NOFX/Frank Turner – West Coast vs. Wessex (Fat Wreck Chords, 31.07.2020)

Michael Buffer steigt in den Ring. Er nimmt das Mikro und tönt mit seiner weltberühmten Stimme: “Ladiiiiies and Gentlemeeeeen…..!”

In der roten Ecke: Er ist britischer Singer-Songwriter, Punkrocker durch und durch und spielt in diesem verrückten Corona-Jahr seinen 2500. Auftritt! Einer davon war sogar bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in London 2012! Fraaaaaank Tuuuurneeeeer!

In der blauen Ecke: Sie sind eine US-amerikanische Punk-Legende aus dem Sonnenstaat Kalifornien, seit 1983 machen Sie die Bühnen dieser Welt bunter, Frontsänger Fat Mike ist Gründer von Fat Wreck Chords, eines der bedeutendsten Punkrock-Label der Welt und Sie lassen kaum eine Provokation aus. NooooooooFX!

Musiker-Schwergewichte treten gegeneinander an

Aber kommen wir zum eigentlichen Punkt: Ein echtes Punkrock-Schwergewicht erreichte mich dieser Tage. NoFX und Frank Turner bieten sich mit „West Coast vs. Wessex“ einen ganz besonderen “Battle of the Bands” und steigen gegeneinander – oder besser gesagt MITeinander – in den Ring. Ein Album, auf dem die Interpreten gegenseitig 5 Songs des jeweils anderen covern. Beide auf ihre ganz eigene und unterschiedliche Weise.

Frank Turner, seines Zeichens großer NoFX-Fan, konnte da schwer nein sagen, als Fat Mike mit der Anfrage für ein Split-Album kam.

Nach mehrmaligem Durchhören dieser 10 Songs schweren Platte fällt auf, dass sich NoFX nicht an Turners Hits, sondern eher an den unpopuläreren Stücken bediente. Das war auch die Absicht, wie Fat Mike verlautbaren lässt: „Ich habe all seine Aufnahmen gehört und ich habe mir die Songs herausgepickt, wo ich dachte, dass ich sie noch interessanter machen kann. Ich habe viele Akkorde verändert. Frank schlägt mich im Gesangsbereich. Ich kann nicht besser singen  als er, aber ich kann eventuell hier oder da Melodien oder Akkorde hereinwerfen, an die er nicht gedacht hat.“

Die erste Hälfte des Fights wird von NoFX vorangetrieben

Die ersten Songs (Track 1 bis 5) gehören somit den Kaliforniern und der Sound ist im Grunde genommen der typische und aktuelle NoFX-Sound. Ich würde behaupten, dass fast kein Unterschied zu eigenen Songs erkennbar ist und man somit die volle Packung NoFX bekommt. Was total OK ist! Der Einsteiger „Substitude“ kommt mit Ska-Elementen daher und zieht dann im Doubletime-Tempo an. In „Thatcher Fucked The Kids“ verrät der Titel bereits, dass er nicht aus der USA stammt. Dennoch klingt er direkt NoFX-like, was wohl an der Assoziation mit „Fuck The Kids“ liegt. Bei „Worse Things Happen At Sea“ hat NoFX im Vergleich zum Original ordentlich Tempo reingepackt. Die Textzeile „There is no god“ im Song „Glory Hallelujah“ könnte ebenfalls aus Fat Mike´s Feder stammen. NoFX-Fans und auch ich kommen hier voll auf ihre Kosten.

Frank Turner ist großer NoFX-Fan

Kommen wir zum Herausforderer: Frank Turner and the Sleeping Souls stehen in der roten Ecke bereit! Die Briten sind das Thema etwas anders und meiner Meinung nach kreativer angegangen. Frank Turner selber sagt dazu: „Ich wollte die Songs nicht einfach nur simpel nachspielen. Ich wollte versuchen Songs herauszupicken, die ich und meine Band mögen und die wir etwas umgestalten können. Es schien mir, dass es cool wäre, dem NoFX-Fan, der mich vielleicht nicht so gut kennt, zu zeigen, dass ich tatsächlich NoFX-Fan bin. Ich bin nicht einfach zu Spotify gegangen und habe die fünf meistgehörten Songs ausgewählt.“

Einzig „Bob“, der ja bereits als Vorab-Single mit Video erschien, ist aus den Spotify-Top 5. Und hier kommt auch das Kreativthema zu tragen. Der Song wurde kurzerhand zu einem Countrysong umfunktioniert. Was weiterhin auffällt: Frank Turners NoFX-Lieblingsalben scheinen “Punk In Drublic” und “So Long & Thanks For All The Shoes” zu sein. 4 der 5 Songs stammen ursprünglich von diesen beiden NoFX-Alben.

Frank Turner nutzt die Halbzeitpause und setzt zum Gegenschlag an

Der zweite Teil (Track 6 bis 10) von „West Coast vs. Wessex“ gehört also Frank Turner. Song Nummer sechs, der erste Turner-Song dieses Split-Albums, „Scavenger Type“ begegnet uns im eher gewohnten Turner-Stil. Danach folgt „Bob“ und mit „Eat The Meek“ haut uns der Brite eine weitere besondere Version um die Ohren. Nix mit Ska! Fast schon 80er Stadionrock – ungewöhnlich. Aber macht den Song mal laut auf die Kopfhörer, denn mich hat der Song gecatcht! „Perfect Government“ ist wieder eine eher Frank´sche Komposition eines NoFX-Hits, ehe es mit „Falling In Love“ einen letzten Song gibt, den NoFX damals auf ihrem Album ebenfalls als Abschluss nutzten. Jedoch kommt diese Version sehr viel ruhiger daher. Auch im zweiten Teil kommen Fans beider Lager auf ihre Kosten!

Turner sagt von Fat Mike, dass er großartiger Songwriter sei. Doch Frank Turner muss sich da keinesfalls verstecken. Im Gegenteil. Ich finde, dass Frank Turner die Aufgabe kreativer gelöst hat und NoFX im gewohnten Stil. Ich jedenfalls favorisiere keine der beiden Albumhälften. Allein des Einfallsreichtums sei Dank würde ich sagen: Knapper Punktsieg nach 10 Tracks für Frank Turner. Jedoch gehen beide Hand in Hand und gehobenen Hauptes aus dem Ring.

Die Platte macht Spaß und ist ein Schmankerl für Fans von NoFX und Frank Turner, die auf diesem Split-Album definitiv in der selben Gewichtsklasse kämpfen.

Track List:

  1. Substitute
  2. Worse Things Happen At Sea
  3. Thatcher Fucked The Kids
  4. Ballad Of Me And My Friends
  5. Glory Hallelujah
  6. Scavenger Type
  7. Bob
  8. Eat The Meek
  9. Perfect Government
  10. Falling In Love

 

 

 

4.5