Postrock ist ein internationales Phänomen. Ich werde nicht müde, das zu betonen. In allen möglichen Winkeln des Erdballes finden sich talentierte Musiker zusammen, die die hörbegierigen Fans dieser Musikform seit mehreren Jahrzehnten mit neuem Material versorgen. Kokomo sind wohl eine der bekanntesten deutschen Vertreter dieser Szene.
Das Quintett aus Duisburg agiert ganz nach dem DIY-Ethos und veröffentlichte ihre erste Platte „Matterhorn Bob And The Black Fair“ 2009 einfach selbst, bevor verschiedene Label auf sie aufmerksam wurden. Daraufhin veröffentlichte die Band ihre nachfolgenden Alben „If Wolves“, „s/t“ und „Monochrome Noise Love“ bei i.corrupt.records aus Köln und dunk!records aus Belgien. Am Release von ihrem mittlerweile fünften Streich „Totem Youth“ wirkte mit A Thousand Arms außerdem erstmalig auch ein US-Label mit.
Kokomo lassen sich bei ihrem Opener „Sterben am Fluss“ viel Zeit mit einem immens ruhigen Einstieg. Dann geht es aber wie gewohnt opulent, wirkmächtig und spätestens seit der Vorgängerplatte „Monochrome Noise Love“ auch düster zur Sache. Wiederentdeckt haben die Duisburger ihr Faible, nicht nur für Ambientpassagen, sondern ganze Ambienttracks, wie das zehnminütige „Golden Suns“ sehr gut veranschaulicht.
Insgesamt investiert das Quintett mehr Aufwand, um die mächtigen und schleppenden Drum-, Bass- und Gitarrenwalzen in Szene zu setzen. Auch das zweite Stück „Hold Me Closer, Unknown Dancer“ beginnt mit einem längeren, ambientesquen Intro bevor sich besagtes Walzenwerk in Bewegung setzt.
Das wirkt irgendwie erwachsener, durchdachter, aber ein Stück weit auch kühler kalkuliert. Für meinen Geschmack hie und da auch ein wenig zu langatmig. Die wuchtigen und epischen Momente, die sich auf „Totem Youth“ an vielen Ecken finden lassen, hätte man auch ein wenig straighter und kompakter inszenieren können, ohne dass sie an ihrer Wirkmächtigkeit verloren hätten.
Was ihnen im Vergleich zu „Monochrome Noise Love“ oder auch der selbstbetitelten Platte fehlt, ist der hinführende Spannungsaufbau. Während die Vorgängeralben sehr homogen verlaufen und die Übergänge zwischen laut und leise, mächtig und verhalten stufenweise zu inszenieren wissen, habe ich auf „Totem Youth“ an manchen Stellen das Gefühl, dass hier zu abrupt mit dem dynamischen Wechselspiel gearbeitet wird. Zumindest im Vergleich zum fantastischen Live-Eindruck, den ich auf dem Vergangenen dunk!festival von den Duisburgern gewinnen konnte.
Unter Umständen handelt es sich hier aber auch nur um einen affektiven und sehr subjektiven Höreindruck. Denn die Kritik ist sicherlich Meckern auf (sehr) hohem Niveau. Auf internationalem Szene-Niveau kann das Quintett auch auf ihrem neusten Langspieler vollkommen problemlos mithalten, das sei unbestritten. Wer metalesquem und düsterem Postrock etwas abgewinnen kann, der ist auch zum fünften Mal bei Kokomo bestens aufgehoben.
01. Sterben am Fluss
02. Hold Me Closer, Unknown Dancer
03. Narcosis
04. Golden Guns
05. Melodic Rock Night
06. Der Vogelmann