Alles endet, aber nie die Musik – das DEICHBRAND FESTIVAL 2019

15 Jahre Deichbrand-Festival, das liest sich quasi wie eine Erfolgsgeschichte mit ganz vielen Höhen und nur einigen wenigen Tiefen. Liest man die nackten Zahlen, dann ging es in den letzten Jahren (rein was die Besucherzahlen betrifft) steil bergauf und man konnte sich langsam fragen, wie viele Freaks & Folks noch so in das beschauliche Wanhöden (keine 400 Einwohner) gelockt werden sollen.

Auch dieses Jahr war natürlich wieder schön zu beobachten, wie die Bewohner ihre Vorgärten zu musikalisch beschallten Festival-Locations mit Bierwagen, Fressbuden und Toilettenhäuschen machten und so der feierwütigen Meute auf ihrem Weg zum Festivalgelände den einen oder anderen Support bescherten.

Dass die einzige Zufahrtsstraße für eine solche Menge Menschen wieder einmal viel zu überlastet war, ist nichts Neues, wird sich aber auch in den nächsten Jahren nicht ändern lassen… durch die Möglichkeit der Frühanreise am Mittwoch konnte hier aber schon der sonst am Donnerstag auftretende Mega-Stau ein wenig entzerrt werden.

 

Sogar der Wettergott war wieder einmal sehr wohl gestimmt, so gab es zwar die eine oder andere Sturmwarnung und wer Lust hatte konnte sich (besonders am Samstag) eine Freiluft-Dusche verpassen lassen, aber ansonsten wurden wir auch dieses Jahr vor schlimmeren Katastrophen verschont.

Aber scheinbar konnte das gebuchte Line-Up dieses Mal nicht so begeistern wie in den letzten Jahren, denn bis zum Schluss gab es immer noch Tickets zu kaufen – und war das Deichbrand in den letzten acht Jahren quasi immer ausverkauft, so blieb das “Sold Out”-Schild in diesem Jahr bis zum Schluss in der Schublade. Ich meine okay, nach der Zwangsabsage des Headliners von The Prodigy und der kurzfristigen krankheitsbedingten Absage der Punks von Feine Sahne Fischfilet, mochte der eine oder andere dann vielleicht doch nicht zum Ticketshop seines Vertrauens gehen. Auf der anderen Seite war gerade im Rock- und Punkbereich weniger zu finden (was für unser Magazin ja nun mal am interessantesten ist), als in den Jahren zuvor. Dieses Mal hatte man mehr auf Bands aus dem HipHop und Rap, aber auch aus dem Pop- und Elektrobereich gesetzt.

Für uns begann das Deichbrand-Festival 2019 also musikalisch gesehen am frühen Donnerstag-Abend mit dem abgefahrenen Gig von Grillmaster Flash, der die feierwütige Meute schon einmal ordentlich auf Betriebstemperatur brachte, bevor Russkaja das Festival mit ihrem Auftritt im Palastzelt offiziell eröffnete. Aus Punker-Sicht sollte der Donnerstag eh der Tag der Wahl sein, spielten doch im Anschluss die italienischen Ska-Punks von Talco und danach die neue Super-Group Superschande auf, deren Mitglieder sich aus Leuten von Le Fly, Liedfett und von Das Pack rekrutierten. Den krönenden Abschluss des ersten Abends brachten dann die Mittelalter-Rocker von Subway to Sally, die quasi kurz vor dem Wacken noch ein wenig Metal an die beschauliche Nordseeküste brachten und im Anschluss daran die Post-Hardcore-Truppe von Annisokay, die zu später oder beinahe schon früher Stunde die Nacht zum Tag machten.

Festivals sind wie immer von wenig Schlaf und endlosen kilometerlangen Latschereien gezeichnet – trotz alledem fanden sich am frühen Freitag-Nachmittag bereits einige viele Fans der Briten von Skindred ein, die ordentlich Gas gaben… später zeigten dann die Niederländer von De Staat und die für FSF eingesprungenen australischen Hardcore-Punks Clowns, dass man den Freitag nicht nur dem HipHop & Rap bzw. dem Pop überlassen wollte. Die beiden größten Highlights des Abends sollten aber dann mit den Gigs von Thirty Seconds To Mars und den drei Hamburger Jungs von Fettes Brot zu recht später Stunde folgen. Besonders bei der Truppe um Jared Leto war ich mir aufgrund seiner exzentrischen Auftritte und des Genres absolut nicht sicher, ob auch nur der Hauch eines Funken bei mir überspringen sollte. Aber schon ab der ersten Minute schwankte ich irgendwo zwischen “gar nicht mal so schlecht” Deichbrand Festivalund “meine Fresse, was macht der Junge für ne Show” – also nicht, dass ich jetzt Fan geworden wäre, aber ganz so schlecht war der Gig dann nicht… so waren die US-Boys dann irgendwie schon ein verdienter Headliner. Die Kuh zum Kochen gebracht haben dann anschließend die Brote und alles was zu so später Stunde und nach mittlerweile zwei durchgefeierten Tagen noch auf den Pinnen stehen konnte eskalierte komplett.

 

Einen ähnlichen Abriss feierten tags darauf auch die liebenswürdigen Donots, die schon um 12:00 Uhr zum gemeinsamen Fitness-Trinken auf bzw. vor die Fire-Stage einluden – und so etwas lässt man sich natürlich nicht zweimal sagen. Demnächst könnt ihr im Interview lesen, wie es zu dieser Idee kam. Aber damit nicht genug, da aktuell die Band-Silverhochzeit gefeiert wird, wurde dann am Nachmittag einfach noch ein spontaner zweiter Gig auf der Bühne der Jever Hafenbar durchgezogen – Jungs ihr seid doch verrückt… wir freuen uns schon auf die Goldene Hochzeit der Donots beim 40-Jahre-Deichbrand-Jubiläum!

Über den ganzen Samstag-Nachmittag verteilt gab es so manches Schmankerl, so gaben sich die (leider immer poppiger werdenden) Deaf Havana mit den Rogers quasi die Klinke in die Hand und auch Frank Carter & The Rattlesnakes schossen ein paar Raketen ab. Nachdem The Prosecution dann das Palastzelt gerockt hatte, wurde es mit den White Lies erst einmal wieder etwas entspannter. Parallel zum Interview mit Ingo hörten wir dann die Klänge von Dendemann, aber irgendwie wollte der Rapper bei mir so mal gar nicht zünden.

Bevor es dann zu den schottischen Headlinern Biffy Clyro ging, die den Samstag für uns fulminant abschlossen, gab es noch einen Abstecher zur Fire-Stage, wo The Kooks nicht zum ersten Mal beim Deichbrand-Festival überzeugten. Biffy Clyro schossen dann nicht nur ein Feuerwerk nach dem anderen ab, sondern Simon, James und Ben zeigten ab der ersten Sekunde, dass sie auch dieses Jahr wieder richtig Bock auf den Gig hatten – die Jungs sind mittlerweile ein gern gesehener Gast an der Küste und geben jedes Mal das einen Fünkchen mehr, was anderen gelegentlich abgeht.

Der Sonntag diente dann zum Ausklingen, auch wenn die Jungs von Watch Out Stampede bereits zu High-Noon aufspielten und kurz darauf von Swiss & Die Andern beerbt wurden… danach waren die Freunde der härteren Gangart aber langsam bedient – soll heißen, der Rest des Tage war dann den Fans der sanfteren Töne gewidmet. Okay, Madsen gaben dann auch nochmal Gas was das Zeug hielt, ich persönlich habe sie aber auch schonmal musikalisch ansprechender gehört… aber Schwamm drüber. Mit den Gigs von Alligatoah und Marsimoto endete das Deichbrand-Festival 2019 dann sehr HipHop- bzw. Rap-lastig, hier hätte ich mir auf jeden Fall einen anderen Headliner gewünscht!

Abschließend lässt sich das Deichbrand-Festival 2019 so zusammenfassen: es war wie immer hervorragend organisiert und auch die Ordnungskräfte hatten erneut weniger zu tun, als sie es sich vielleicht vorab ausgemalt hatten. Auf der anderen Seite erlebten wir dieses Mal mehr aggressive und unentspannte Besucher – warum auch immer, aber die letzten Jahre haben mir da um einiges besser gefallen.

Das Line-Up hat nicht wirklich so gezündet, wie es in der Vergangenheit der Fall war – von vielen Seiten hatte man im Vorfeld bereits gehört, dass zu wenige “echte Kracher” dabei wären und dass man das ursprüngliche Motto des Festivals, nämlich die Fans in der “RockCity” zu begrüßen, scheinbar bewusst herausgestrichen hat. Auch im Nachlauf sind die Foren gefüllt mit Kritik am Line-Up und die Veranstalter würden gut daran tun, die bereits seit dem letzten Jahr bestehenden Linie, sich immer mehr vom Rock und Punk zu verabschieden und sich zu einem Pop-HipHop-Elektro-Festival zu entwickeln, schleunigst zu überdenken.

Liebe Brandstifter, begrüßt uns beim Deichbrand 2020 doch einfach wieder in eurer “RockCity” – viele, viele treue Fans würden es euch danken. Vielleicht dann doch wieder mehr auf Qualität, als auf Quantität setzen und auch mal mutig sein… Die Ärzte zum Beispiel sind wahrscheinlich zwar teurer, aber mit ihnen hättet ihr beim Festival dieses Jahr garantiert wieder das “Sold Out”-Schild raushängen dürfen.

 

Traurige letzte Worte:

Mit großem Bestürzen mussten auch wir von dem tragischen Todesfall auf dem diesjährigen Deichbrand erfahren – wir wünschen den Hinterbliebenen ganz viel Kraft für die anstehende schwere Zeit!

 

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