Dorit Jakobs Interview “Im Alltag lauert auch irgendwie das Grauen, das dann gar nicht mehr so alltäglich ist.”

Ich habe Dorit Jakobs jetzt 3x live gesehen. Einmal davon mit Band vor hunderten Menschen. Einmal bei einem Gartenkonzert und einmal bei einem Hutkonzert in einer Bremerhavener Kneipe. Und jedes Mal war es auf seine Art besonders. Dorit Jakobs ist nicht die gefällige Pop-Songwriterin, die “Eingängigkeit und Szene” propagiert, sondern eine Künstlerin die aus alltäglichen Situationen Songs macht, in denen sich zwar jeder wiederfindet, die aber niemand so zur Sprache gebracht hätte. Da wird der “fummelnde Hamburger Szene-Idiot” genauso abgestraft wie die auf einen einstürzende Informationsflut aus den Social Media Kanälen. Bis ihr euch das Album besorgt und mit der Wahl-Hamburgerin den Alltagsprotest-Song alltäglich gemacht habt, könnt ihr hier lesen was ich mit Dorit im Februar auf ihrer Tour im Cafe De Fiets Bremerhaven besprochen habe. Neben uns spielte man vielleicht Skat und am Tresen wurde eine Bockwurst gegessen. Vielleicht.

 

Sven: Ist Dorit Jakobs grundsätzlich skeptisch?

Dorit: Auf jeden Fall sehr grüblerisch. Das ist manchmal vorteilhaft und manchmal ein Nachteil. Es ist auf jeden Fall schon viel Hinterfragen. Sich selbst auch. Ich glaub ich geh mit mir selbst am härtesten ins Gericht. Wenn ich einen Song wie „Mein Sozialleben“ schreibe, lasse ich bewusst mal raus was mich an den Anderen stört. Das man auch nicht so ganz ungefiltert „Was hab ich jetzt falsch gemacht“ denkt, wenn sich andere Menschen scheiße verhalten. In dem Song habe ich das überkompensiert und das war ziemlich heilsam.

Sven: Insbesondere Szenen wie „der Grabscher“ in dem Song haben mich laut lachen lassen, weil ich das absolut nachvollziehen kann, so direkt aber noch nie gehört habe. Und man könnte sofort ein paar Musiker aus den Szenenblasen der Großstädte, wie z.B. Hamburg, aufzählen, die in diese Rolle passen.

Dorit: Ja genau. Und es ist halt auch genau so passiert. Wie selbstverständlich die Hand da unter deine Jacke kommt, wenn du Landei in diese Szene eintauchst und man dir sagen will „Du verstehst das nur nicht. Das ist Punk“. Und wenn du es direkt ansprichst, ist dieses Unverständnis unfassbar. Wenn du es dann mit dem Menschen nicht lösen kannst, es aber nicht so stehen lassen willst, ist die Kunst dann da.

Sven: Wie kam es denn zu der Zusammenarbeit mit dem Grand Hotel?

Dorit: Das war ein ganz langer Weg. Also ich hab halt die frühen Kettcar, Tomte usw. gehört und daher war mir das Grand Hotel ein Begriff. Ich habe zu der Zeit zwar schon Musik gemacht, aber noch nicht in Hamburg. Und in Hamburg trat das Label dann irgendwie auf den Plan. Ich bin jetzt nicht für das Grand Hotel nach Hamburg, aber schon weil ich wusste man kann sein musikalisches Streben da irgendwie entwickeln.

Ich habe mich lange auch nicht mit meiner Musik weiter getraut, weil ich diesem Musikgeschäft gegenüber skeptisch war. Aber man muss lernen dieses Geschäftliche von der Kunst zu trennen. Das ist nicht so leicht, aber man muss das machen, damit man eine gewisse Entspanntheit seiner Kunst gegenüber entwickelt.

Negative Begleiterscheinungen haben mich schon immer gehemmt. Auch in den Anfängen. Wenn ich, selbst in den Anfängen in klein Bremerhaven, negative Dinge wie Neid oder Konkurrenz bemerkte, wirkte sich das für mich immer auf die Musik aus. Wie war die Frage nochmal?

Sven: Das Grand Hotel.

Dorit: Achja. Ich hab kurz vor meinem Umzug mit einer befreundeten Musikerin in Hamburg gespielt. Da hat mich dann der Booker vom Knust gesehen und für zwei Vorprogramme gebucht. Da war man dann im Austausch und der wollte unbedingt eine CD an das Grand Hotel geben. Das hat mehr als ein Jahr gedauert und dann meldete sich das Grand Hotel. Aber das waren noch englische Songs. Zwischenzeitlich war ich aber auf deutschsprachige Songs umgestiegen. Das hat erstmal alle verwirrt und ich stand noch am Anfang und hab mich ausprobiert, was ideal war im Nachhinein. Und auch wenn ich mit anderen Label im Kontakt war, ist es dann das Grand Hotel geworden. Vom ersten Kontakt bis zum Album hat es tatsächlich mehrere Jahre gedauert.

Sven: Was passierte denn eigentlich zwischen Abi in Bremerhaven und dem Album? Da liegen ja einige Jahre zwischen.

Dorit: Also nach dem Abi bin ich erstmal vor der Liebe Musik weggerannt. Quasi. Das ist so wie „Was würdest du anders machen, wenn du könntest“. Ich würde mir selbst damals sagen „Die Musik ist es! Die Musik!“ Ich hab dann also Philosophie für ein paar Semester in Berlin studiert. Ein paar Scheine gemacht und so. Das war mir in Berlin aber alles zuviel irgendwie und ich wollte wieder Musik machen und hab dann in Oldenburg Musik und Anglistik studiert. Hab überlegt das auf Lehramt zu machen, das aber schnell verworfen. Aber das hat mich der Musik wieder näher gebracht. In Oldenburg habe ich auch wieder eine Band gegründet und eigene Musik geschrieben und irgendwann kam der Fokus Hamburg. Eigentlich hätte ich direkt Musik machen sollen, aber manchmal braucht man halt diese Umwege.

Sven: Also bist du jetzt da angekommen, wo du eigentlich auch hin willst?

Dorit: Ja, aber ich mache mir keinen Druck. Wenn ich irgendwann denke „Nö, ich will nicht mehr“, kann es auch was anderes werden. Und irgendwie ist man abhängig vom Publikum. Außer man möchte ständig ausgebuht und beworfen werden. Aber wenn das klappt, auch wenn es vielleicht länger dauert, ist das auch eine Entwicklung und vielleicht ja ein gesundes Tempo. Das ist auch mit den Songs so. Wenn die Leute zu dir kommen und sich wiederfinden oder wenn man es ihnen ansieht, ist das genau das. Und zwar nicht das ich Antworten biete, sondern das man merkt das ich genau wie sie bin.

Sven: Protestsongs. Ich muss gerade an „Soloalbum“ denken. Die Stelle „Ihr müsst auf jeden Fall etwas Gesellschaftskritisches und was gegen Nazis machen“. Du machst aber eher die alltäglichen Protestsongs, oder?

Dorit: Ja schon, die aber eigentlich gar nicht so alltäglich sind. Im Alltag lauert auch irgendwie das Grauen, das dann gar nicht mehr so alltäglich ist. Viele reden ja nicht über ihren Alltag, obwohl das so explodiert ist mit Blogs und so. Das hat bei mir dann den Effekt das von mir fernzuhalten. Ich mach mir lieber meine eigenen Gedanken, weil ich mich sonst schnell in Dingen verliere. Du bist dann vielleicht auch eher du selbst, weil du nicht so verwässert mit anderen Dingen bist.

Sven: Generation Lost. Wie sind keine 20 mehr und dürfen uns jetzt über die verlorene Wertschätzung von Kunst in der heutigen Zeit aufregen. Was meinste?

Dorit: Nichts hat mehr richtig Wert. Das stimmt. Und man dreht durch, weil man eine riesige Auswahl hat, die einen auch einfach Wahnsinnig machen kann. Man möchte sich schon nichts mehr raussuchen, weil man von Angeboten erschlagen wird. „Nichtstun ist unsere Rebellion“ ist dann der Backflash dazu. Man verweigert sich dem Ganzen und das ist zwischendurch mal ganz gesund. Man weiß dann am Ende auch wieder was man wirklich braucht.

 

Und hier noch die „Und/Oder“ Abteilung!

Stadionkonzert oder Kneipe? Kneipe!

Szene Hamburg oder Spaziergang in Hamburg? Mal so, mal so. Aber wenn ich komplett wählen müsste der Spaziergang.

Heather Nova oder Alanis Morisette? Alanis!

Korn oder Sprite? Sprite. Ich vertrag nix.

Liebe oder aufs Maul? Liebe. Man darf den Glauben nicht verlieren.

 

 

Fotos/ Text: Sven Hoppmann