ALEX MOFA GANG

Interview – “Dass das Tragen einer Regenbogen-Armbinde bei der EM überhaupt noch ein Politikum darstellt, ist eine Farce!” – mit Sascha von der ALEX MOFA GANG

Am Freitag hatten die Jungs von der ALEX MOFA GANG ihr neues Video zu “Was Am Ende Bleibt” veröffentlicht und passend dazu hat uns Frontmann Sascha die eine oder andere Frage zur neuen Single, zum im Januar kommenden Album und zur aktuellen Lage beantwortet.

Schaut hier…

Moin Sascha, schön das Du in so bewegten Zeiten ein klein wenig Zeit für unsere Fragen hast!
Moin Jens, hallo liebes Handwritten Mag Team,
Na klar doch, sehr, sehr gerne! ☺

Mit “Was Am Ende Bleibt habt ihr gerade eben eure neue Single herausgebracht – erzählt… worum geht´s, was bleibt denn am Ende?
Am Ende bleibt in diesem Fall ein Fragezeichen und die Notwendigkeit sich mit sich selbst auseinander zu setzen. Wir bebildern in dem Song zwei Menschen in einer Beziehung, oder einer Freundschaft, die sehr konträr agieren. Eine Person ist immer vollgas-mäßig unterwegs, fast wie auf der Flucht. Während die andere sich immer weiter zurückzieht, mit der Situation und mit sich selbst hadert, aber auch keinen Weg aus der emotionalen Schieflage sieht. Und offensichtlich nicht die Kraft für eine Konfrontation hat.

Euch hat die Zwangspause ja scheinbar nicht in eurer Kreativität gehemmt, habt ihr ja schon vor einiger Zeit euer neues Album “Nacht Der Gewohnheit“ für den Januar 2022 angekündigt. Wieso spannt ihr uns so lange auf die Folter – warum haut ihr die Scheibe nicht schon jetzt raus?
Tatsächlich hat das in gewisser Weise mit besagter Zwangspause zu tun. Wir haben das erste Pandemiejahr genutzt, die Platte zu schreiben, uns ein Tonstudio zu bauen und dann dort „Nacht der Gewohnheit“ aufzunehmen.
Da die Dinge aber nun mal gerade so sind, wie sie sind, haben wir versucht uns so eine Art Spagat auszudenken, auf der einen Seite Euch und uns nicht zu sehr auf die Folter zu spannen und über die nächsten Monate schon mal einiges an neuer Musik zu zeigen. Und auf der anderen Seite das Album, auf das wir wirklich doll stolz sind, nicht im Corona Stillstand verpuffen zu lassen, sondern möglichst mit Erscheinen der Platte auch eine reelle Chance zu haben, z.B. Konzerte spielen zu können.

Die letzten Monate waren ja bekanntlich für alle schwierig und besonders für die Künstler- bzw. Veranstaltungsbranche war/ist es gelinde gesagt eine Katastrophe. Wie habt ihr die letzten fast 1 ½ Jahre verbracht?
Klar, das hat alle Pläne ordentlich durcheinander gewirbelt. Wir waren gerade in den Tourproben zum zweiten Teil der Ende Offen Tour, als der erste Lockdown kam. Ich erinnere mich, wie um uns herum die ersten Konzerte verschoben wurden – manche drei, andere 5 Monate nach hinten, weil sich zu der Zeit niemand vorstellen konnte, dass die (Kultur-) Welt erstmal für ein Jahr oder mehr so gut wie stillsteht.
Für uns war es anfänglich fast unmöglich innerhalb der Beschränkungen gemeinsam Musik zu machen – schon allein, weil wir teilweise in unterschiedlichen Städten wohnen. Also waren wir erstmal – wie alle – zu Zoom-Kneipen und Songwriting als Musiktheorie verdammt… Im Spätsommer 2020 konnten wir dann anfangen die theoretischen Gedanken in die Tat umzusetzen. Zunächst haben wir uns ein einsames Ferienhäuschen in Meck -Pomm gebucht, um Zeit miteinander verbringen zu können und endlich wieder richtig Musik zu machen. Das war so eine emotionale Explosion, dass dort schon echt viel neues Material entstanden ist. Mit dabei war auch Arne, unser Live Tontechniker. Abends am Lagerfeuer haben wir dann – ganz romantisch – schon dort entschieden die kommende Platte gemeinsam mit ihm aufzunehmen. Zunächst war die Idee, dass wir uns für die Aufnahmen auch eine Hütte mieten und dort ein Studio einrichten. Durch einen glücklichen Umstand ist uns dann aber aufgefallen, dass mein Keller richtig gut klingt und eine ganze Menge an ungenutztem Raum bietet. Also haben wir entschieden uns ein eigenes Mofastudio zu bauen in dem wir dann die Platte produzieren. Neben den Bauarbeiten, haben wir ein Hygienekonzept ausgetüftelt und so ist schon im letzten Herbst ein nicht unerheblicher Teil der Produktionskosten in Schnelltests investiert worden.
Die Monate danach waren für uns eine irre intensive Zeit und Erfahrung. Die Isolation, das Schreiben und Aufnehmen. Das Zusammenleben und die absolut volle Verantwortung für Inhalt und Produktion. Herausgekommen ist das 100% Alex Mofa Gang Album „Nacht der Gewohnheit“ und wir sind mit allem gebotenen Pathos wahnsinnig glücklich mit dem Ergebnis und irre stolz auf diese Platte!

Gab es irgendwann den Moment wo man als Band oder Musiker sagt “komm, lass den Mist hinwerfen und einer geregelten Arbeit nachgehen?” – ich meine die Miete usw. Zahlt sich ja schließlich nicht von selbst!
Nie! Natürlich gab und gibt es Dinge wie Existenzängste und auch mal vermeindlich ausweglose Situationen – aber (klopf auf Holz) wir haben es bis hier her geschafft und so sehr die Musik als Beruf ein Finanzplanungs- und Altersvorsorgerisiko darstellt, so sehr ist sie ja auch Anker und Akkuaufladestation. Also: Nein, es stand nie zur Debatte hinzuschmeißen!

Apropos Zahlen… viele Künstler bemängeln (meiner Meinung nach zu Recht), dass die Branche während der Pandemie alleine, in Teilen ja quasi sogar fallen gelassen wurde. Was sagt ihr dazu?
Das stimmt ganz sicher! Ich glaube, dass das vor allem daran liegt, dass die Entscheidungsträger*innen absolut keine Ahnung davon haben, wie Soloselbstständige arbeiten, geschweige denn wie die Kunst und -Kulturlandschaft abseits der öffentlichen Häuser funktioniert. Das ist schon OK, aber ganz offensichtlich haben wir keinen ausreichend gut organisierten Branchenverband, keine Lobby, die den politischen Vertreter*innen die Sachlage in dem Maße nahebringen können, dass nicht am Ende die meisten, gutgemeinten Hilfsmaßnahmen gar nicht greifen.

Erst im Mai habt ihr gemeinsam mit TÜSN die Nummer “Fake” aufgenommen. Wie kam es eigentlich zu der Zusammenarbeit?
Wir kennen die TÜSN Jungs schon sehr lange, für uns war also eine Zusammenarbeit eh längst überfällig. Da wir mit Snöt für zwei Songs in der Entstehung von „Nacht der Gewohnheit“ gearbeitet haben, war das also endlich der perfekte Moment auch mal gemeinsam einen Song zu veröffentlichen.

Besonders das Thema “Fake-News” zieht ja mittlerweile unerträgliche Kreise – was sich ja gerade während Corona in eine besorgniserregende Richtung entwickelt hat. Was glaubt ihr, bleiben uns die Schwurbler und Querdenker auch danach noch erhalten… ich meine, mittlerweile haben sie ja eine nicht unerhebliche Zahl an Menschen mit rechtem Gedankengut daruntergemischt. Was nun?
Ich befürchte, dass es diese Menschen schon vorher gab und dass es sie immer geben wird. Sie sind nur sichtbarer geworden, nicht zuletzt durch die Tatsache, dass jeder Idiot, der gerade mal so einen Rechner anbekommt, relativ ungestraft irgendwelchen Quatsch ins Netz absondern darf. Es ist also davon auszugehen, dass die Schwurbler (das Wort mag ich sehr!) auch nach Corona irgendwas zu querdenken und „dagegen sein“ finden werden.
Irgendwie müssen wir als Gesellschaft ja auch solche Auswüchse aushalten können, insofern ist eine gewisse Sichtbarkeit auch hilfreich um den gesundheitlichen Zustand der Gesellschaft lesbar zu machen. Dass die Rechten versuchen sich diese Stimmung zu Nutze zu machen, diese Menschen zu instrumentalisieren, ist ja auch eine bekannte Verfahrensweise.
Ich finde ja gesellschaftlichen Diskurs auch gut und wichtig, aber meine Toleranz ist an dem Punkt zu Ende, wo es um Falschmeldungen, rechtes Gedankengut und Verschwörungstheorien geht.
Bleibt die Frage nach dem „was nun?“
Klingt vielleicht banal, aber eine Querdenker Demo wird aufgelöst, wenn verfassungsfeindlicher Inhalt propagiert wird, oder andere Regeln nicht eingehalten werden – im Internetz fehlen diese Regeln, gesetzliche Rahmen und natürlich deren Kontrolle. Vielleicht ist das eine Lösung, zumindest Kontrolle über die Verbreitung von Falschmeldungen zu erlangen …irgendwann mal …
An den Stellen, wo die Politik nicht agiert oder agieren kann, ist jede*r selbst gefragt Position zu beziehen und einen Beitrag zu einer offenen, positiven Gesellschaft zu leisten.

In diesem Zusammenhang, wie sehr sollte man als Band seine politische Meinung bzw. Haltung nach außen tragen? Wird da diesbezüglich genug getan… oder geht es (besonders bei sehr bekannten Künstlern oder Personen in der Öffentlichkeit) eher darum neutral zu bleiben, um vielleicht seine Fans nicht gegen sich aufzubringen. Allein an der Debatte (und dem darauffolgenden Shitstorm) über das Tragen der Regenbogen-Armbinde von Manuel Neuer bei der EM hat man ja wieder gesehen, dass die Ratten nur darauf warten aus ihren Löchern kriechen zu können.
Ich würde da mal ganz neutral antworten: das muss jede(r) selbst entscheiden … 😉
Nein, im Ernst; wir in der Gang sind allesamt sehr politische Menschen, reden viel und haben eine klare Haltung. Wir sind keine Band, die sich ausschließlich über politischen Inhalt definiert, aber wir haben zunehmend das Gefühl, dass es wichtig ist, sich auch öffentlich klar zu positionieren, Haltung zu beziehen.
Die Tatsache, dass eine Partei vom äußersten rechten Rand mittlerweile in jedem Landtag in Deutschland sitzt, weil es offensichtlich genug Menschen gibt, die diese – aus welchen Gründen auch immer – wählen, treibt uns natürlich um. Ebenso, dass viele unserer Nachbarländer von Populisten und Autokraten regiert werden und wir einfach aufpassen müssen, dass wir ein Europa nicht an die Wand fahren. Und so finden sich auch immer wieder politische Themen in unseren Songs, abseits dessen, dass wir als Gang klar dafür stehen, dass ein Schritt nach rechts zwei zu viel sind.
Dass das Tragen einer Regenbogen-Armbinde bei der EM überhaupt noch ein Politikum darstellt, ist eine Farce! Aber es zeigt eben auch wie wichtig es ist und wie besorgniserregend rückschrittig unsere Gesellschaft an vielen Stellen ist. Und klar, jede in der Öffentlichkeit stehende Person, die öffentlich für demokratische Werte und ein respektvolles gesellschaftliches Miteinander einsteht, ist wichtig und hilft.

Um jetzt nicht komplett abzudriften möchte ich euch noch kurz fragen, was ihr am 07.01.2022 machen werdet?
Wir klopfen nochmal auf Holz und hoffen, dass sich die Lage bis dahin soweit stabilisiert hat, dass wir gemeinsam vielleicht auf einer Release- Show oder so die Veröffentlichung der Platte feiern. Auf jeden Fall werden wir am selben Ort sein und mit einem kleinen Getränkchen anstoßen.

 

Vielen Dank für deine Antworten, bleibt gesund… und vielleicht dann irgendwann mal wieder live beim Deichbrand Festival hier oben bei uns an der Küste!
Wir bedanken uns für die Fragen, bleibt bitte auch gesund und wir freuen uns auf ein Wiedersehen!

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