Captain We’re Sinking – The King Of No Man (Run For Cover, 23.06.2017)

Scranton, Pennsylvania. Die sechstgrößte Stadt des Bundesstaates und ein Ort, an dem es für junge, kreative Menschen nicht unbedingt viel zu sehen gibt. Von denen sind allerdings eine ganze Menge dort aufgewachsen, kommen doch gleich mehrere, großartige Bands aus der Stadt, die ein wenig nördlich von Philadelphia liegt. Hinzu kommt, dass es zwischen diversen Bandmitgliedern aller Bands auch noch Verwandtschaftsverhältnisse gibt.

Tom May von The Menzingers verriet mir vergangenes Jahr bereits, dass in Pennsylvania viele irische und polnische, katholische Einwanderer leben, die „immer viele Kinder in die Welt setzen“ (sein O-Ton). So ergibt sich die Tatsache, dass einer seiner zahlreichen Cousins niemand geringeres als Tigers Jaw-Frontmann Ben Walsh ist. Auch Mays Bruder spielte dort mal Schlagzeug, ebenso Menzingers-Gitarrist Greg Barnett. Dessen Bruder Bob Barnett spielt wiederum Gitarre bei Captain We’re Sinking. Verwirrt? Ich schon, allerdings nehme ich ein wenig Konfusion gern in Kauf, wenn dabei gute Musik herauskommt.

Und die lieferten die Jungs von Captain We’re Sinking auch schon in der Vergangenheit. Nach einigen EPs und Splits mit Genre-Kollegen wie Spraynard, Timeshares, Dowsing oder Run Forever sowie ihrem Run For Cover-Label-Debüt „The Future Is Cancelled“ aus dem Jahr 2013 kommt mit „The King Of No Man“ nun der mittlerweile dritte Langspieler des Scrantoner Quartetts. Der Vorgänger bestach bereits durch eine Mischung aus gewöhnlichem Emo-Revival-Sound mit einem sehr interessanten und qualitativ hochwertigem Songwriting, durch das sich die Band von zahlreichen Genre-Kollegen absetzen konnte. So hymnenhaft, catchy und poppig viele Melodien und Arrangements daherkamen (gerne warf man die Band zuweilen auch in den Pop-Punk-Revival-Topf), so verquer waren teils die Songstrukturen.

Diesen Weg ist man auf dem neuen Album mehr als konsequent weitergegangen. Songs wie „Books“ oder „Cannonless“ sind Pop-Songs allererster Güte. Stark geschrieben, unglaublich eingängig und mit der emotionalen Intensität, die der Emo-Revival-Bewegung mehr als Gerecht wird. Auf der anderen Seite haben Captain We’re Sinking jedoch auch ihre verquere, interessante, zu den Pop-Songs in einem gewissen Kontrast stehende Seite weiterentwickelt und betonen diese auf „The King Of No Man“ ebenfalls sehr stark. Es gibt daher Momente auf der Platte, von denen ich noch nicht so richtig weiß, was sie mir sagen wollen oder wie sie sich in die Gesamtnarrative des Albums einfügen sollen. Aber genau das ist es, was diese Band ausmacht.

So wechseln sich zuckersüße Pop-Melodien mit sperrigen, schleppenden Rhythmen, Reverb durchtränkte Gitarrenflächen mit schnarrenden, verfuzzten Gitarrenwänden, angenehme Wohlfühl-Harmonien mit unheimlichen, bedrohlichen Passagen und balladesque Erhol Momente mit energetischen Gefühlsausbrüchen ab. Dabei wird, Song für Song, das intelligente und außergewöhnliche Songwritingtalent des Quartetts deutlich, auch wenn mich nicht jedes Stück ganz überzeugen kann, vielleicht auch weil ich es noch nicht voll erfasst und verstanden habe. Und genau das begeistert mich. Dass dieses Album eine übergeordnete Narrative zu besitzen scheint und unglaublich dynamisch wirkt.

Wer poppigen Melodien nicht abgeneigt ist, sich darüber hinaus aber mehr Abwechslung und intelligente, statt vorhersehbare Songs sucht, der wird mit der Kurzweil und dem wirklich hochqualitativen Songwriting auf „The King Of No Man“ seine wahre Freude finden

01. Trying Year
02. Books
03. Don’t Show Bill
04. Cannonless
05. Smash 2
06. The Future Is Cancelled Pt.2
07. Hunting Trip
08. Water
09. Crow (Little Wounds)
10. Dance Of Joy
11. The King Of No Man

4.7