Casper

Casper – Lang lebe der Tod (Columbia/Sony Music, 01.09.2017)

Leute, jetzt mal ehrlich… wer hat nicht schon – wie ich – mindestens zwei bis drei Jahre auf ein neues Casper-Album gewartet. Sah es vor beinahe genau einem Jahr so aus, als würde Benjamin „Lang lebe der Tod“ veröffentlichen, so wurde die Scheibe ja dann kurz vor der Herausgabe noch einmal zurückgezogen und gründlich überarbeitet.

Nachdem „XOXO“ 2011 wie eine Bombe einschlug und Casper – früher aus dem Hardcore kommend – quasi über Nacht zu einem beachteten und gefeierten Rap-Rock-Star machte, steigerte der Bielefelder mit dem 2013er Album „Hinterland“ das Ganze noch einmal. Auch, oder vielleicht gerade weil der Sound auf dem zweiten Album nicht mehr ganz so rau und derbe klang und eher als geiles Rockalbum mit Rap-Einlagen zu beschreiben wäre, konnte er mit Songs wie „Im Ascheregen“, „Hinterland“ oder „Ganz schön okay“ ordentlich punkten.

Mein persönlich geilstes Casper-Erlebnis hatte ich bisher beim 2015er Castival-Auftritt im Westfalenpark Dortmund… eines meiner geilsten Konzerte ever!

Aber genug…

… denn jetzt liegt also endlich „Lang lebe der Tod“ vor mir und das, was ich bisher von der Scheibe gehört hatte, traf immer meinen Nerv und ließ mich – wie ein kleines Kind vor Weihnachten – die Bescherung herbeisehnen!

Nehmen wir mal den verstörenden Titeltrack „Lang lebe der Tod“, welcher mit Blixa Bargeld, Dagobert, Sizarr aufgenommen wurde und letztes Jahr das erste Lebenszeichen (Tod/Lebenszeichen… ach was, egal!) der neuen Scheibe sein sollte. Spätestens nach dem Video fragte man sich doch ehrlich, „was stimmt denn nicht mit dem?“ und direkt danach „wie geil wird denn bitte das gesamte Album, wenn die erste Single schon so eine wahnsinnige Nummer ist?!“.

Am 20. Juni wurde „Sirenen“ dann bei der letzten Ausgabe von Circus HalliGalli als zweite Single-Auskopplung präsentiert und die Kritiker schwankten irgendwo zwischen „düster zerstörend“ und „absolut abgefahren“. Ich selber musste die Nummer  – im Gegensatz zur ersten Single, die sich sofort für immer in meinem Hirn verankert hat – zugegebenermaßen schon mehrfach hören, bevor sie endgültig zündete!

Dann gut drei Wochen später „Keine Angst“, welches mit dem ersten Durchgang sofort mein persönliches Casper-Lieblingslied geworden ist – sorry „XOXO“ und „Alles endet (aber nie die Musik)“, ich habe euch immer noch lieb! Besonders die Stimme von Drangsal passt hier optimal und zufälligerweise konnte ich selbigen gut eine Woche später direkt beim Deichbrand Festival live sehen… solltet ihr euch unbedingt mal gönnen, der junge Mann hat’s echt drauf!

Wenn ich mir dazu direkt noch das gestern erschienene „Alles ist erleuchtet“ vornehme, dann habe ich erstens bereits fast die Hälfte der Songs auf dem Album besprochen und kann bisher bei keiner der Nummern das immer gerne gesuchte Haar in der Suppe finden! Mehr Rap als Rock, aber genauso ansprechend und im Ohr bleibend schaffte es Benjamin schon wieder, mir ein eigentlich fremdes und mir unbeliebtes Genre ein wenig schmackhafter zu machen.

Kritisch wird es dann für mich aber bei „Lass sie gehen“, denn auch wenn Casper hierfür extra Ahzumjot und die Amis von Portugal. The Man mit ins Boot geholt hat, mit dem Song kann ich leider überhaupt nichts anfangen – ich verbiete mir hier Vergleiche zu anderen Künstlern, aber für mich ist die Nummer einfach zu glatt, der Gesang hat zu viele Effekte und irgendwie klingt alles so, als wolle man jetzt auch die breite Masse der R&B- und Mainstream-Radio-Jünger für sich gewinnen. Sorry, da bin ich leider raus!

Aber Casper wäre ja nicht er selbst, wenn er mit „Morgellon“ nicht direkt wieder die Kurve kriegen würde – musikalisch wieder mehr gerappt, rechnet er textlich mit den stumpfblöden Zeitgenossen ab, die lieber in ihrer kleinen verschrobenen Welt leben und denen die Probleme da draußen genügend Stoff für Verschwörungstheorien und verstrahlte Chemtrails bieten… denn „Ich sehe was, was du nicht siehst!“ ist ja quasi deren Wahlspruch im täglichen Überlebenskampf!

Wo die wilden Maden graben“ interessiert mich auch brennend und die Rock-Nummer könnte gut als Soundtrack zur Apokalypse herhalten und wir schreiten quasi tanzend in den Abgrund… geil, so habe ich mir das auch vorgestellt!

Dem traurigen Song „Deborah“ finde ich persönlich leider nicht so gut, auch wenn mir das Thema Depression und der Umgang damit nicht fremd ist – aber trotzdem, oder vielleicht deshalb geht es direkt weiter, damit ich schnell noch „Meine Kündigung“ abholen kann… übrigens die einzige Nummer, die mich vom Stil her noch an das letzte Album erinnert – kann sich aber nicht nur deshalb sehen lassen!

Zum Abschluss erwartet mich dann noch „Flackern, Flimmern“ und das Gefühl, dass hier einiges – wie auch dieser Song… besonders der Abriss zum Schluss – sehr gut gelungen ist, aber ich persönlich auch auf die eine oder andere Nummer gerne hätte verzichten können.

Fest steht jedenfalls, dass mit „Lang lebe der Tod“ auch dieses Mal wieder etwas Neues geschaffen bzw. erschaffen wurde und man kann Casper auf jeden Fall bescheinigen, dass er absolut unberechenbar bleibt!

Man mag ihn lieben oder hassen, aber ohne Benjamin fehlt das gewisse Etwas in der Musik-Szene… also Herr Griffey, bitte nächstes Mal nicht wieder vier Jahre für das neue Album brauchen – Deal?!

 

Titel:
1. Lang lebe der Tod (feat. Blixa Bargeld, Dagobert, Sizarr)
2. Alles ist erleuchtet
3. Keine Angst (feat. Drangsal)
4. Sirenen – Prolog
5. Sirenen
6. Lass sie gehen (feat. Ahzumjot & Portugal. The Man)
7. Morgellon
8. Wo die wilden Maden graben
9. Deborah
10. Meine Kündigung
11. Flackern, flimmern
12. Sirenen (Full Version)

 

“Lang Lebe Der Tod” Tour 2017
31.10.2017 Münster – Halle Münsterland
02.11.2017 Luxembourg (LUX) – Rockhal
03.11.2017 Zürich (CH) – Samsung Hall
04.11.2017 Stuttgart – Schleyer-Halle
08.11.2017 Hamburg – Sporthalle
10.11.2017 Dortmund – Westfalenhalle
14.11.2017 Wien – Stadthalle
17.11.2017 München – Zenith
18.11.2017 Frankfurt am Main – Festhalle
21.11.2017 Leipzig – Arena
22.11.2017 Bremen – ÖVB Arena
24.11.2017 Berlin – Max-Schmeling-Halle
25.11.2017 Hannover – Swiss Life Hall
09.03.2018 Würzburg – S. Oliver Arena
10.03.2018 Erfurt – Messehalle

Foto: Gina Wetzler

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