Self Defense Family – Have You Considered Punk Music (Run For Cover, 29.06.2018)

End Of A Year hieß die in den 2000er-Jahren noch recht klassischen 80s und 90s-Post-Hardcore spielende Band um Sänger und Ausnahmepersönlichkeit Patrick Kindlon. Anfang der 2010er wurde daraus für kurze Zeit End Of A Year Self Defense Family, heute heißt das Kollektiv um den Überlebenskünstler Self Defense Family.

Unter diesem Moniker veröffentlichte das derzeitige Septett gefühlt schon Myriaden an Splits, EPs und einzelnen Tracks. Der Output ist schlichtweg beeindruckend, bedenkt man, dass Kindlon gleichzeitig auch noch bei der grungigen Hardcore-Formation Drug Church am Mikrofon steht. Die vielen kleineren Releases hielten die Band jedoch nicht davon ab, auch Langspieler zu veröffentlichen.

2013 erschien das Debüt „Try Me“, 2015 der Nachfolger „Heaven Is Earth“, 2016 gab es mit „Superior“ und „Colicky“ gleich zwei und 2017 mit „Wounded Masculinity“ noch eine EP. Kaum zu glauben, dass mit „Have You Considered Punk Music“ jetzt bereits der dritte Langspieler in den Startlöchern steht.

Auf dem setzt sich der eingeschlagene Kurs der letzten Jahre und der letzten EPs weiter fort. Im Gegensatz zu seinen wütenden Standpauken bei Drug Church hält sich Kindlon, besonders auf diesem Release, wesentlich mehr zurück. Teilweise bekommt man den Eindruck, einem Spoken Word Artist bei der Rezitation seines Programmes zuzuhören. Innerhalb von Self Defense Family scheint sich der Frontmann endgültig dazu entschieden zu haben, die Stimme zu senken und noch intensiver dem Instrumentarium anzupassen.

Denn das gibt sich, wie auch schon auf den EPs zuvor, ruhig, teils experimentell, teils atmosphärisch, manchmal unheimlich und stets verträumt. Dream Post-Punk ist ein Neologismus, der mir dabei spontan in den Kopf kommt und das Klangbild der Band vielleicht ganz gut beschreibt.

„Have You Considered Punk Music“ ist, wie eigentlich alle Releases des Kollektivs, ein Stück Musik, das seiner Zuhörerschaft Geduld, Interesse und Aufgeschlossenheit abverlangt. Belohnt wird sie dafür zum Beispiel im Track „Watcher At The Well“ mit einer ganz eigenen, seltsam traurigen, gleichwohl aber beruhigenden Atmosphäre, über die Kindlons heisere Stimme Sätze wie „I was a janitor in a place where the really sick people hide, where the furniture is too broad and heavy to be thrown and that’s by design“ rezitiert.

Wer damit etwas anfangen kann, der bekommt einen weiteren großartigen Release des New Yorker Kollektivs. Wer nicht aufgeschlossen genug ist, wird hier aber wohl nicht glücklich. Und das ist vermutlich auch so gewollt und geht vollkommen d’accord.

01. The Supremacy Of Pure Artistic Feeling
02. Certainty Of Paradise
03. No Analog Nor Precedent
04. Watcher At The Well
05. Nobody Who Matters Cares
06. Have You Considered Punk Music
07. Have You Considered Anything Else
08. Raw Contempt
09. Slavish Devotion To Form
10. The Right Kind Of Adult

4.3