Joe Astray – Reconstruction (Bekassine Records, 18.06.2021)

Joe Astray ist mittlerweile verzogen. Zumindest was seinen Wohnort angeht. Musikalisch bleibt er sich teilweise treu und erfindet sich dabei auch trotzdem neu.

Ich war damals beim ersten Gespräch mit Produzent Gregor Henning in Bremen quasi dabei. Glaub ich zumindest. Eigentlich hat Herr Astray seine Wurzeln und sein Herz nämlich im Punkrock, doch für diese Platte hat er sich mit Gregor (Studio Nord Bremen) und Valentin Hebel (Monako) zwei eher untypische Produzenten für einen DIY-Lagerfeuerpunk ins Boot geholt. Warum das eine gute Entscheidung war? Weil dieses Album alles geworden ist, aber nicht beliebig.

Zwischen den bekannten und von mir heiß geliebten Folkhymnen wie „Fluff“, „These Hands“ und „Circus“ gibt es mit „Shiny and Clean“ und „Pirate“ einige Songs, die ich so in einem David Lynch – Film verorten würde. Düsterer und verkopfter in Stimmung und Aufbau. Anspruchsvoller und auch ein wenig anstrengender. Im positiven Sinn. Für mich sind es die Songs, die ich beim ersten Hören mit hochgezogenen Augenbrauen höre, vielleicht sogar erstmal wieder mittendrin beende. Später, in Ruhe, wird dann wieder reingehört. Es wird sich darauf eingelassen. Und das ist hier auch wichtig. Man muss sich von der Stimmung mitnehmen lassen. Man muss zulassen das die düstere Stimmung einen nicht auffrisst. Aber was wäre schlimmer als durchgehend beliebige Folksongs mit Ankertattoo? Wie meine Frau immer so schön sagt „Stört nicht“. Das wohl schlimmste Urteil was man über Songs fällen kann. Zumindest wenn man einen eigenen Anspruch bedienen möchte und nicht nur das Dollar-Zeichen in den Augen hat.

 

 

Mittendrin dann aber Songs wie „Sleepless Nights“, den viele von den vielen Liveshows des Joe Astray in einer etwas anderen Version kennen dürften, und „At the River by the Bridge“. Diese Dinger haben ihren Ursprung in den schon erwähnten Folkhymnen, sind dann aber in den kompetenten Produzentenhänden zu etwas Anderem gewachsen. Folk sind sie noch immer, aber Songs die man unter 1000 anderen in irgendwelchen Spotifyplaylisten wiedererkennen würde. Sie sind besonders geworden.

Wäre am Ende noch „Broken“ zu erwähnen. Ein anwachsender Klaviersong, der so unfassbar aufwächst und dich am Ende kurz vor dem Eskalieren liegen lässt und genau darum so gut funktioniert.

Man hört dieser Platte an, dass sie zwar ein offizielles Debut, aber gewachsen und reif ist. Keine leichte Songwriterkost für Zwischendurch, sondern ein Album das vor Atmosphäre und Dichte zu leuchten scheint. Großes Kino!

 

 

  1. These Hands
  2. Fever Dreams
  3. Pirate
  4. Fluff
  5. Sleepless Nights
  6. Broken
  7. Shiny and Clean
  8. Circus
  9. At the River by the Bridge

 

Beitragsfoto: Sven Hoppmann

 

17.06. Karlsruhe, Kohi
18.06. Freiburg, Slow Club
30.07. Hamburg, Schroedingers (Open Air)

4.7