Interview mit Rising – „Ich glaube an das Album als Kunstform“

Rising. Dänemark. Metal… Gar nicht so selbstverständlich, dass diese Band zurück ist. Vor drei Jahren sah es nämlich gar nicht danach aus. Da war plötzlich quasi Schicht im Schacht, noch bevor die frisch aufgenommene Platte „Abominor“ ihrer Veröffentlichung entgegen sah. Doch das letzte verbliebene Bandmitglied Jacob Krogholt steckte den Kopf nicht in den Sand, gründete kurzerhand sein Label Indisciplinarian und brachte das Album alleine raus. Jetzt, nachdem sich Krogholt sich in letzter Zeit verstärkt um sein Label kümmerte und Rising eine kleine Auszeit gönnte, ist er mit seinem Baby und dem Album „Oceans Into Their Graves“ wieder da. Wäre auch zu schade gewesen, hätte die 2010 mit „To Solemn Ash“ (veröffentlicht bei unseren Freunden von Exile on Mainstream Records!) so hoffnungsvoll gestartete Band ihr Ende gefunden. Die vom Trio zum Quintett angewachsene Band vereint anno 2016 zeitgemäße, Sludge-artige Power mit traditionellen Metaltugenden. Nachzuhören auf „Oceans Into Their Graves“, das brandaktuell auf Vinyl oder als Download erhältlich ist. Wir sprachen mit Gitarrist und Bandgründer Jacob über seine Band und sein Label.

 

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Jacob, beschreibe doch bitte zum Einstieg Deine Band mit fünf Adjektiven.

Heavy, melodisch, finster, organisch, lebhaft.

 

Nachdem ich Euer 2010er Debütalbum „To Solemn Ash“ so gut fand, hatte ich mich gefreut, als drei Jahre später der Nachfolger „Abominor“ Tisch lag. Gleichzeitig war ich überrascht, dass die Band zu diesem Zeitpunkt eigentlich gar nicht mehr existierte. Bzw. Du warst Du das einzige, verbliebene Bandmitglied. Warum haben Henrik Hald (Bass, Gesang) und Jacob Johansen (Schlagzeug) die Band verlassen – die üblichen künstlerischen Differenzen?

 

Yeah, das trifft es ganz gut. „Abominor“ repräsentierte eine musikalische Richtung mit der ich persönlich nicht allzu glücklich war. Ich musste viele Kompromisse eingehen, um die beiden anderen zufrieden zu stellen und die Band zusammen zu halten. Schlussendlich hat dieser Umstand für uns alle nicht funktioniert, so dass das Trio auseinander brach. Rückblickend war das für alle Involvierten sogar eine positive Sache.

 

Hast Du jemals darüber nachgedacht die Band zu begraben und etwas komplett Neues zu machen?

Anfangs, als wir uns trennten, war ich in großem Zweifel, ob ich die Band mit neuen Leuten am Leben erhalten sollte oder ob ich etwas anderes mache. Aber ich fühlte, dass ich noch mehr mit Rising zu sagen habe. Und als ich mit Martin Niemann – Risings Original-Schlagzeuger – wieder gemeinsam jammte, funktionierte es auf Anhieb und klang immer noch nach Rising, so dass wir beide beschlossen weiter zu machen.

 

Dann ist „Oceans Into Their Graves“ kein echter Neustart für Dich, sondern mehr eine natürlich Fortsetzung der Rising-Geschichte?

Es fühlt sich zumindest wie eine Fortsetzung an. Ich denke, dass wir mit „Abominor“ etwas vom Kurs abgekommen sind. Jetzt sind wir aber wieder auf dem richtigen Weg und die Band ist jetzt das, was mir von Beginn an vorschwebte. Ich bin heute sehr zufrieden mit der musikalischen Ausrichtung, aber auch die Chemie zwischen den Bandmitgliedern ist jetzt besser. Wir sind gute Freunde, haben Spaß miteinander und treffen uns auch außerhalb der Band. Das ist ebenso ein Unterschied zu früher.

 

Aus drei Leuten wurden fünf. Warum hast Du jetzt mehr Musiker um Dich? War die Hinzunahme einer zweiten Gitarre und eines „echten“ Sängers eine neue Herausforderung und öffnete das der Band neue musikalische Türen?

Als wir begannen das neue Material zu schreiben und einzuüben, hatte ich viele Ideen was die Gitarren betrifft. Wir entschieden einfach mal unserer Kreativität freien Lauf zu lassen, um zu sehen was passiert. Nach einer gewissen Zeit wurde klar, dass wir einen zweiten Gitarristen brauchen würden. Allerdings hatte ich alle Gitarrenspuren selbst aufgenommen, da wir damals noch nicht die richtige Person dafür gefunden hatte. Als unser neuer Sänger Morten bei der Band vorsang, zweifelte ich noch ziemlich, ob sein eher traditioneller Gesangsstil zur Band passen würde. Aber er war einfach zu gut, um ihn gehen zu lassen und so beschlossen wir, es mit ihm durchzuziehen. Mittlerweile könnte ich mit dieser Sängerwahl nicht glücklicher sein. Und auch die zweite Gitarre öffnete den Sound in kreativer Hinsicht. Es gibt jetzt mehr Feinheiten und Möglichkeiten und ich denke, dass wir noch viel mehr in dieser Konstellation zustande bringen können.

 

Meiner Meinung nach hat das neue Album einen stärken „Classic Metal“-Vibe als seine beiden Vorgänger. Mehr Melodien, gerne auch „Twin Guitars“. War das von Anfang an das Ziel?

Ich denke, dass wir diesen 70er-, 80er-Metaltouch schon immer irgendwo hatten. Zumindest war diese Musik für mich immer eine große Inspiration. Es war kein vordefiniertes Ziel, die neuen Songs so klingen zu lassen. So schreiben wir einfach Musik. Aber mit den zusätzlichen Gitarren und dem melodiöseren Gesang scheinen diese klassischen Elemente wesentlich deutlicher durch.

 

Rising - Oceans Into Their Graves

 

Zu sprichst beim Schreiben der Musik immer von „wir“. Die neuen Songs von Rising sind also kein alleiniges Produkt von Jacob Krogholt, sondern ein Gemeinschaftsprodukt?

Songideen kommen zum großen Teil von Drummer Martin und mir. Wir hatten den Kern der meisten Songs schon geschrieben, bevor die neuen Bandmitglieder dabei waren. Morten schrieb viele seiner Gesangsmelodien selbst. Aber ich hatte in diesem Bereich auch viele Ideen. Die Texte sind überwiegend von Morten. Ich schrieb auch einen oder zwei und arbeitete mit ihm bei weiteren gemeinsam. Ich denke in Zukunft werden die Grundideen weiter von Martin und mir kommen, aber die Songs werden dann von der ganzen Band geschrieben und arrangiert sein.

 

Das Album hat einen konzeptionellen Überbau, wie es scheint. Zumindest ist der Tod in gewisser Hinsicht in allen Songs präsent. Kannst Du hier etwas Licht ins Dunkel bringen?

Es ist jetzt ein Konzeptalbum in dem Sinne, dass es eine durchgängige Geschichte gibt. Aber das übergeordnete Thema ist tatsächlich der Tod. Einige Song beschäftigen sich mit persönlichen, existentiellen Erfahrungen mit dem Tod als Grundbedingung des Lebens. Andere mit strukturellen Toden, die von religiösen und politischen System aufgebürdet werden. Und zuletzt der universellen Kraft des Todes, welche Rolle er im Kosmos spielt, in dem alles geboren wird und wieder stirbt. Die Naturgewalten eben.

 

Wie wichtig ist Euch das Zusammenspiel von Musik, Texten und Artwork? Etwas in das der Hörer abtauchen kann. Meiner Meinung nach funktioniert das bei der neuen Rising-Platte gar nicht schlecht.

Es ist sehr wichtig. Ich glaube an das Album als Kunstform, als eine starke Art Musik zusammen zu setzen. Und in dieser Form müssen alle Elemente – das Artwork, der Sound, die Musik, die Texte – zusammenarbeiten, um dem Ausdruck so kraftvoll und in sich geschlossen wie möglich zu machen. Das ist das wonach wir streben.

 

Um das letzte Rising-Album zu veröffentlichen, hast Du Dein eigenes Label namens Indisciplinarian gegründet, über das Du nach kurzer Zeit auch andere Bands veröffentlicht hast. Ein interessanter Schritt in Zeiten, in denen kaum noch Platten verkauft werden. Wie kam es dazu?

Aus Notwendigkeit und weil ich Lust dazu hatte. Als sich die alten Rising auflösten, hatten wir gerade dieses Album fertig gestellt. Eigentlich wollte ich es an Labels zur Veröffentlichung verkaufen. Aber mit der Trennung schien es so, als würde die Platte einen sicheren Tod sterben, so dass niemand sie anfassen möchte. Ich wollte sie allerdings lebendig halten, wie auch die Band. Also schien das der beste Weg für mich zu sein. Mein Labelpartner und ich hatten schon vorher mal darüber geredet ein Label zu gründen. Nachdem „Abominor“ ein Zuhause brauchte, schien es genau der richtige Zeitpunkt es durchzuziehen.

 

Indisciplinarian is eher für extreme Bands bekannt. Rising ist die „softeste“ in Eurem Roster. Was muss eine Band haben, damit Du sie veröffentlichst?

Eine gute Frage. Ich weiß nicht genau, ob ich das „was“ genau bestimmen kann. Manchmal hören wir etwas das uns einfach anturnt und wir möchten Teil davon sein. Ich denke es muss einfach Integrität, Herz und Seele in der Musik spürbar sein, um damit arbeiten zu können. Wir sind nicht an Genres gebunden. Es muss einfach den Nerv treffen, diese Besondere haben das es von anderen abhebt. Und die Leute müssen nett sein, da wir nicht mit Arschlöchern arbeiten.

 

Du bringst neue Musik nur noch auf Vinyl und als Downloads raus. Warum keine CDs mehr? Ein überkommenes Format?

In Skandinavien sind CDs ziemlich tot und 90 % der Musik wird digital konsumiert. Glücklicherweise hat Vinyl gerade eine kleine Renaissance. Aber der Markt für CDs ist weg gebrochen. Ich weiß, dass es in Deutschland anders ist, wo physische Formate – besonders die CD – immer noch eine große Sache sind. Persönlich habe ich nichts gegen CDs. Ich habe hunderte von ihnen. Aber ich bevorzuge Vinyl. Das komplette Format und die Erfahrung rundherum. Vor ein paar Jahren wurde ich etwas müde von CDs und habe keine mehr gekauft. Ich kam aus Musikläden stattdessen immer mit DVDs raus. Dann hatte ich mir wieder einen Plattenspieler gekauft und das erste Mal seit langer Zeit begann ich wieder Musik zu kaufen. Es machte für mich wieder Sinn so Musik zu hören wie damals, als ich mich in die Musik verliebte. Jetzt lasse ich das Vinyl drehen und ich streame Musik auf meinem Computer. Und das sind die beiden Formate in denen Indisciplinarian Musik veröffentlicht.

 

Vielen Dank für das Interview, Jacob!