Traum näher. 50.000 klingt erst mal viel. Aber wenn man es durch vier teilt, sieht das schon anders aus. Das entspricht keinem vernünftigen Einkommen. Letztlich hoffe ich, dass die Band etwas erfolgreicher wird und dadurch ein Mix aus Auftritten und der Arbeit als Lehrer möglich ist. Das wäre ein realistischer Traum. Ich bin auch eher der Realist und bodenständige Typ. (lacht)

 

Letztendlich gibt einem der nicht vorhandene Zwang erfolgreich zu sein auch die komplette künstlerische Freiheit zu tun, was man möchte.

Da stimme ich absolut zu. Um ehrlich zu sein, ist mir das auch viel wichtiger. Dadurch entstünde ein großer Druck was Veröffentlichungstermine und Tourverpflichtungen betrifft. Ich möchte nicht, dass die Musik darunter leidet. Das wäre es nicht wert. Es ginge nur noch um Geld. Und Geld ist kein Ziel für mich. Ich habe Wytch Hazel nicht gegründet, um Geld zu verdienen. (lacht) Andererseits haben wir schon die Absicht mehr Konzerte zu spielen. Da ich Vater geworden bin, spielen wir derzeit nicht soviel. Die Band ist eine längerfristige Sache. Ich mache es aus den richtigen Gründen, ich mache es wegen der Musik. Es ist ein sich entwickelnde Prozess. Wir sind nicht für drei Jahre da und machen dann etwas anderes.

 

Mehr Konzerte, vielleicht auch hier bei uns, fände ich als Fan schon schön. Ich hatte das Vergnügen Euch letztes Jahr auf dem Keep It True zu sehen und war erst einmal überrascht, dass ihr nur zu dritt ward. Hattet ihr Euren Bassisten zu Hause vergessen?

Er hat es nicht nach Deutschland geschafft. (lacht) Das war sehr frustrierend, da es das größte Konzert war das wir bis dahin gespielt haben und er hat es fertig gebracht seinen Pass zu verlieren. Eine wirklich dumme Sache. Er weiß das. Er ist mir nicht böse, wenn ich das sage. Wir haben ihn danach gebeten die Band zu verlassen. Es lag allerdings nicht nur an diesem einen Vorfall, es gab mehrere Dinge. Er möchte auch lieber sein eigenes Ding durchziehen, was in Ordnung ist. Am Ende haben wir unseren alten Gitarristen als neuen Bassisten dazu geholt. Das funktioniert sehr gut. Und so haben wir ein paar Bandmitglieder, die ihren Pass nicht verlieren. Wenn wir das nächste Mal in Deutschland sind, seht ihr, dass es vier Stück von uns gibt. (lacht)

 

Bei dem Festival habt ihr am selben Tag wie Manilla Road gespielt. Ihr Gründer Mark Shelton ist kürzlich überraschend nach einem Konzert verstorben. Hattest Du die Gelegenheit ihn kennen zu lernen?

Ich habe davon gehört. Das ist sehr traurig. Ich habe ihn tatsächlich mal getroffen. Wir haben zusammen mit Manilla Road in London gespielt. Ich habe ihn als sehr liebenswerten Typen kennen gelernt. Sehr traurig. Er war eigentlich die Band, er war Manilla Road. Ein sehr großer Verlust!

 

Leider ist unsere Zeit schon vorbei, Colin. Ich bedanke mich für dieses Interview!

 

Wytch Hazel live beim Keep It True 2017