Lucidvox – That’s what remained (Glitterbeat – 17.11.2023)

Nach drei reinen Onlinealben und einigen ebensolchen EPs und Singles in Eigenregie veröffentlichte die 2012 gegründete russische Band Lucidvox 2020 ihr sackstarkes Debütalbum „We are“. Seitdem sind neben der Covidpandemie nun leider Gottes noch schlimmere Dinge passiert, die dazu führen könnten, dass eine in Moskau ansässige Band mit dem Nachfolgealbum auf sich warten lässt, oder dass dieses uns hier einfach nicht erreicht. Im Falle von Lucidvox sind die Gründe aber hauptsächlich musikalische, denn die Band hat sich ein Stück weit neu erfunden. Auf Reisen in Richtung Asien lernten sie viel über die Folklore und Kultur in diesen Breiten, welche nun deutlich in den neuen Songs Niederschlag gefunden haben. Insgesamt ist das Album ein musikalischer Blick in andere Kulturen und bis auf wenige Momente unpolitisch und auf ihre Musik fokussiert.

Dann stürzen wir uns doch direkt in das neue Material:

„There Ahead” eröffnet den acht Songs starken, knapp 35 Minuten kurzen Reigen des Albums mit elektronischen Fanfaren im Industrialsound. Schon hier weben sich die folkloristischen Klänge ein, gehen aber in einem schweren Gewitter aus Bass, Schlagzeug und den erwähnten elektronischen Sounds mit ein. Dieser Sound wälzt sich langsam vorwärts, Gesänge weben sich ein und vervollständigen diesen bombastischen Einstieg.

Mit „Naidiya” geht es dann zunächst eher simpel rockend weiter, doch schon bald mischen sich in den wuchtigen Rocksound folkloristische Gesänge und das Stück wandelt sich in ein von schweren Drums und jubilierender Gitarre sowie dem himmlischen Gesang getragenes Shoegaze-/Dreampopstück. Die ebenfalls eingebauten wunderschönen Trompeten vervollkommnen eine wahre Songperle.

„Don’t Look Away” legt dann mit rumpelnden Rock überbaut von hymnischer Elektronik los. Nach wenigen Sekunden rocken die Ladies dann aber in bester Gothrockmanier los. Dazu einige finstere Harmonien aus der Elektronik und einigen Trompeten und fertig ist das wuchtige Stück. Auch hier überzeugen die himmlischen Gesänge und lassen den Song wunderbar psychedelisch ins Ohr dringen.

Glasklare, perlende Gitarrenklänge eröffnen „Wandering“ träumerisch schön. Schwere Trompeten, treiben das Stück dann zusammen mit dem tiefen Bass in eine mystisch dunkle Ebene, bevor zum Ende heftige Rockkaskaden ausbrechen. Grandioses, zu kurzes, instrumentales Stück, das Seite eins beendet.

„Hold me“ startet mit poppigen elektronischen Klängen, bevor die dunklen Drums zusammen mit den Vocals und der mystischen Gitarre starten. Auch dieses Stück ufert am Ende in einer dunklen, psychedelischen Melange aus Bass, Gitarre und exotischen Keyboardsounds. „All frozen“ rockt dann mit den genannten Zutaten wie Sau und lässt die Punkwurzeln der Band deutlich durchdringen, aber nicht ohne eine ordentliche psychedelische Würzung einzustreuen.

Das Titelstück bringt dann einen wuchtigen Shoegazesound mit scheppernden Schlagzeug und viel Atmosphäre zu Gehör. Wie in allen Songs ist schiere Flut an Details und Klängen im Gesangsound einfach nur überwältigend. Der Gesang ist hier nicht ganz so himmlisch, sondern der Musik entsprechend etwas aggressiver angesetzt und das Stück ufert ebenfalls in einem Soundkollaps aus.

Mit „On the way“ schließt das wieder mal viel zu kurze Album eher ruhig. Nur mit einer wunderbar kratzigen elektrischen Gitarre ausgestattet wird ein vielseitiges und spannendes Album würdevoll abgeschlossen.

Ach, auch wenn die Titel in englisch angegeben sind, wird im übrigen russisch gesungen, was im Gesamtkontext und insbesondere mit den wunderbaren Stimmen hervorragend wie immer funktioniert.

Den Damen von Lucidvox ist mehr als nur ein würdiger, leider viel zu kurzer Nachfolger gelungen, der hoffentlich etwas mehr Beachtung in unseren Gefilden findet.

 

  1. There Ahead
  2. Naidiya
  3. Don’t Look Away
  4. Wandering
  5. Hold Me
  6. All Frozen
  7. That’s What Remained
  8. On The Way

https://lucidvox-band.bandcamp.com/album/that-s-what-remained

https://www.discogs.com/de/artist/4408650-Lucidvox

4.8