Interview – “Interessant sind auch die kulturellen Unterschiede, die man erst auf den zweiten Blick bemerkt” mit Tigers Jaw

Noch vor ein paar Stunden war das Luxor in Köln überwiegend menschenleer und ich konnte mich entspannt mit Andrew von Basement unterhalten. Mittlerweile platzt der ausverkaufte Laden wirklich aus allen Nähten. Basement befinden sich jetzt ungefähr auf der Hälfte ihres Sets und ich habe nun die Möglichkeit, mich mit Ben Walsh von Tigers Jaw zu unterhalten. Die Combo um Ben Walsh und Brianna Collins aus Scranton, PA ist auf dieser Europa-Tour der Opening-Act und heute Abend erst zum zweiten Mal in Köln. Dabei gibt es die Band schon seit gut 10 Jahren. Während die wuchtigen Bässe, die krachenden Drums und einige Gitarrenwände bis in den Backstageraum vordringen, sitzt ein gut gelaunter Tigers Jaw Frontmann vor mir.

Björn:
Hey Ben, jeder auf dieser Tour scheint ziemlich gut drauf zu sein?

Ben:
Uns geht es super, wir haben von gestern auf heute richtig viel Schlaf bekommen, wir freuen uns total wieder in Köln zu sein und die Show lief auch super. Wir konnten uns dieses Mal auch den Dom von innen anschauen. Das letzte Mal waren wir nachts da, da ging das natürlich nicht. Es ist so faszinierend, wenn man sich vorstellt, dass dieses Gebäude vor so langer Zeit gebaut wurde, ganz ohne Maschinen und die Hilfsmittel, die man heute hat.

Björn:
Du hast ja eben schon auf der Bühne gesagt: Eure erste Deutschland-Show war im Blue Shell hier um die Ecke.

Ben:
Ja, ich erinnere mich noch sehr gut, das war ein unglaubliches Erlebnis für uns.

Björn:
Das Gefühl hatte ich auch, ich war auch da und ihr wirktet total überwältigt von der Publikumsreaktion.

Ben:
Allerdings, alleine in einem anderen Land zu spielen und zu Reisen, das ist schon der Wahnsinn für uns. Aber dann zu sehen, dass die Leute unsere Songs kennen, singen, tanzen und mit uns feiern, das Gefühl ist einfach unbeschreiblich. Wir hätten das so nie erwartet und waren dann natürlich sehr überwältigt.

Björn:
Euch gibt es ja eigentlich schon länger, und trotzdem wart ihr erst letztes Jahr zum ersten Mal auf dem europäischen Festland. Warum hat das so lange gedauert? Wir haben auf euch gewartet.

Ben:
Au man, stimmt, es hat lange gedauert. Uns gibt es jetzt seit 10 Jahren. Als wir angefangen haben, war es für alle eigentlich mehr ein Hobby. Wir haben immer nur sporadisch gespielt, weil wir alle noch in der Highschool und später dann im College waren. Auf dem College haben wir uns dann gefragt, ob wir vielleicht mehr mit der Band machen wollen und das Studium hinschmeißen. Wir haben uns dann aber alle dafür entschieden, doch den Abschluss zu machen, und weiterhin nur in den Semesterferien zu touren. Dadurch blieben dann leider immer nur ein paar Wochen pro Jahr, in denen wir auf Tour gehen konnten. Da hatten wir nicht die Möglichkeit, so weit weg zu spielen.

Björn:
Und ganz so billig ist es ja auch nicht, von den Staaten rüber zu fliegen und hier zu touren.

Ben:
Ja, es ist immer mit einigen Kosten verbunden. Das ist es aber immer wert. Aber man muss dann auch die Zeit haben, um eine ganze Tour zu spielen. Vor ein paar Jahren war es dann fast so weit und wir hatten eine Europatour auf dem Festland geplant. Aber gerade zu diesem Zeitpunkt haben ein Paar Leute die Band verlassen und wir konnten nicht rechtzeitig genug Ersatz finden, also fiel das Ganze ins Wasser. Ich war so frustriert, endlich hatten wir die Möglichkeit auf dem europäischen Festland zu touren und dann das. Aber naja, jetzt haben wir es geschafft und es macht einfach nur so viel Spaß.

Björn:
Welche Hauptunterschiede konntest du denn feststellen, zwischen einer US-Tour und einer Europa-Tour?

Ben:
Die Leute, die in den Konzerthäusern arbeiten, sind alle unglaublich nett. Das ist in den Staaten nicht immer so. Aber natürlich ist da auch jede Location anders. Hier habe ich bisher aber kontinuierlich freundliche Toningenieure, Barpersonal und Veranstalter erlebt, denen es wichtig ist, dass es den Bands gut geht. Interessant sind auch die kulturellen Unterschiede, die man erst auf den zweiten Blick bemerkt. Alleine der Gedanke, dass man tausende Kilometer von zu Hause weg ist, ist einfach aufregend. Wenn wir hier in Städten unterwegs sind, ist das wie ein Abenteuer: Unser amerikanisches Handynetz funktioniert hier natürlich nicht, also können wir nicht einfach unseren Standort googlen, um zu wissen, wo interessante Orte zu finden sind. Und ohne Navi verläuft man sich natürlich auch viel öfter, wenn man sich nicht auskennt.

Björn:
Und die kulturellen Unterschiede sind größer als man zunächst annehmen könnte. Gerade in Europa musst du nicht weit fahren, um in einem vollkommen anderen Kulturkreis zu landen.

Ben:
Ja, die Unterschiede sind einfach viel subtiler. Aber genau das ist das Schöne: Wenn man die Möglichkeit hat, etwas Zeit an einem Ort zu verbringen, kann man all die wunderschönen, verschiedenen Kulturen kennen lernen.

Björn:
Was habt ihr denn für Rituale, oder wie meistert ihr das Tourleben allgemein, ihr verbringt ja vermutlich viel Zeit zusammen ohne allzu viel Privatsphäre?

Ben:
So richtige Rituale haben wir nicht. Wir finden uns vor einer Show zusammen und motivieren uns alle gegenseitig, bevor es losgeht. Wir versuchen immer zu respektieren, wenn jemand mal Zeit für sich allein braucht. Klar ist das nicht immer einfach, besonders nicht in einem Tour Van, aber dann setzt man sich Kopfhörer auf und driftet eine Weile ab. Wir kommen alles in allem aber ziemlich gut auf engem Raum miteinander klar.

Björn:
Ihr seid ja auch sonst ganz schön oft zusammen, oder? Ihr spielt ja auch bei Petal?

Ben:
Ja genau, Brianna und ich spielen auch bei Petal und Teddy hat schon einige Male am Schlagzeug ausgeholfen.

Björn:
Ist das nicht manchmal stressig, zwei Bands am Laufen zu haben, besonders wenn beide momentan auch viel unterwegs sind?

Ben:
Ja, klar, es kann schon mal vorkommen, dass es Probleme gibt, wenn sich geplante Touren überschneiden. Wir versuchen das aber so gut es geht unter einen Hut zu bringen. Nach dieser Tour zum Beispiel fliege ich zurück in die Staaten, um sofort mit Petal weiter zu touren.

Björn:
Dann bist du insgesamt also auf einer Art Riesentour unterwegs?

Ben:
Insgesamt bin ich dann 7 Wochen von Zuhause weg, aber ich liebe das Reisen auch sehr und habe eine Menge Spaß.

Björn:
Andrew von Basement hat mir schon verraten, dass eure Bands sehr eng miteinander befreundet sind. Gibt es darüber hinaus noch spezielle Bandfreundschaften, die ihr pflegt?

Ben:
Oh ja, wir mögen es sehr, auf Tour die anderen Bands kennen zu lernen und legen viel Wert auf Gruppenaktivitäten. Wir haben eigentlich immer gute Erfahrungen mit anderen Bands gemacht. Dazu gehören zum Beispiel Title Fight, Three Man Cannon, Kite Party, The Sidekicks…ach es sind einfach so viele. Wir haben uns immer gut mit den Bands, mit denen wir auf Tour waren, verstanden.

Björn:
Ihr seid ja nun schon ziemlich lange auf Run For Cover und wart auch schon zu einer Zeit, als das Label weniger bekannt war, dort unter Vertrag. Habt ihr von dem Wachstum oder vielmehr der wachsenden Popularität des Labels über die Jahre etwas mitbekommen?

Ben:
Ja klar, als Jeff Run For Cover gestartet hat, haben wir viel mit ihm rumgehangen. Er hat das Label zu der Zeit von seinem Apartment aus geführt: Mit Stapeln von Kisten im Wohnzimmer und allem. Wir haben mitbekommen, wie er sich zum ersten Mal ein Büro leisten konnte und das erste Mal Mitarbeiter eingestellt hat. Mittlerweile ist das Label zu einer beachtlichen Größe herangewachsen und wir sind sehr stolz, das alles miterlebt zu haben.

Björn:
Kannst du dich an deine persönliche, früheste musikalische Offenbarung erinnern?

Ben:
Oh ja, das ist jetzt einiges her, vielleicht 2003. Mein Cousin hat in einer lokalen Band zuhause in Scranton, PA gespielt. Also bin ich zu einigen ihrer Shows gegangen und habe dann gemerkt, dass ich auch unbedingt Live-Musik machen will.

Björn:
Also bist du sozusagen über die Familie zum Musik machen gekommen?

Ben:
Irgendwie schon, meine Familie war schon immer sehr musikalisch. Meine Mutter spielt Gitarre, mein Vater singt viel, beide meine Schwestern singen, mein jüngerer Bruder spielt Gitarre in einer Band namens Halfling, die sind super.

Björn:
Und was hörst du momentan so, was findet man in deiner Playlist?

Ben:
Wir haben gerade eine UK-Tour mit Alex G gespielt und ich mag sein aktuelles Album “Beach Music” sehr. Ich höre viel David Bazan, sein Solo-Zeug als auch Pedro The Lion. Was noch…diese Band namens Someone Still Loves You Boris Yeltzin, die mir unser Drummer Teddy gezeigt hat. Das sind so die Sachen, die ich am meisten höre zurzeit.

Björn:
Wenn du dir ein anderes Instrument als das, was du schon beherrscht, aussuchen könntest: Welches Instrument würdest du gern spielen?

Ben:
Ich wollte schon immer Klavier spielen können. Ich kann Schlagzeug und Gitarre spielen, aber zum Klavier bin ich einfach noch nicht gekommen. Naja, vielleicht eines Tages irgendwann.

Björn:
Hast du noch Bands auf einer Must-See-Liste, die du noch nicht gesehen hast?

Ben:
Ich versuche schon seit Ewigkeiten Built To Spill zu sehen. Immer wenn sie in der Gegend sind, bin ich gerade auf Tour. Das Gleiche gilt für Archers Of Loaf und Kurt Vile. Ich liebe es, auf Shows zu gehen, aber diese drei verpasse ich ständig.

Björn:
Was kommt als nächstes für Tigers Jaw und Petal?

Ben:
Was Petal angeht: Wie gesagt, wir starten im März eine US-Tour zusammen mit Somos und The Superweaks. Danach nehmen wir uns mit Tigers Jaw eine Tourpause, um an neuen Songs zu arbeiten. Die wollen wir dann im Sommer aufnehmen und danach dann intensiv touren.