Ein Abend mit Joey Cape – “Es ist alles ein bisschen, wie in einer Familie” // Interview

Heute ist ein besonderer Tag. Hamburg, Knust, es ist der 7. August 2019. Nicht nur der Geburtstag meines Kumpels und Drummers meiner ersten Punkrockband Risk Of Addiction, sondern auch der Tag des Treffens mit einer Legende des kalifornischen Punkrocks: JOEY CAPE, Frontsänger von Lagwagon, Mitbegründer von Me First And The Gimme Gimmes und zur Zeit solo auf Tour durch Deutschland.

Er promotet sein neues Album „Let Me Know When You Give Up“, welches am 05.07.2019 erschienen ist. Auf Tour begleitet ihn der spanische Singer/Songwriter Dani Llamas, ebenfalls ein sehr sympathischer Zeitgenosse und mittlerweile guter Freund von JOEY CAPE.

Zur Verstärkung fürs Interview habe ich mir Viola mit ins Boot geholt, ein wandelndes Punkrock-Lexikon. „Kann nicht schaden“, dachte ich. Und Ihr Englisch ist auch besser als meins. Also los!

Nach dem Soundcheck wurden wir von Tourmanager Ben in den kleinen Backstageraum des Hamburger Knust gebracht. Ein sehr entspannter JOEY CAPE saß dort im „Muggle“-Shirt auf dem Sofa und empfing uns. Wir nahmen unsere Plätze ein.

Hi Joey, nett dich zu treffen! Wie geht es dir?

„Danke, gut. Schön, dass Ihr da seid. Und euch?“

Danke, auch super! Schön, dich zu treffen. Cooles Shirt!

(wir lachen) “Ja, meine Tochter ist großer Harry-Potter-Fan und wir kennen alle Bücher und Filme. Als wir mal zusammen unterwegs waren, haben wir dieses Shirt gesehen. Sie sagte, dass ich ja auch ein Muggel sei und dieses Shirt brauche. Da hat sie natürlich recht. Daher habe ich es gekauft. Fakt ist, ich kann nicht zaubern.” (lacht)

Du warst gestern in Berlin und davor in Paris. Die Tour hat gerade angefangen. Wie ergeht es dir bisher und hattest du ein bisschen Zeit für Sightseeing?

„Alles läuft super bisher. In Berlin war ich gestern im Cassiopeia. Der Laden war super heiß und die Luft schwül, aber so muss das sein im Punkrock. Hauptsache die Leute sind gut drauf. Das ist das Wichtigste.
In Berlin besuche ich gern das Ramones-Museum. Da war ich gestern auch wieder. Dort arbeitet ein Freund von mir, den ich dort öfter mal besuche. Ich mag es dort. Wenn mich jemand fragt, was man in Berlin machen sollte, empfehle ich gerne das Ramones-Museum.“

Schön, dass heute hier bist. Du hast ein neues Album im Gepäck. Gibt es einen Lieblingssong auf dem Album?

(überlegt) „Hmm, nicht wirklich. Ich finde alle gleich gut. „I Know How To Run“ sticht für mich ein bisschen raus und den spiele ich gern, aber einen echten Favoriten habe ich eigentlich nicht.“

Das ist tatsächlich auch einer meiner Lieblingssongs auf dem Album. Viele Songs auf dem Album werden von Instrumenten begleitet. Wer sind die Instrumentalisten, die auf dem Album zu hören sind? In „Possession“ singt eine weibliche Stimme z.B. eine Strophe. Sind es gemietete Studiomusiker oder vielleicht sogar Freunde von dir?

„Auf dem Album haben viele Freunde mitgewirkt. Die weiblichen Gesänge sind von zwei, wie ich finde, sehr talentierten Sängerinnen, die mit ihren Bands nicht so berühmt sind, die ich aber gern auf meinem Album haben wollte. Die Instrumente wurden von Freunden gespielt. Zwei verschiedene Schlagzeuger, z. B. Neil Hennessy von The Lawrence Arms oder Brian Wahlstorm von Scorpios, Zach Quinn von Pears oder Matt Riddle (ex-Face To Face und No Use For A Name) und weitere. Es ist alles ein bisschen, wie in einer Familie. Jeder kennt da irgendwie jeden. Teilweise fast schon inzestuös (lacht) Nach all den Jahren kennt man sich einfach.“

Im Song „Andalusia“ singst du vom Runterkommen im Süden Europas. Grundsätzlich kommst du ja unglaublich viel in der Welt rum und kennst wahrscheinlich jede Ecke auf diesem Planeten. Gibt es einen favorisierten Ort auf der Welt für dich? Was ist der schönste Platz der Erde für dich?

„Das ist wirklich schwer zu sagen. Einen grundsätzlichen Lieblingsort habe ich nicht. Das ändert sich auch immer mal wieder.
Ich durfte durch das Musik machen den fantastischen Dani (Dani Llamas) kennenlernen. Mittlerweile sind wir gute Freunde und er zeigte mir mal seine Heimat Andalusien. Dort ist es einfach wunderschön. Ich würde sagen, dass das zur Zeit für mich der schönste Ort der Erde ist. Dort ist einfach alles entspannt, fast immer gutes Wetter. Allerdings ist es im Sommer mit manchmal bis zu 50 Grad etwas zu heißt dort. Aber wunderschön. Das wäre eine Gegend, in der ich mir gut vorstellen kann mich nieder zu lassen und meinen Altersruhesitz zu genießen.“

Foto: Dani Llamas (li.) & Joey Cape (re.) vor 20 Jahren

(Dani Llamas und JOEY CAPE haben sich laut Danis Aussage bereits vor 20 Jahren mal getroffen. Daran könne sich Joey aber sicherlich nicht erinnern, meint Dani. Er war 17 und Lagwagon spielte auf einem Festival in Spanien. Vor etwa 3 Jahren traf Dani erneut auf Joey und er wurde öfter mal mit auf Tour genommen. JOEY CAPE untersützte ihn fortan in seiner Musikkarriere und nahm ihn in seinem Label One Week Records auf. Quelle: oneweekrecords.com)

 

 

Was war deine Motivation Solomusik zu machen?

„Ich habe so viel Musikmaterial und kann das alles nicht mit Lagwagon verarbeiten. Dafür sind es zu viele Songs und nicht alle passen für die Band. Ich spiele eh immer erstmal alles auf der Akustikgitarre und dann entscheidet sich allmählich, ob es ein Solo-Song, ein Lagwagon-Song oder etwas Anderes wird.”

Du hattest mehr als nur einen angemessenen Teil an Verlust und Trauer in deinem Leben, was sich offensichtlich zuvor auf deine Songs und Texte ausgewirkt hat. Das neue Album heißt „Lass es mich wissen, wenn du aufgibst“ – also, was steckt dahinter? Ist es ein bisschen wie „Ja, ich weiß, die Dinge sind manchmal einfach scheiße, aber es gibt Möglichkeiten damit umzugehen. Lass mich dir helfen.“?

“Ja. Auch auf der Bühne möchte ich eher ernsthaft wirken. Ich selber möchte nicht klamaukig oder so sein, weil ich das einfach nicht bin. Ich habe früh in meiner Musikkarriere schon darüber nachgedacht „Wie möchte ich auf der Bühne wirken?“. Ich habe mich für die seriösere Art entschieden. Klar ist auch Spaß erlaubt, gar keine Frage. Ich bin gerne eher Vorbild. Alles in seinem Rahmen natürlich.”

Du warst grad noch mit Lagwagon auf Tour, nun bist wieder unterwegs. Was ist der größte Unterschied zwischen Band- und Solo-Tour?

“Allein unterwegs zu sein ist grundsätzlich eine ruhigere Sache. Es herrscht nicht so viel Trubel und das Team ist nicht groß. Ich meine, schau mal, jetzt sind es nur Dani, ich und Ben. Da geht es etwas ruhiger zur Sache. Ich bin aber gerne unterwegs, auch mit meiner Band. Ich kann überall schlafen, daher stört mich das Reisen nicht sonderlich. Ich schlafe überall, habe aber einen leichten Schlaf. Da braucht nur einer Schnipsen und ich bin wach. Alleine passiert das nicht so oft und ich kann besser ausschlafen. Ich bin immerhin schon (überlegt kurz) …Oh mein Gott! Ich bin fucking 52 Jahre alt! (lacht laut) Da brauch ich mehr Schlaf, als früher. Heute bin ich irgendwie trotzdem etwas müde, ich weiß gar nicht warum. Die Tour ist bisher toll und wir haben gute Hotels. Ich bin echt gern unterwegs. Es macht Spaß!”

Und dann gibt es ja auch noch ME FIRST AND THE GIMME GIMMES. Du bist einer der Gründer dieser Band. Ich habe gelesen, dass Du und dein langjähriger Freund Chris damals die Idee hattet ein paar Barry-Manilow- und John-Denver-Songs zu covern. Fat Mike hat von der Idee gehört, fand Sie cool und so entstanden die Gimme Gimmes. Stimmt die Story?

“Das stimmt soweit im Groben, ja. Damals habe ich mit Chris (Chris Shiflett, Gitarrist der Foo Fighters) in einer WG gelebt und wir hatten eine Liste mit Songs am Kühlschrank hängen, die wir mal covern wollten. Dann kam Fat Mike dazu und wir haben die Band gegründet, genau.”

Du hast so unfassbar viele Musiker und Leute in deinem Leben getroffen. Gibt es überhaupt noch jemanden, mit dem du noch mal zusammen auf der Bühne stehen möchtest oder mal zusammenarbeiten möchtest?

“Nicht wirklich.”

Hast du eine Lieblingsband oder bist du Fan von einer bestimmten Band?

“Es gibt nicht die eine Band, von der ich großer Fan bin. Ich liebe Musik und höre so viel. Es gibt so unglaublich viele und talentierte Bands da draußen! Das kann ich nicht auf DIE EINE LIEBLINGSBAND reduzieren.
(überlegt länger)
Es gibt die Großen von früher, da stand ich total auf diese Showbands wie Kiss oder Queen. Ich liebe Bad Religion und… puuh. Echt schwer. Es gibt so viele gute! Als Musiker ist das auch irgendwie schwer zu sagen, weißt du? Ich mag so viele!”

Hast du dir Gitarrespielen eigentlich selbst beigebracht oder hattest du…

(Joey unterbricht) “Nein, nein. Ich hatte nie Unterricht oder so. Hab ich mir alles selber beigebracht. Ich meine, ich würde von mir nicht behaupten, dass ich ein Gitarrenvirtuose bin. Sowas macht auch ein Original aus, glaube ich, wenn man es sich selbst beibringt. So erlernt man spezielle Dinge, die man im Unterricht nicht lernt. Einfach spielen.”

Spielst du noch andere Instrumente?

„Ich habe mal kurz Schlagzeugspielen angefangen, dann aber schnell die Gitarre in der Hand gehabt.”

In einem Interview aus dem Jahre 2012 hast du mal gesagt, dass du Bock auf eine Vater-Tochter-Band hättest und es wichtig findest ein Instrument zu lernen. Man konnte Deine Tochter ja schon auf ein paar Songs hören, als sie kleiner war („Canoe“ und „It´s always sunny“). Heute ist sie 15 – was ist aus der Idee geworden? Macht sie mittlerweile Musik, vielleicht auch mit dir?

(lacht) „Oh, mein Gott, ja. Völlig richtig. Ich habe Ihr im Laufe der Zeit immer einige meiner alten Gitarren gegeben. Aber so richtig hat Sie das Musikfieber irgendwie nicht gepackt. Aber Sie singt etwa auf dem neuen Lagwagon-Album mit. Oops… pssst..! Nicht verraten.“ (grinst)

Wikipedia sagt, dass Lagwagon seit 1990 existiert. Dann ist ja nächstes Jahr Jubiläum! Kommt etwas Besonderes zum 30-jährigen?

„Die Band existiert tatsächlich schon seit 1987. Ich bin irgendwie um 1988 dazu gestoßen als Sänger. Das Jubiläum war also schon letztes Jahr. Das haben wir aber irgendwie verschlafen. Aber ehrlich gesagt, legen wir da nicht so viel Wert drauf. Unseren 25. haben wir auch schon verschlafen. (lacht) Wir sind nicht gut darin, Jubiläen zu haben, da wir das immer verpennen. Das läuft immer an uns vorbei und ist nicht so wichtig. Wir wollen immer gut abliefern.“ (grinst)

Am 4. Oktober erscheint das neue Lagwagon-Album „Railer“, im November kommt ihr auf große Europa Tour. Was können die Fans vom neuen Album erwarten?

„Ich denke, es wird ein gutes Lagwagon-Album und Fans können sich drauf freuen. Mit „Bubble“ gab es ja schon einen Vorgeschmack. Wir freuen uns auf die Tour!“

Vielen Dank für das Interview. Unsere Zeit ist leider schon um. Vielen Dank, dass du dir die Zeit für uns genommen hast! Wir wünschen dir viel Spaß auf dem Konzert und freuen uns drauf!
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Foto: Joey Cape (li.) und Adrian Peters (re.)

Ein netter Handshake noch und schon waren 30 tolle Interview-Minuten vorbei. Wir durften einen bodenständigen, sympathischen und wirklich entspannten JOEY CAPE kennen lernen. Das macht mich als Fan natürlich doppelt froh! Und meinem Kumpel und Drummer konnte ich eine Videobotschaft zum Geburtstag mit einem Idol des Skatepunks machen. Das hat sich Joey nicht nehmen lassen.

Das anschließende Konzert war wirklich toll. Singer und Songwriter Dani Llamas überzeugte mit seiner rauhen Stimme und sympathischen Art. Nach einem 30-minütigem Set und 10 Minuten Umbaupause startete JOEY CAPE seine Solo Show. Großzügige 1:45 Stunden Livemusik vom Skatepunk-Guru gab es. Eine gemütliche Singer/Songwriter-Stimmung kam auf – mit vielen am Shirt erkennbaren Lagwagon-Fans im Publikum. Neben den eigenen Songs vom neuen Album, gab es natürlich auch einige Lagwagon-Lagerfeuerversionen zu hören und sogar „International You Day“ von No Use For A Name zu Ehren von Tony Sly. Mein Fazit zum Konzert: Ein tolles Fan-Erlebnis in intimer Atmosphäre mit JOEY CAPE. Top!

Und DANKE an Viola Schröter für die Unterstützung bei diesem Interview!

 

Tourdates JOEY CAPE 2019:
03.08. BE Duffel – Brakrock Ecofest
04.08. FR Paris – Gibus Live
06.08. DE Berlin – cassiopeia Berlin
07.08. DE Hamburg – Knust Hamburg
08.08. DE Osnabrück – B.C. Osnabrück
09.08. DE Wiesbaden – Schlachthof Wiesbaden
10.08. DE Dresden – GrooveStation Dresden
11.08. AT Vienna – B72
13.08. IT Rimini – Bay Fest
14.08. AT Innsbruck – p.m.k
15.08. DE Regensburg – Tiki Beat
16.08. DE Stuttgart – Universum
17.08. DE Nalbach – AkustikOpen
18.08. DE Cologne – Helios37

Tourdaten LAGWAGON 2019:
06.11. Birmingham, UK
07.11. London, UK
08.11. Leicester, UK
09.11. Bournemouth, UK
11.11. Paris, FR
12.11. Mailand, IT
14.11. Bologna, IT
15.11. Roncade, IT
16.11. Ljubljana, SL
17.11. Wels, AT
19.11. Berlin, DE
20.11. Münster, DE
21.11. Amsterdam, NL