NOFX – Single Album (Fat Wreck Chords, 26.02.2021)

Es gibt sie – diese unzerstörbaren Punkbands. Je älter das Genre wird, je älter werden auch seine Bands. Nicht nur kalifornische Urgesteine wie Bad Religion, die Descendents oder Adolescents haben vier Jahrzehnte Bandgeschichte hinter sich gebracht. Auch bei NOFX ist es übernächstes Jahr so weit.

Da überrascht es kaum, dass hinter dem neusten Album der vier Altpunks mittlerweile die Nummer 14 prangt. Ursprünglich war „Single Album“ als Doppelalbum geplant. Das hätte aus dem Titel dann zumindest ein Dadjoke-Wortspiel gemacht. Jedoch musste sich das Quartett im vergangenen Coronajahr auch noch um ihr Split-Album mit Frank Turner kümmern, so dass wohl nicht genug Zeit blieb, alle Songs aufzunehmen. Am Ende haben es nur 10 Stück auf die Platte geschafft und machen „Single Album“ wirklich zu einem nomen est omen.

Dass NOFX auch auf dem 14. Studioalbum das Rad nicht neu erfinden, sollte eigentlich niemanden überraschen. Dennoch weiß das neue Plastik an der einen oder anderen Stelle zu überraschen, auch wenn die Band einem ihrer Grundsätze treu bleibt: Wie Bad Religion klingen zu wollen. Das ist zumindest einer der häufigsten Halbscherze, die mir über die vier Kalifornier bekannt sind.

Und Bad Religion haben, einem anderen Halbscherz zufolge, eigentlich nur drei Songs: Den Schnellen, den Langsamen und den Komischen. Für „Single Album“ haben sich NOFX hauptsächlich an dem Komischen und dem Langsamen orientiert. Das wird während dem Opener „The Big Drag“ ziemlich deutlich. Denn der folgt kaum der handfesten Erfolgsformel aus poppigen Melodien und catchigen Hooks, sondern wirkt mit seinen fast sechs Minuten Spielzeit zersprengt, ambivalent, fast schon konfus und beschäftigt sich direkt mit dem Kernthema, das die Band in neuerer Zeit begleitet: Den psychischen Problemen von Frontmann Fat Mike.

Bereits auf dem Vorgänger „First Ditch Effort“ haben seine Texte eine introspektive Richtung eingeschlagen und einen Seelenstriptease nach dem anderen präsentiert. Mit dem Therapie-Soloalbum „You’re Welcome“ als sein Alias Cokie The Clown war scheinbar noch nicht alles gesagt, und so dreht sich auf „Single Album“ vieles um Drogenmissbrauch, Depressionen und die gescheiterte Ehe mit Ex-Frau und Dominatrix Soma Snakeoil.

Das klingt alles ein wenig nach Midlife-Crisis und vielleicht ist es das auch. Auf der anderen Seite könnte es aber auch das beruhigende Anzeichen dafür sein, dass der begnadete Songwriter sich so langsam beginnt, damit auseinanderzusetzen, dass er nicht unsterblich ist.

Denn mit Steve Soto (Adolescents) ist in der jüngeren Vergangenheit neben Tony Sly (No Use For A Name) ein weiterer guter Freund verstorben, dem Fat Mike mit „Grieve Soto“ ein musikalisches Denkmal setzt. Dass diese Verluste nicht spurlos am Sänger und Bassisten vorbeigehen, zeigt auch die bittere Reflektion auf die drogengeprägte L.A.-Punkszene der 1980er-Jahre im brillanten, düsteren Midtempo-Song „Doors and Fours“.

Politisch und sozialkritisch wird es eigentlich nur auf dem Ska-lastigen „Fish in a Gun Barrel“, das die amerikanische Waffenmanie anprangert, und auf dem catchig-poppigen „Fuck Euphemism“, das sich mit Mikes sexueller Identität als BDSM-Praktizierender Crossdresser auseinandersetzt, und daher auch wieder persönlich wird.

Alles in allem ist „Single Album“ ein solides NOFX-Album mit ein paar interessanten und vielleicht auch unerwarteten Wendungen. Wem der introspektive Stil auf „First Ditch Effort“ schon nicht zusagte, wird hier wohl wenig Freude finden. Auch ich hätte mir wieder mehr Gesellschaftskritik und weniger Seelenstriptease gewünscht. Auf der anderen Seite sind aber allein der Opener „The Big Drag“, der Closer „Your Last Resort“ und das erwähnte „Doors and Fours“ es schon wert, „Single Album“ eine Chance zu geben.

1. The Big Drag
2. I Love You More Than I Hate Me
3. Fuck Euphemism
4. Fish In A Gun Barrel
5. Birmingham
6. Linewleum
7. My Bro Cancervive Cancer
8. Grieve Soto
9. Doors and Fours
10. Your Last Resort
4.3