“When The Music’s Over”… die HURRICANE FESTIVAL Nachlese 2023

Seit mehr als 16 Jahren hatte es mich nicht mehr zum Hurricane-Festival ins beschauliche Scheeßel in der niedersächsischen Provinz verschlagen und nachdem der Plan im letzten Jahr noch wegen einer Corona-Erkrankung ins Wasser gefallen war, sollte es diese Mal dann wohl doch endlich (gemeinsam mit dem Handwritten-Nachwuchs, der eigentlich für die Bilder zuständig sein sollte) wieder einmal klappen.

Schaut man sich das LineUp des Hurricane Festivals 2007 an, dann gab es sogar mindestens zwei Parallelen, denn erneut kamen die Briten von Placebo über den kleine und die Herren von Queens Of The Stone Age über den großen Teich in die beschauliche Provinz, wo vom 16. bis zum 18.06.23 erneut alle unterwegs waren, die sich im Rock, Punk, Metal, HipHop, Rap, Alternative, Indie und Pop zuhause fühlen – an der Zahl wahren es dieses Mal 76.000 feierwütige Besucher*innen, die den Eichenring auf links drehten… dazu dann gleich mehr.

Beginnen will ich nämlich erst einmal mit der Anreise, die erstaunlicherweise recht entspannt und ohne größere Staus vonstatten ging – aus der Vergangenheit hatte ich ja noch im Hinterkopf, dass man durchaus einige Stunden auf den sehr beschränkten Zufahrtstraßen gestanden und seine Mitreisenden für deren stetig wachsenden Bierkonsum beneidet hatte. Da aber dieses Mal erstens nur mein Sohn von der Partie war, der dem Hopfensaft zweitens nur sehr eingeschränkt frönt und man drittens, wie bereits erwähnt, staufrei durch die Provinz kam, standen wir am frühen Freitag Nachmittag auf dem ausgewiesenen Presse-Zeltplatz und konnten uns direkt an den Aufbau machen.

Schnell die musikalischen To-Do Listen abgeglichen ging es dann gegen 15 Uhr auf das Ferstivalgelände, wo die Herren vom Hurricane Swim Team schon begonnen hatten, die für diese Uhrzeit schon angenehme Zuschauerzahl auf Betriebstemperatur zu bringen. Als kleiner Wermutstropfen fiel uns dann schnell auf, dass wir leider nicht mit einem entsprechenden Graben-Bändchen bedacht worden waren, sodass es uns nicht gestattet war, Bilder aus dem Pressegraben beizusteuern. Lediglich das Infield war für uns vorgesehen… durch ein Missverständnis im Pressezelt haben wir auch erst am zweiten Tag erfahren, dass man aus dem Infield heraus auch keine Bühnenfotos machen durfte – somit müssen die Bandfotos dieses Mal ausfallen bzw. kommen nur sehr eingeschränkt zu tragen.

Was nicht war, kann aber beim nächsten Mal vielleicht noch kommen… und um nun mit dem Gejammer auf sehr hohem Niveau aufzuhören, widme ich mich nun wieder den Darbietungen unseres ersten Festival-Tags – sollten für uns doch auf das amüsante Schwimm-Team die Ruhrpott-Ska-Helden der Sondaschule folgen. Costa Cannabis und seine Jungs heizten dem sehr gut gefüllten Infield mächtig ein und spätestens mit “Amsterdam” oder “Merkst du nicht…“, welches ich hiermit gerne allen AfD-Wählern widmen möchte, hatten die Mülheimer die komplette Feiermeute auf ihrer Seite. Als zum Ende des Gigs dann zu “Bist du Glücklich?” noch das übergroße Banner des vor zwei Jahren verstorbenen Gitarristen Blubbi auf der Bühne gezeigt wurde, hatten nicht nur die Jungs von Sondaschule die eine oder andere Träne im Auge. Im Anschluss zeigte sich Costa dann nach dem Auftritt noch im Pressegraben, wo er entspannt durch die Reihen schlenderte und die eine oder andere Anekdote zum besten gab – auf die Frage, wie er denn ganz ohne Nervosität und extrem souverän so einen Gig vor unsagbar vielen Leuten abreißen könne, ließ er ein umso entspannteres “das wird wohl daran liegen, dass ich ziemlich viel Rauche!” im weiten Raum stehen.

Direkt vorne in der ersten Reihe positioniert, sollte es dann im Anschluss mit den Donots weiter gehen, die einen  besonders guten Tag erwischt hatten und schon beim Betreten der Bühne komplett aus dem Koffer sprangen – hatte man doch zu so früher Stunde nicht mit solch einem immensen Andrang gerechnet. Neben den Klassikern wie “Stop The Clocks“, “Calling” oder “So Long” kamen besonders die Fans der deutschsprachigen Nummern auf ihre Kosten – ich meine, wenn man nach so vielen Jahren endlich ein Nr.1 Album veröffentlicht hat, dann sollte man eigentlich täglich mit dem Gefühl aufwachen, dass “Heut ein guter Tag” ist, oder?! Denn so lange die Messe nicht gelesen ist, ist es “Längst noch nicht vorbei” und im Ernstfall lassen sie die “Hunde Los“… aber immer dran denken, “Keiner Kommt Hier Lebend Raus“! Das die Donots-Gigs immer auch eine Überraschung im Gepäck haben, dass ist hinlänglich bekannt – so verwunderte es auch nicht, als die Sondaschule bei “Dann Ohne Mich” Fahnen schwenkend auf die Bühne kamen und ihren Unmut über den aktuellen Rechtsruck zeigten. Zum großen Finale gaben die fünf Ibbenbürener dann nicht nur “We´re Not Gonna Take It” zum besten, sondern holten dafür sogar den viel gefeierten Elton auf die Bühne, der die Nummer nicht nur lautstark mitsang, sondern im Anschluß daran noch ein cooles Statement gegen Homophobie, Sexismus und Rassismus raus haute.

Für mich hatte sich der erste Festival-Tag bereits nach den beiden Gigs so dermaßen gelohnt, dass alle weiteren Konzerte des Abends reiner Bonus waren… auch wenn mit Bosse und The Interrupters noch zwei Highlights auf meinem Zettel standen. Klar hatte ich den liebenswürdigen Aki schon viele Male auf der Bühne gesehen, aber der Gig beim diesjährigen Hurricane-Festival gehörte auf jeden Fall zu einem der besseren. Ob “Frankfurt Oder” oder “3 Millionen“, die Combo strotzte nur so vor Energie und man konnte klar erkennen, dass die Hamburger richtig Bock hatten. Spätestens als Bosse für seinen neuen Song “Ein Traum” die Hansemädchen samt Elton auf die Bühne holte und alle begeisterten Zuhörer*innen dazu animierte lautstark mitzusingen, da man die Nummer nun gerne noch mit einem 70.000ener Hurricane-Chor aufnehmen und demnächst veröffentlichen wolle, da zerbarsten alle Dämme.

Mit einer ordentlichen Schüppen Adrenalin (selbige Marteria & Casper-Nummer sollte uns am nächsten Morgen dank seines Soundchecks um 9:00 Uhr senkrecht im Bett stehen lassen) ging es dann zur kleineren Bühne, wo die bereits erwähnten The Interrupters für die nächsten 60 Minuten das Ska-Zepter in die Hand nehmen sollten. Selten habe ich eine Frontfrau so energisch und motiviert über die Bühne springen sehen – aber auch der Rest um Aimee Allen herum gab alles, um eine gute Show zu bieten.

Man mag uns für verrückt erklären, aber unsere kurze Pause am Zelt hat sich dann so in die Länge gezogen und die kulinarischen Gaumenfreuden (Chili Sin Carne aus der Büchse) haben uns so dermaßen ins Fresskoma versetzt, dass wir uns den Rest des ersten Festival-Abends dann schenkten und somit die Gigs von Billy Talent und Kraftklub nicht mehr mitbekommen sollten.

Der zweite Festival-Tag begann dann so entspannt, wie der erste geendet hatte – stand doch noch das große MadsenInterview für den frühen Nachmittag auf der ToDo-Liste. So schlenderten wir gegen Mittag in Richtung River-Stage und gönnten uns ein paar Töne von Tyna, die eigentlich aufgrund der Darbietung gerne ein paar mehr Zuhörer*innen verdient gehabt hätten. Aber spätestens nach dem Gig der Aachener von Fjort waren wir wieder auf Betriebstemperatur und ließen uns trotz oder wegen der Hitze (die an sich nicht das Problem war, vielmehr machte einem der aufgewirbelte Staub extrem zu schaffen!) entspannt auf alles ein, was den Rest des Tages noch so folgen sollte – und davon gab es so einiges. Denn als nächstes standen die Kalifornier von Zebrahead auf der Bühne… übrigens begleitet von einer eigens auf der Bühne aufgebauten Bar, von welcher bereist beim Soundcheck ordentlich genascht wurde. Das war aber weder für die Stimmung auf bzw. vor der Bühne, noch für die Spielkunst ein besonders großes Problem, außer dass man aufgrund der Temperaturen doch auf Dauer ein wenig neidisch wurde.

Gerne hätte ich mir in der Folge Bukahara und Akne Kid Joe gegönnt, aber zu dieser Zeit ging es dann in den Artist-Bereich, wo wir uns mit Sascha und Niko von Madsen trafen und das bereits erwähnte Interview gemacht haben – wie sympathisch und entspannt die beiden wieder waren, echt super… Respekt und ein Dank nochmal von meiner Seite!

Weiter gehen sollte es für uns dann mit den Walisern von Funeral For A Friend, die jetzt eine längere Zeit pausiert hatten und die Instrumente nur gelegentlich wieder für gemeinsame Aktivitäten in die Hand nehmen. Zuletzt beim Deichbrand 2015 gesehen, gefielen wie mir dieses Mal nicht ganz so gut – irgendwie war der Mikrofon-Sound von Frontmann Matthew zwischenzeitlich nur schlecht oder gar nicht hörbar… aber alles in allem war ich froh einmal wieder etwas von der ehemaligen Emo-Combo zu hören, als Schwamm drüber. Mit ordentlich Elan und voller Vorfreude ging es dann wieder näher an die Bühne, wobei der für die Briten von Muse aufgebaute Steg ein wenig im Weg war. Auf jeden Fall füllte sich das Infield in den folgenden Minuten extrem und wir stellten uns mental bereits auf die nächste Staubschlacht des Tages ein – aber meistens kommt es anders, und zweitens als man denkt…

… denn quasi passend zum Start der abgefahrenen Madsen Show öffnete der Himmel seine Pforten und ließ alles raus, was man als Wolke so in den letzten Wochen für sich behalten hatten – soll heißen, wir gingen quasi durch den Monsun. Innerhalb kürzester Zeit (gefühlte 30 Sekunden) waren wir von Kopf bis Fuss kletschnass, was aber die allgemeine Partystimmung nur noch umso mehr einheizte. Ein geiler Madsen-Song gab den anderen, ein Cirlce-Pit reihte sich an den nächsten aus “Ein bisschen Lärm” wurde eine 60minütige Dauerparty. Ob das der Weg nach “Hollywood” sei fragte man sich… im Endeffekt gings dann aber doch eher mit dem “Moped nach Madrid“. Was uns geboten wurde, war ein schöner Querschnitt aus den letzten 19 Jahren Bandgeschichte und man kann schon gespannt sein, was das neunte Album, welches im August über das eigene Label erscheinen wird so mit sich bringt. Zum Ende des Gigs hatte es sich dann auch wieder ausgeregnet und insgesamt grenzte alles durchaus an der “Perfektion“!

Nachdem mich die Wendländer dieses Mal natürlich wieder überzeugt haben, gingen wir zwar nass, aber mit einem sehr guten Gefühl in das Palastzelt, wo die Saarländer von Pascow schon auf uns warteten. Hier wurde nun für gut eine Stunde dem guten alten Punkrock gefrönt und das gut gefüllte Zelt grölte jeden einzelnen Song lautstark mit. Nach ein paar viel zu teuren, aber dennoch sehr leckeren Snacks sollte es dann über den Camping-Platz (völlig durchnässt lässt es sich halt nur bedingt gut feiern) wieder zurück zur Forrest-Bühne gehen, wo sich der Platz immer mehr füllte – wartete man doch gespannt auf die Darbietung der drei Jungs von Muse, die auf ihrer aktuellen Europa-Tour auch einen kurzen Stopp in der niedersächsischen Provinz einlegten. Im Gegensatz zum Konzert im RheinEnergie-Stadion in Köln, bei welchem wir noch am vorherigen Freitag waren, war nicht nur der Sound und die Stimmung besser… nein Matthew, Chris und Dominic zeigten auch viel mehr Energie und machten den Anschein so richtig Bock zu haben.

Schade, dass wir vor der Zugabe schon rüber zur River-Stage mussten, da dort ja um 00:00 Uhr das Highlight des Festival-Tages auf uns wartete… denn niemand geringere als der liebe Benjamin aka Casper sollte dort zu so später Stunde aufspielen und für die richtige Bettschwere sorgen. Auch wenn es uns wegen des Bühnenwechsels nurmehr hinter den zweiten Wellenbrecher verschlagen hat, so war auch hier die Stimmung auf einem extrem hohen Level und die in den darauf folgenden zwei Stunden zelebrierten Songs wurden Stück für Stück abgefeiert und nicht nur die Songs des letzten Albums “Alles war schön und nichts tat weh” fanden ihren Platz. Der vielerorts herbeigesehnte Thees Uhlmann war zwar bei “XOXO” leider nicht zugegen, aber dafür betrat Drangsal beim nicht weniger abgefeierten “Keine Angst” die Bühne und wurde frenetisch mit Applaus überhäuft. Spätestens nach dem gerade veröffentlichten neuen Song “emma” war auch dem letzten Besucher des Abends klar, dass hier heute was ganz großes passierte…

Kurz vor Ende der Show tauchte Casper plötzlich für eine ausgedehnte Rap-Einlage in der Mitte des Geländes auf und krönte den Abend dann abschließend um 02:00 Uhr mit einem kleinen Feuerwerk.

Glücklich und zufrieden ging es dann für ein paar kurze Stunden in Richtung Schlaf, bevor wir uns am nächsten Mittag dem letzten Festival-Tag zuwandten. Leider kamen Razz an dem Tag für uns zu früh, sodass wir erst nach dem Abbau des Zeltes passend zu den Punks von Betontod das Gelände betraten. “Wir müssen aufhören weniger zu trinken” war bei dem Gig jedenfalls die Devise und nachdem man gemeinsam “Die letzten Punks der Stadt” gefunden hatte, entschied man zusammen “Nie mehr St. Pauli ohne Dich” zu besuchen. Auf jeden Fall war der Gig der Rheinberger ein gelungener Start eines dritten Hurricane-Tags.

Etwas entspannter angehen wollten wir es eigentlich, der gute alte Frank Turner und seine Sleeping Souls machten aber direkt einen Strich durch unsere Rechnung – ballerten sie uns doch einen guten Schwung ihrer alten und neuen Songs um die Ohren. Da ich Frank Turner bisher noch nie gesehen hatte, verfolgte ich gespannt jede einzelne Nummer der Briten und hätte gerne noch den eine oder anderen Song mehr gehört – aber wofür gibt es denn schließlich die ganzen Streaming-Anbieter?!

Spätestens nach dem Auftritt der Briten wurde jedoch langsam klar, dass bei uns die Luft raus war und dass der Handwritten-Nachwuchs nach seinen Festival-Favoriten von den Queens Of The Stone Age den zweistündigen Heimweg antreten wollen würde, was mich ein wenig verwunderte… sollten doch am Abend neben den Briten von Placebo noch die Chirurgen aus Berlin das Festival glorreich beenden.

Tja, die Jugend von heute – das hätte es früher nicht gegeben! Wer damals nicht auf Die Ärzte gehört hatte, den hätte man definitiv nicht mehr für zurechnungsfähig erklärt – aber Zeiten ändern sich halt. Um die Zeit bis zu den Queens zu überbrücken, haben wir uns noch kurz den Gig der Isländer von Kaleo gegönnt, die hierzulande durch die Mega-Nummer “Way Down We Go” bekannt geworden sind.

Nur gut eine Stunde später wurden dann unser persönliches Hurricane 2023 Finale eingeleitet, nämlich als Josh Homme und seine drei Mitstreiter die Bühne betrat und neben “No One Knows“, “Go With The Flow” oder “The Lost Art Of Keeping A Secret” auch einige Songs des gerade erst erschienenen Albums “In Times New Roman” zum Besten gaben. Mich persönlich haben die Amis von je her noch nie so wirklich gekriegt, aber das gut gefüllte Infield war da einer anderen Meinung  – und zugegebenermaßen war das ein sehr guter Gig… so sieht`s nämlich aus.

Nach dem Gig ein letztes Mal nachgefragt, ob es nun wirklich schon in Richtung Heimat gehen sollte, machten wir uns dann gegen 21:00 Uhr auf den Weg zurück an die Küste, wo man nach einer zweistündigen Fahrt durch das Irgendwo im Nirgendwo entspannt, aber mindestens genauso fertig ankam – was soll ich sagen, scheinbar werde ich langsam zu alt für so´n Shit! 😉

Als Fazit des Wochenendes möchte ich aber festhalten, dass ich mich auch 16 Jahre nach meinem letzten Hurricane-Festival wunderbar aufgehoben gefühlt habe. Die Organisation ließ nichts zu wünschen übrig, der Ordnungsdienst war super, es gab weniger alkoholbedingte Ausfälle als bei anderen Festivals – insgesamt geht der Daumen hier als klar nach oben. Lediglich die bereits in anderen Berichten angemerkte Problematik mit den zu wenigen Wasserstellen sollte nochmal überdacht werden. Besonders, wenn es so warm ist, wie am vorletzten Wochenende. Und über die Getränke- bzw. Snack-Preise lässt sich gerne streiten… denn so wird neben dem happigen Eintrittspreis zusätzlich nochmal einiges abgerufen – aber ich denke dieser allgemeine Trend lässt sich eh nicht mehr zum positiven verändern.

Also ich freue mich definitiv schon auf das Hurricane-Festival 2024!

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