Interview mit Hauke von Odeville

Odeville haben sich mit ihrem neuen Album “Phoenix” in die Gehörgänge viel Hörer gebrannt. Grund genug Frontmann Hauke ein paar Fragen zu stellen.

 
Ich habe eure Entwicklung so aus der Ferne immer ein wenig begleitet und auch den Auftritt beim Deichbrand 2006 (aus der Ferne und stark verkatert) gesehen. Daher habe ich natürlich auch euren musikalischen Werdegang ein wenig verfolgt. Nach mittlerweile 10 Jahren habt ihr bei Motor nun das zweite Album veröffentlicht und kommt ordentlich rum.
Könnt ihr schon von der Musik leben? Mit was verdient ihr sonst eure Brötchen?

Wir stehen jetzt nach zehn Jahren an der Schwelle, an der man vielleicht auch am Ende des Tages was zurück bekommen kann. Du musst Vollzeit für die Band arbeiten und abrufbereit sein, hasst aber nur noch wenig Zeit um deine Miete zu verdienen. Das ist die große Entscheidung an denen viele Bands zerbrechen. Gebe ich meinen Lebensstandard für die Musik auf oder will ich was “Vernünftiges“ machen, um mir was “Ordentliches“ zu kaufen. Wir schaffen das als Freiberufler, Grafiker, Lehrer, Schauspieler, Gastroschweine, DJ´s, Techniker, Theaterpädagogen, Co-Produzenten, Promoter und ab und zu verkauf ich den Mond bei Ebay, um über die Runden zu kommen.

 
Im Laufe der Jahre habt ihr euren Sound stark verändert. So seid ihr mit „Phoenix“ nun im deutschsprachigen Indiepopbereich gelandet und fühlt euch da scheinbar wohl. Wo liegen eure musikalischen Wurzeln?

Das ist für mich nicht mehr wirklich nachvollziehbar. Irgendwann kam ich 2006 zu den Jungs in den Proberaum und sagte: “Lass uns einfach alles anders machen “ daraus wurde 2011: “Lass es uns bitte härter machen“ 2013: “ Lass es uns ein wenig rougher ausprobieren“ und zu Phoenix: “Lass es uns bitte geil machen“
Unsere Wurzel reichen vom Metal bis in die Klassik. Der Uk Sound der 2000er hat genauso seinen Teil beigetragen, wie elektronische Musik a la Moderat, Monkey Safari oder Jon Hopkins.

 

Für mich ist eine deutliche Stärke von „Phoenix“ das es so Abwechslungsreich ist. Habt ihr darauf besonders geachtet?

“Phoenix“ ist einfach passiert. Es war nie ein durchdachtes Konzeptalbum. Hatte einer von uns eine geile Idee, haben alle dran gearbeitet und alles was für uns nicht gut war, ist ganz natürlich über Bord gefallen.
Aber es ist schön zuhören, das es gefällt. Wir sind selber total Stolz auf unser Baby.

 
Auf dem gesamten Album herrscht eine positive, fast kindliche Stimmung. Das hat mir besonders gut gefallen. Macht sich bei einer Band mit so einer positiven Einstellung die aktuell schwierige Lage in unserem Land bemerkbar? Und wenn ja, wie?

Es darf nicht unbemerkt bleiben. Für mich ist die schwierige Situation nicht der Strom der Hilfesuchenden, sondern wie wir als Bevölkerung, in einem der reichsten Länder der Welt damit umgehen.
Jeder von uns spürt ihn, dieses harten Rechtsruck in der Gesellschaft, im Bekanntenkreis oder in den Medien.
Hunderte Anschläge auf Asylbewerberheime, Pegida-Trottel und der tägliche Bullshit auf Facebook,Youtube & Co bewirken bei uns nicht nur Übel- sonder auch Ratlosigkeit. Da ist es wichtig als Band ein Standing zuhaben. Mein Standing ist und bleibt einfach die kindliche Naivität: Da steht ein Mensch vor mir und ich sehe er braucht Hilfe. Dann ist es mir egal ab er schwarz oder weiß ist, ob Christ oder Moslem, ob Hamburger oder Syrer, denn wir gehören beide zur gleichen Spezies Mensch. Tolles Wort dieses Mensch. steckt auch in Menschlichkeit.
Hat sich der Wechsel von einer DIY-Band zum Label für euch im Bandalltag bemerkbar gemacht? Vielleicht auch beim Schreiben neuer Songs?

Das Label selber hatte keinen Einfluss auf die Songs. Motor hat uns nur nach “Helion“ geraten, über eine Veränderung im Sound der Produktion nachzudenken. Mit “Phoenix“ wurden wir dann aber mehr DIY, als jemals zuvor. Es ist ein absolutes Patchwork- Projekt. Das Artwork wurde fotografiert von 12 befreundeten Fotografen. Die Musik-Videos – bis zum Herbst werden es elf – stammen alle aus der Feder von Regisseuren aus unserem Bekanntenkreis. Alle Grafiken, alle V-Logs, alle Remixe alles selfmade, für schmales Geld oder einen Klaps auf den Po. Somit gehört uns dieses Album nicht mehr allein, sondern all denjenigen die sich im Hintergrund für nen Apfel und ein Ei, den Arsch aufgerissen haben.

 
Gibt es große Ziele, die ihr euch als Band noch gesteckt habt?

Wir gehen da nach außen sehr bescheiden vor. Klar schrei ich im Proberaum schon mal nach Weltherrschaft.
Das hab ich aber auch schon vor zehn Jahren gemacht. Für 2016 gilt es einfach zu touren, ein paar schöne Festivals zu spielen und den Moment zu genießen.
Vielen Dank für die Zeit und die Antworten! Und dafür, dass meine 3jährige Tochter seit Wochen im Auto nichts anderes als „Lichtblick“ hören will. 😉

Liebend gerne – Wir sehen sie dann wohl in der ersten Reihe auf dem Deichbrand, während du aus der Ferne wieder auskaterst 🙂