Charles O’Hegarty – The More I Travel (11/2022, Broken Silence/Clear Spot/Sound Effect/Forced Exposure)

Das Lollipoppe Shoppe-Label ist seit jeher dafür bekannt, nach dem eher Unbekannten zu suchen.  Hierbei konzentriert es sich auf Rock, Pop, Folkmusik aus Osteuropa und förderte so Geniales wie zum Beispiel Korai Örum zu Tage. Aktuell konzentriert sich Henning Küpper, der Mann hinter dem Label, auch auf vergessene Künstler der Folk- und Folkrock-Szene. Über sein letztes Projekt mit John Townley kam er nun auf den britischstämmigen Charles O’Hegarty, der in den frühen sechziger Jahren in die Staaten ging, um hier in der dort wachsenden Folkszene mitzumischen. Da die Geschichte des Mannes vom Label selbst sehr gut zusammengefasst wurde, erlaube ich mir ausnahmsweise mal selbiges 1:1 zu verwenden um den Künstler dem Leser näher zu bringen:

„In den frühen 1960er Jahren las ein junger britischer Folk-Sänger aus London vom sich formierenden Folk-Boom in den USA und beschloss, dort mitzumischen. Da er und seine Frau bereits weite Teile Europas, des Mittleren Ostens und mehrere Staaten Afrikas bereist hatten, packten sie mal wieder zusammen und zogen los. Als letzte Vorbereitung setzte der Folk-Sänger ein “O” vor seinen Namen und wurde so zu Charles O’Hegarty.

Charles und Anna kamen zunächst 1963 in Kanada an und blieben bis Anfang 1965 dort. Schließlich reisten sie in die USA ein, lebten in San Francisco und Los Angeles, bevor sie das gesamte Land durchquerten, um nach New York zu kommen. Mittlerweile war es Herbst 1965, Charles wurde zum Teil der Greenwich-Village-Szene und blieb dies bis 1970.

Dies ist eine extrem skizzenhafte Beschreibung von Charles O’Hegartys Leben in den 60er Jahren – doch wenn man dabei eine “Zur richtigen Zeit am richtigen Platz”-Idee bekommt, liegt man damit komplett richtig. Charles baute Verbindungen zu etlichen wichtigen Folk-Szenen in Kanada und den USA auf, spielte auf dem renommierten Berkeley Folk Music Festival sowie in vielen berühmten Folk-Clubs jener Zeit, nahm eine Folk-Rock-Single für Verve-Folkways auf und wurde schließlich ein Singer-Songwriter mit eigenem Repertoire.

Heutzutage erinnern sich allerdings nur noch wenige Leute an Charles O’Hegarty (der 2010 gestorben ist). Und auch in den Annalen der Folk-Musik der 1960er Jahre ist sein Name eher nicht geläufig – wohl vor allem, da es bisher nur wenige greifbare Aufnahmen gab. Durch unsere Verbindung zu John Townley konnten wir vom Lollipoppe Shoppe drei unveröffentlichte Songs von Charles hören, die John 1969 in seinem Apostolic-Studio aufgenommen hatte. Diese drei wunderbar geschriebenen und filigran arrangierten Originale schrien förmlich danach, veröffentlicht zu werden. Für uns ein Ansporn, tiefer zu graben, um vielleicht Material für eine ganze LP zusammenzubekommen.”

Und das ambitionierte Projekt eines Künstlers, der offiziell nur eine Single hinterlassen hat, ein spannendes Album zusammen zu stellen, kann nur als gelungen betrachtet werden. Auch als jemand, der nur wenig Folk hört, erkenne ich in den zusammengetragenen Studioaufnahmen wunderbare Kompositionen, welche der Künstler alleine auf seiner Gitarre erstklassig interpretiert.

Auch hier gilt: ein guter Song braucht nicht mehr als eine Gitarre und einen guten Sänger. Die Klangqualität dieser Stücke ist für ihr Alter perfekt. Kaum bis gar kein Rauschen, eine angenehme Räumlichkeit, mehr kann man vermutlich aus alten Aufnahmen nicht herausholen. Die erwähnte Single ist natürlich auch vertreten und weicht deutlich vom restlichen Material ab. „Body in the Bag“ ist von Schlagzeug, E-Gitarre und der Zeit entsprechenden Schwurbelorgel eingespielt. Psychedelischer Sound, eine Menge Hall obendrauf und ein dunkel wummernder Bass darunter. Eigentlich hätte das 1966 ein Hit werden müssen. Alle Studioaufnahmen auf diesen Album bieten einen guten bis sehr guten Sound.

Zusätzlich wurden auch noch einige Liveaufnahmen gefunden, die klanglich restauriert wurden. Auch diese geben einen Eindruck über das Können des Künstlers, sind auf Grund des eher schlechten Sounds teilweise aber nur sehr schwer zu konsumieren. Sicherlich wurde auch hier rausgeholt, was ging. Aber die Aufnahmen klingen vorsichtig ausgedrückt häufig sehr spannend.

Doch das wird den Interessierten nicht so sehr stören, denn letztlich muss man sagen, dass hier ein wohl längst vergessener Musiker der quasi nichts offiziell veröffentlicht hat, sehr respektvoll zurück ins Bewusstsein gebracht wird.

 

 

http://www.lollipopshop.de/

Quellenangabe Bilder: “Collection Marika Hegarty”
4.1