Conny Ochs – Wahn und Sinn (Exile On Mainstream Records, 20.10.2023)

Seitdem Conny Ochs in seiner Wahlheimat Italien residiert, ist es gefühlt ruhiger um den Mann geworden. Und eigentlich hätte es auch „Wahn und Sinn“ so nicht gegeben – beziehungsweise es war als etwas ganz anderes geplant. Während des Stillstands der Corona-Jahre sah der Singer/Songwriter seine alten Notizbücher durch und wollte seine lyrische Reise durch die Jahre in Form eines Gedichtbandes veröffentlichten, der auch gleichzeitig mit dem Album erscheint. Während dieser Zeit entstanden aber auch neue Texte – in Deutsch – welche sich dann zu Songs entwickeln sollten.

Dabei wählte Ochs einen neuen Ansatz. Zum einen natürlich, da die Worte nun in seiner Heimatsprache und nicht auf Englisch verfasst wurden. Zum anderen war er derart von der Zusammenarbeit mit Tobias Vethake alias Sicker Man beim gemeinsamen Projekt Trialogos beeindruckt, dass er ihn zur gemeinsamen Arbeit einlud. Dadurch sollte „Wahn und Sinn“ sein experimentellstes Album werden. Zumindest was den Sound betrifft. Denn im Kern steckt immer noch die gewohnte Singer/Songwriter-Kunst mit ihren poetisch-düsteren Texten drin, auch wenn die Musik ganz anders klingt, als in den rohen Anfangsjahren seines Soloprojekts, bei denen eine akustische Gitarre und ein paar Akkorde genügten.

Gleich die ersten E-Piano-Töne von „Turin“ weisen darauf hin, dass das Album anders ist: atmosphärisch dicht, musikalisch spannend und trotz der oft zurückhaltenden Stimmung ziemlich mitreißend. Die Gitarre von Conny Ochs ist selten das führende Instrument. Oft übernimmt Sicker Man mit seinem Cello die Führung und sorgt für einen warmen, unkitschigen Klangteppich. Das kann wie im Fall von „Grimassen“ auch mal recht dramatisch klingen oder auch angenehm und leicht wie bei „Ding“, welches durch Ochs‘ Gitarre auch ein leichtes Bluesfeeling eingeimpft bekommt.

„Hickhack“ klingt wie der Soundtrack zu einem dunklen Film Noir, „Grimassen“ ist stampfender Songwriter-Stoff im neuen Gewand und „Melancholia“ ist so etwas wie der Düsterhit des Albums. Wie mit all den Schattierungen mit Stimmungen gespielt wird, ist sehr interessant und sorgt für ein tolles Hörerlebnis, das mit dem feinen „Lumos“ einen runden Abschluss findet.

Conny Ochs wagte mit „Wahn und Sinn“ etwas. Man kann ihm nur dazu gratulieren. Bereits mit „Doom Folk“ löste sich der Künstler vom ausgetrampelten Weg. Hier hat er einen weiteren spannenden Pfad eingeschlagen. Danke dafür!

 

Trackliste:
1. Turin
2. Risse
3. Ding
4. Hickhack
5. Taub und Laut
6. Welle
8. Grimassen
8. Melancholia
9. Lumos

 

 

Photo-Credit: Pietro Bondi

 

4.3