Hanna Hartmann, Nomi Eppstein, Michael Pisaro-Liu – Reading Music Volume 1 (Asculto Fonogram – 25.02.2023)

Das Asculto-Fonogram-Label aus Schweden legt mit “Reading Music” eine ambitionierte Plattform in Form einer Reihe von CDs für experimentelle Musik auf. Das ist zumindest der Plan mit dieser ersten Veröffentlichung der Reihe. Der Ansatz ist hier, dass drei Stücke mit jeweils ca. 20 Minuten Länge von Hanna Hartmann, Nomi Eppstein und Michael Pisaro-Liu eingespielt wurden. Der Clou ist, dass die performten Stücke jeweils alleine von ihnen entworfen und komponiert wurden. Also, jeder der drei steuerte eine Komposition zum Album bei.

Das Ding mit der experimentellen und/oder gar Contemporary Music ist ja, dass man (oder ich zumindest) es entweder für unhörbaren kakophonischen Krach oder kunstvoll klingende Klangmalerei empfindet. Haben mich anfangs auch die richtigen Brocken ob ihrer Wucht und Klangdichte überzeugt und fasziniert, kann ich vielen dieser noch lauter, noch schräger und noch abgefahrener Werke inzwischen nichts mehr abgewinnen. Ein kluger Gegenentwurf ist die eher spartanische Variante dieser Spielart – ich will es mal in Anlehnung an den Post-Rock Post-Contemporary nennen.

Und genau auf dieser Ebene bewegen sich die drei hier vereinten Stücke, die für mich wie von demselben Künstler klingen. Die Instrumente Saxophon, Piano, Prepared Piano, sowie Effektgeräte wie Kontaktmikrophone und andere Objekte, werden sehr langsam und mit viel Stille zwischen vielen Klängen gespielt. In den ersten beiden Stücken verdichten sich noch mitunter alle Mitwirkenden zu einem Gesamtsound, verhallen Klänge ineinander oder angespielte Noten verweben sich mit Geräuschen, mitunter brechen auch kurze, aggressive Klänge nur um sofort wieder zu verhallen. Und wer genau hinhört, erfasst mitunter auch einmal die Melodie. Im dritten Stück gibt es gefühlt mehr Stille als Klänge. Das Piano wird angeschlagen, verhallt, das Saxophon stimmt mit einer Note ein, seltsame Geräusche erklingen im Raum – dann folgen mehrere Sekunden der Stille, höchsten das dunkle Brummen entfernter Elektronik, das Knacken des Bodens oder das Quietschen des Pianostuhls sind zu hören. Hier werden die Ansätze der ruhigen experimentellen Musik bis zum äußersten ausgereizt, ein spannendes Spiel mit der Stille getrieben und viel Atmosphäre erzeugt.

Ganz nach dem Motto (viel) weniger ist mehr, ist “Reading Music Volume 1” ein Contemporary-Album das endlich mal wieder zu überzeugen weiß.

 

  1. Forign Fridges (Hanna Hartmann, 2018)
  2. Portals (Nomi Epstein, 2018)
  3. Der erste Stern ist das letzte Haus (Michael Pisaro-Liu, 2018)

www.readingmusic.se
www.auscultofonogram.bandcamp.com

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