© Peter Kaaden
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Interview – “Die beliebte dritte Halbzeit einer Platte” – Gloria

Am 13. Oktober erschien das dritte Studioalbum der Band Gloria. Drei Tage vor dem Release ihres neuen Albums „DA“, habe ich mich mit Mark Tavassol und Klaas Heufer-Umlauf in einem ganz wunderbar lockeren Gespräch über die Platte unterhalten.

André: Wir sind drei Tage vor Release des dritten Albums. Das ist sicherlich auch nach bereits zwei Alben-Releases ein aufregender Moment für euch. Was geht euch so kurz vor dem Release durch den Kopf? Ist da groß Zeit über das alles nachzudenken aufgrund der ganzen Termine?

Klaas: Gerade in den drei, vier Tagen vor der Veröffentlichung, eigentlich in den gesamten Wochen vorher und gerade dann auch noch in der Release Woche selbst, hat man genug zu tun. Das ist vielleicht gar nicht schlecht, wenn man so abgelenkt ist. Charts kommen ja meist erst nachmittags zwischen 14 und 16 Uhr, TV-Quoten kommen immer morgens um halb neun – da ist man dann durch mit dem Thema. So quält man sich praktisch über den ganzen Tag und das find ich eine sehr unmenschliche Sache an der Musikbranche, die mir nicht besonders gut gefällt. Man muss den ganzen Tag da rumrennen mit der nicht beantworteten Frage, wie das denn nun aussieht.

Mark: Wobei wir uns ja zum Glück mit dem was Gloria ist, jetzt nicht in die vorderste Kampffront begeben haben- also nicht diesen Chartanspruch haben, den vielleicht irgendwelche Künstler besitzen…

Klaas: Das interessiert mich trotzdem! (alle lachen)

Mark: …, die in so einem Majorkonstrukt gelandet sind, in der sie wissen, dass sie jetzt unbedingt abliefern müssen.

André: Eure eigene Wahrnehmung in Bezug auf die Weiterentwicklung innerhalb dieser drei Alben interessiert mich sehr, vor allem in Bezug auf die Entstehung der Alben. Übrigens müsste 2019 ja Album Nummer vier kommen, wenn ihr dem Rhythmus treu bleiben wollt. 2013, 2015, 2017…

Mark: Stimmt, ja! Zwei Jahre, aber immer ein bisschen mehr als zwei Jahre, wenn wir dann im Dezember oder Januar gelandet sind. Zu deiner Frage: Subjektiver als die eigene Wahrnehmung kann das ja gar nicht sein, wobei dann eine der drei Platten noch ganz frisch in der Birne ist und man ganz viele Erinnerungen daran hat, wie es im Studio oder beim Schreiben war. Man bekommt später ein anderes Gefühl dafür, wenn man sieht, wie die Platte auch live angenommen wird und sich entwickelt, was man so auf der Bühne hinbekommt und was auch nicht. Es ist daher wirklich früh, um die dritte Platte in die Eigenwahrnehmung einfließen zu lassen und dazu was zu formulieren. Ich glaube aber, dass es so wie uns auch vielen anderen Künstlern im Laufe der Jahre ergeht, dass man dogmatisch startet und sich beispielsweise vornimmt erstmal nur mit Gitarren zu arbeiten um dieses Dogma dann schon bei der zweiten Platte wieder zu verlassen. Ab dann entwickelt sich eine Band, je nachdem was gerade an Musik oder Instrumenten über den Weg läuft. Man ist so beeinflussbar, wie auch in Bezug

auf die inhaltlichen Dinge, die man so mitbekommt. Wir – viele andere sicherlich auch – haben aber jetzt keine Agenda, in der wir sagen „diese Platte muss jetzt klingen wie…“ oder „das und das darf uns nicht mehr passieren“, wir lassen das einfach geschehen. Wir haben auchmehr Songs, als die, die dann nachher veröffentlicht werden. Wir treffen die Songauswahl für die Platte aber dann wirklich nach Gefühl und eigener Überzeugung. Dann sehen wir selber erst was das geworden ist – auch mit einigen Überraschungen dabei.

André: Könnt ihr was zu dem eigentlich deutlichen Namen des neuen Albums sagen? „Da“ kann leicht mit „Hier sind wir“ interpretiert werden. Was steckt da mehr hinter?

Klaas: Ja, man könnte denken, dass das einfach das bedeutet, aber das wäre mir einfach zu albern. Deswegen heißt es auch nicht „Immer noch da“, sondern nur „DA“. Das ist aber natürlich eine Referenz auf den Song den wir als Single ausgekoppelt haben. Wir hatten dabei das Gefühl, dass dieser auch ein guter Repräsentant für das Album ist. „DA“ verweist daher mehr auf den Song und auf das damit verbundene Thema, weil das eines ist, was wir gern herausstellen, gern drüber sprechen und dabei das Gefühl haben, dass man über dieses Thema gut sprechen kann und auch sollte. Ganz so schlimm ist es noch nicht, dass wir vorne auf die Platte draufschreiben müssen, dass wir noch da sind.

André: Das Album ist mit neun Tracks ein recht kurzes Album. Mark du sagtest vorhin schon kurz, dass jedoch viel mehr Songs vorhanden sind. Vermutlich hast du die Frage eh schon recht gut beantwortet. Warum habt ihr euch für lediglich neun Tracks entschieden?

Mark: Genau, das hatte ich schon angedeutet. Man könnte viel mehr Lieder auf die Platte legen. Es gibt viele Bands die machen das auch und bringen Doppelalben raus.   Oft ist das nur eine quantitative Steigerung, aber ob das der Qualität immer so gut tut, das weiß ich nicht. Ich muss auch ehrlich sagen, dass ich jemand bin, der auf einem Konzert happy ist, wenn nach 80 Minuten dann Schluss ist. Das ist das Live-Pendant zur Platte – dass vielleicht doppelt so lang gespielt wird. Das hat bei Gloria aber einfach damit zu tun, dass wir immer erst gucken was gehört auf das Album, was möchten wir der Welt zeigen, was ist fertig, zu Ende formuliert, was funktioniert und was nicht? Und dann ganz am Ende addieren wir alles und sehen die Minutenzahl oder die Anzahl von Songs. Wir haben zum Glück – da kommen wir wieder auf Grönland zu sprechen – ein Label was da sagt „das ist eure Sache“. Ein Teil unserer Unabhängigkeit. Und bis jetzt habe ich auch noch nicht eine einzige Mail, bzw. Kommentar von unseren Fans gelesen – wir haben ja jetzt schon die dritte recht kurze Platte herausgebracht – in der dies vorwurfsvoll thematisiert wurde. Theoretisch ist das wohl wirklich ein Thema, aber im Leben eines Musikers, der eine Platte rausbringt wird man damit gar nicht so sehr konfrontiert.

André: Der Song „Erste Wahl“ ist ein sehr politischer Song. Ihr hattet damals beim Bundesvision Songcontest diesen Auftritt, welcher an dieses Foto aus Lichtenhagen erinnert. Jetzt dieser politische Song. Ich würde euch jetzt nicht direkt als politische Band einordnen – mit einer politische Haltung selbstverständlich -, aber wie wichtig ist es für euch solche Themen als Band aufzunehmen – gerade in der heutigen Zeit? Ist es allgemein wichtig Stellung zu beziehen.

Klaas: Wir bezeichnen uns nicht klassisch als politische Band, aber wenn wir über Dinge sprechen, Dinge die uns beschäftigen, dann sind das natürlich gesellschaftliche und äußere Umstände, die also gar nicht wegzudenken sind. Dadurch, dass wir das Gefühl haben, wir müssen uns Themen vornehmen, die für uns in irgendeiner Form relevant sind, für uns eine Rolle spielen, wird das zwangsläufig politisch. „Erste Wahl“ ist ein Song den wir deswegen nicht nur kurz vor oder nach der Wahl interessant finden. Durch Angst Menschen zu beeinflussen und gesellschaftliche Schwächen auszunutzen, um daraus Politik zu machen, ist ein Thema, über das man sprechen muss und sensibilisieren sollte, nicht nur den Menschen gegenüber, die diesem auf dem Leim gehen, sondern auch denen drum herum. Also aus zwei Perspektiven verstehbar.

André: Bevor ich da nun zu viel Falsches herauslese oder interpretiere aus dem Ganzen, wollt ihr – bezüglich des Inhalts – selbst etwas über diese Platte erzählen?

Mark: Wonach wir oftmals gefragt werden, ist der rote Faden. Aufgrund der nicht vorhandenen Agenda – wir haben vorab nämlich kein konkretes Konzept, bei dem wir sagen, dass wir eine Konzept-Platte machen. Daher fehlt hier auch ein roter Faden. Generell ist das bei uns auch alles gesellschaftlicher verortet, als persönlich. Du hast mit „Immer noch da“ jetzt schon einen Song angesprochen, auch mit „Erste Wahl“ & „Hochhaus“ – hierbei haben

wir politisch gesellschaftliche Themen, die man jetzt noch am ehesten ansprechen kann, in der wir die beliebte „dritte Halbzeit“ einer Platte auch auskosten, in der wir drüber reden. Die Leidenschaft Musik zu machen, nutzen wir als Vehikel um eine Möglichkeit wahrzunehmen die wir haben. Wenn wir eine öffentliche Aufmerksamkeit bekommen, durch unsere Leidenschaft, so können wir diese auch mit solchen Themen verknüpfen, weil es uns unglaublich wichtig ist. Es wird da viel zu wenig drüber gesprochen. Das heißt aber nicht, dass in der Unterhaltung alles immer einen politischen Überbau haben muss. Wir als Gloria, vielleicht auch privat, können einen super Abend haben und uns nur unwichtige Sachen erzählen. Trotzdem sind wir stark beeinflussbar durch politische Umstände. Das spiegelt sich in den Songs auch wieder. Wir verknüpfen eine Leidenschaft mit den Inhalten. Es kann sein, dass es auf dem nächsten Album nur noch um Rosenzucht geht, das wissen wir nicht, das ist wie gesagt agendafrei.

André: Songwriting macht ihr beide dann auch zusammen?

Mark: Wir haben auf jeden Fall verschiedene Modi, wie wir zusammen arbeiten.

André: Ab November geht es auf Tour. Was habt ihr hier für Erwartungen? Wen werdet ihr mitnehmen? Besondere Aktionen?

Klaas: Wir touren momentan mit Europas größter Lasershow. Das machen wir für alle Leute, die an der Musik nicht interessiert sind, um denen auch noch ein Spektakel nebenher zu bieten. Einfach um die Fangemeinde zu vergrößern. Somit sind sowohl Gloria- als auch Lasershowfans angesprochen.

(alle lachen)

Mark: Wir haben z.B. noch gar keinen Support. Da sind wir derzeit noch auf der Suche, aber unsere Tour ist ja auch ein wenig supportfeindlich, da es immer drei Tage sind und vier dann nicht. Da kann es sein, dass wir unterschiedliche Bands mitnehmen werden. Wir sind da immer auf der Suche nach Bands, die uns selber am Abend auch bereichern und uns selber motivieren Musik zu machen.

André: Ich bedanke mich ganz herzlich bei euch und hoffe, dass wir uns dann auf Tour sehen werden!

Mark & Klaas: Ja, gerne! Tschüss!