Reinhold Friedl & Kasper T. Toeplitz – La fin des terres (Zeitkratzer Production, 10.11.2023)

Einer, wenn nicht die Koryphäe der Contemporary Music und einer der wohl fleißigsten Musiker des Genres, Reinhold Friedl, hauptamtlich Bandleader und Labelmacher von Zeitkratzer, legt mit „La fin des terres“ ein neues Kollaborationsalbum vor. Hierfür hat er sich mit dem Bassisten Kasper T. Toeplitz zusammengetan und mal eben ein Doppel-(CD-)Album mit zwei Stücken produziert. CD 1 beinhaltet das knapp 55 Minuten lange „La fin des terres_Z“ und CD 2 wird vom 64 Minuten langen „La fin des terres_ Ω“ gefüllt.

Bevor ich mit meiner Besprechung beginne, muss ich vorausschicken, dass mich die Contemporary Music so vor ca. 10 Jahren in Reinform erreicht hat. Natürlich musste ich feststellen, dass Einflüsse und Abwandlungen dieser Spielart in vielen experimentellen und auch weniger experimentellen Alben und Stücken die ich kenne, enthalten waren. Doch als pure Darbietung war es wohl Zeitkratzers “Kore”-Album sowie ihre Adaption von Lou Reeds “Metal Machine Music”, die mir diese Musik näherbrachten. Und ich durfte so einige sehr gute Alben entdecken. Doch in den letzten Jahren verlor ich ein wenig das Interesse daran, denn die Produktionen wurden immer abstrakter, immer mehr Instrumente wurden aufgenommen und scheinbar galt als Ziel: je unhörbarer, desto besser.

Warum ich das erzähle? Nun, ich wollte mir dieses fette Doppelalbum anfangs gar nicht erst geben bzw. bin davon ausgegangen, dass ich es nach wenigen Minuten beiseitelegen werde. Und nun laufen schon rund 30 Minuten von „La fin des terres_Z“ und ich bin positive überrascht, ja, von dem Stück durchaus gefesselt.

Und das liegt daran, dass hier tatsächlich „weniger ist mehr“ gilt. Die beiden Musiker beschränken sich auf Piano und den elektrischen Bass sowie Effektgeräte und elektronische Klänge und das funktioniert hervorragend. Die Geräusche umschwirren meinen Kopf, der Bass wummert immer wieder mal dunkel dazu und immer wieder brechen kurze Pianomelodien aus diesem Klangbild heraus. Vermutlich ist dies inzwischen auch schon vielmehr experimentelle Ambientmusik als Contemporary. Aber diese Elemente werden doch fortwährend verströmt. Und so wird „La fin des terres_Z“ zu einem wunderschönen, gefangennehmenden und bedrohlichen Soundtrack für (Alp)träume. Schwere, bedeutsame Musik, die überwältigend daherkommt ohne pompös zu sein.

„La fin des terres_ Ω“ startet ebenso dunkel. Im Hintergrund wabern elektronische Sounds während das Piano diese dunklen Klangwellen durch den Raum sendet. Pianoklänge und Elektronik türmen sich dann zu einem dunklen Klangwall auf, der den Hörer beeindruckt, bevor wieder ruhigere, von der kreisenden Elektronik dominierte Momente auftauchen. So mäandert das Stück bedrohlich vor sich hin, schwankt zwischen den erdrückend voluminösen und den offeneren, aber nicht weniger dunklen Momenten und begeistert so den Hörer. Man sollte aber besser nicht die Augen dazu schließen, das könnte schlimme Alpträume befeuern.

Ein wirklich mal wieder innovatives und starkes Album aus dem Hause Friedl / Zeitkratzer, das trotz, oder eben auf Grund seiner wenigen eingesetzten Mittel viel zu erforschen bietet.

 

  1. La fin des terres_Z
  2. La fin des terres_ Ω
https://zeitkratzer.bandcamp.com/music
https://www.discogs.com/de/label/134339-zeitkratzer-Records
https://www.zeitkratzer.de/
4.8