Engst – Irgendwas ist immer (Arising Empire, 20.10.2023)

In einem emotionalem Post in den sozialen Medien kündigten Engst ihr neues Album “Irgendwas ist immer” an, was an diesem Freitag erscheint. “Wir wollen ehrlich sein, fast wäre dieses Album nie zustande gekommen. Der Gegenwind war stark, die Steine auf dem Weg groß und die letzten zwei Jahre waren für uns als Band und Menschen nicht einfach, aber wir haben uns den Staub abgeklopft und ein starkes Album geschrieben (wie wir finden).” Den letzten Satz können wir direkt bestätigen, aber der Reihe nach…

Vor bereits drei Monaten gab es ersten Vorboten des neuen Albums mit “Geschichte schreiben”. Ein wirklich toller Ohrwurm. Und wem geht es bei diesem Text nicht so, dass er direkt an einen verstorbenen Freund oder Freundin denken muss? Der Song geht ins Ohr, ins Herz und bleibt auch dort stecken!

Die zweite Veröffentlichung ist “Drei Uhr nachts”. Der dank Bläser Ska-lastig klingende Song ist autobiographisch von Sänger Matthias Engst, der hier den Mut hat, sicherlich keine Glanzstunde seines Lebens in einen Song zu verarbeiten. Im Zuge der Veröffentlichung gab der Sänger zu, dass es zu dieser Situation tatsächlich gekommen ist, als er über eine Ex nicht hinweg kam. Auch hier spürt man deutlich, wie viel Gefühl in dem Song steckt, dass man seinen (hoffentlich überwundenen) Liebeskummer nahezu greifen kann. Toll und bewegend zugleich!

Vom “Umtausch ausgeschlossen” ist nicht nur das Leben – es ist auch der nächste veröffentlichte Song. Er geht nach vorne und ist stilistisch ein sehr typischer Engst-Song. Zwar (oder immer noch) Punkrock, durchaus radio- und massentauglich, aber thematisch doch sicherlich kein “Easy Listening”.

Zu guter Letzt wurde dann mit “Kopf hoch” eine sehr schöne Ballade und besonders gefühlvoller Song veröffentlicht, der einen wirklich mitreißt. Ein Song der motiviert, irgendwie auch zum am Anfang erwähnten Post der Band passt, dass Aufgeben irgendwie keine Option ist.

Engst bringen am morgigen Freitag ein wirklich sehr starkes Album raus und neben den bereits veröffentlichten Songs sind da noch weitere Highlights zu finden. “Wir werden alle sterben” räumt mit der Menschheit auf (“Acht Milliarden Vollidioten sind acht Milliarden zuviel”). Sehr ansprechend ist auch “Nie wieder Alkohol – vielleicht” – eine Ode an den Kater, den sicherlich jeder schonmal genauso erlebt hat. Wirklich Klasse und absolut nachvollziehbar! “Nachbar” beschreibt auf witzige Weise den Krieg zwischen eher spießigen Nachbarn und gelebtem Punkrock in einem Mietshaus.

Stilistisch bleibt natürlich vieles beim Alten, was man von Engst gewohnt ist: die Songs sind massen- und radiotauglich, was auch an der Stimme des Sängers liegt, aber auch daran, dass die Songs zwar Punkrock, aber eben auch nicht zu hart sind und eher in Richtung “Poppunk” geschoben werden können, wenn man denn unbedingt eine Einordnung benötigt.

Sänger Matthias Engst betont, dass Engst eine Band und kein Soloprojekt ist, obwohl der Bandname mit seinem Hausnamen übereinstimmt. Dennoch steckt im Songwriting viel von Matthias Engst drin, der Situation aus seinem Leben oder das Leben in Berlin in den Songs verarbeitet. Herausgekommen ist hierdurch ein Album, was nicht nur den Musikgeschmack an sich anspricht, sondern sehr intensiv nachwirkt, wenn man genauer hinhört und in die Texte eintaucht. Seien es Songs, die zum Nachdenken anregen (“Fette Jahre”, “Erwachsen werden”) oder auch “Blut auf dem Asphalt”, was die wachsende Gewalt gegen Obdachlose thematisiert. Dazu im Gegensatz Songs, die Situationen aus dem Leben – teils auf witzige Art und Weise – wiedergeben (“Nie wieder Alkohol, vielleicht”)!

Liebe Engstis, dann kann man einen Dank aussprechen, dass ihr den Staub abgeklopft und weiter gemacht hat. Ich würde sagen, das hat sich gelohnt!

 

Tracklist:

  1. Digitale Liebe
  2. Geschichte schreiben
  3. Drei Uhr nachts
  4. Wir werden alle sterben
  5. Nie wieder Alkohol – vielleicht
  6. Umtausch ausgeschlossen
  7. Idiot
  8. Kopf hoch
  9. Fette Jahre
  10. Nachbar
  11. Blut auf dem Asphalt
  12. Erwachsen werden
  13. Die letzte Runde
4.7