Frank Turner

Interview – “Songwriting. Das ist es, was einen Künstler ausmacht. Welcher musikalische Stil dieses Songwriting begleitet, interessiert mich einfach weniger” mit Frank Turner

Es ist erneut ein Montag, an dem sich eine schier endlose Schlange vor dem Münsteraner Skater’s Palace erstreckt. Ich habe ein Déja Vu. Das letzte Mal waren wir hier, um Boysetsfire zu sehen und zu sprechen. Dieses Mal ist es der großartige Frank Turner, der den Laden ausverkauft hat. Mit an Bord hat der Mann aus South England die großartigen Support-Acts Will Varley und Skinny Lister.

Leider wurde uns der Interviewtermin so kurzfristig mitgeteilt, dass mein geschätzter Kollege Nico Ackermeier keine Möglichkeit mehr hatte, schöne Fotos von Interview und Konzert zu knipsen.

Nichtsdestotrotz hatte ich die Gelegenheit mit einem entspannten und gut aufgelegten Frank Turner ein wenig über seine Karriere, seine Band The Sleeping Souls und Musikgenres zu sprechen.

Björn:
Hi. Wie geht’s dir und dem Team? Seid ihr heute gut angekommen und wie ist die Stimmung bei euch?

Frank:
Ja, es ist irgendwie lustig, wir stehen ja erst am Anfang der Tour. Gestern war die erste Show im neuen Jahr. Wir haben uns vorher 3 Wochen Urlaub über Weihnachten genommen und in der Zeit auch die Proben ruhen lassen. Als wir dann gestern zum ersten Mal nach der Pause auf der Bühne standen, waren die ersten drei Songs echt hart. Aber das ist wie Fahrradfahren, irgendwie kommst du dann doch schnell wieder rein. Die Show war dann nämlich doch noch total super. Also uns geht es allen gut.

Björn:
Ich würde gerne mit dir über deine Band The Sleeping Souls sprechen. Ihr seid jetzt ja schon ziemlich lange in dieser Formation unterwegs. Was für eine Kombination an Leuten seid ihr und wie kommt ihr miteinander aus?

Frank:
Ja, ich denke da ziemlich viel drüber nach. Wir sind im Grunde genommen wie jede andere Band auch. Wir machen die gleichen Dinge durch. Es gibt gute Zeiten und es gibt auch mal Spannungen und Streits, die man lösen muss. Das liegt einfach in der Natur der Sache, wenn man so viel und so lange Zeit miteinander verbringt. Das wichtigste ist, dass wir alle sehr zivilisiert miteinander umgehen.

Die Band, in der ich früher gespielt habe, Million Dead, gab es 4 Jahre lang. Die letzten 2 davon haben wir uns alle nur noch gehasst und uns deswegen irgendwann aufgelöst. Mit The Sleeping Souls sind wir jetzt schon 8 Jahre zusammen. Ich denke, das liegt teilweise auch daran, dass wir alle älter und erwachsener geworden sind. Es hilft natürlich auch, dass es sich um mich als Singer/Songwriter handelt und um eine begleitende Band. Das nimmt viele traditionelle Streitereien, die andere Bands haben, schon mal vorweg.

Und, um das auch klarzustellen, irgendwie hört sich das jetzt so an als ob es viele Spannungen gäbe, aber dem ist ja gar nicht so: Ich liebe meine Jungs. Am Ende einer Tour denkt man, man will die anderen nicht so schnell wiedersehen. Aber bevor es gestern wieder los ging war ich total aufgeregt alle wiederzusehen.

Björn:
Was sind die schönsten Dinge, die ihr als Band bisher miteinander teilen konntet?

Frank:
Es ist schwierig, das an einem bestimmten Moment oder so fest zu machen. Die tollsten Shows sind für uns oft die, bei denen wir der Opening-Act sind. Wir sind sehr lange als Support für Social Distortion und Dropkick Murphys in Amerika unterwegs gewesen. Da kannte und scherte sich niemand um uns und wir hatten eine halbe Stunde Spielzeit, um die Leute von uns zu überzeugen.

Björn:
Als du angefangen hast, warst du noch ganz allein mit Akustik-Gitarre und du bist auch nicht einer der Künstler, dessen Erfolg von einem auf den anderen Moment gekommen ist. Gab es trotzdem einen Punkt, an dem du das wachsende Feedback auf dich und deine Musik spüren konntest?

Frank:
Klar, es gab schon Momente, an denen der wachsende Erfolg sichtbar wurde. Wir spielen zum Beispiel schon sehr lange immer wieder auf dem Reading-Festival, das übrigens mein absolutes Lieblingsfestival auf der Welt ist, und jedes Jahr haben wir einen besseren Timeslot bekommen oder durften auf einer größeren Bühne spielen. Daran kann man durchaus erkennen, wie gut es läuft.

Es ist aber auch eine schwierige, psychische Situation für mich. Ich möchte nicht der arrogante Rockstar sein, auf der anderen Seite wird es aber irgendwann auch albern, wenn ich immer total überrascht tun würde, wenn mich jemand in einer Bar erkennt.
Ich hatte letztens eine Interessante Erfahrung. Eine befreundete Band von mir, Wolf Alice, ist jetzt gerade an einem Punkt, an dem die Leute anfangen, sie auf der Straße zu erkennen und ihnen Drinks in Bars auszugeben. Die Jungs sind so um die 10 Jahre jünger als ich und total aus dem Häuschen. Und das war ich damals auch, als das bei mir alles anfing. Es ist interessant, das jetzt aus einer Außenperspektive betrachten zu können.

Björn:
Wenn du so zurückblickst: Was macht mehr Spaß. Die kleinen Shows allein mit Akustikgitarre, oder die größeren mit deiner Band?

Frank:
Das lässt sich kaum sagen, das sind einfach zwei verschiedene Dinge. Früher war das ganze viel abenteuerlicher und sehr chaotisch. Heute verläuft alles viel geplanter und strukturierter. Früher hatte ich aber auch noch nicht so viel Verantwortung, wie jetzt zum Beispiel mit einem Tourbus voller Leute, die damit ihren Lebensunterhalt verdienen und 2000 wartenden Leuten, die Tickets gekauft haben und eine gute Show sehen wollen. Plus, ich war damals ja auch noch viel jünger. Deswegen hat es für mich persönlich damals vielleicht noch mehr Spaß gemacht, aber heute sind wir als eine Band zusammen gewachsen und über die Jahre immer besser geworden. Vielleicht kann ich es so ausdrücken: Damals hat alles um die Shows herum mehr Spaß gemacht, heute sind die Shows selbst viel besser und machen mehr Spaß.

Björn:
Was sind letztlich die Vor- und Nachteile, wenn man als Künstler immer erfolgreicher und größer wird und irgendwann bei einem Major Label landet und immer weiter in den Mainstream vordringt? Jede Medaille hat zwei Seiten oder?

Frank:
Ja, das ist absolut richtig. Ich will es mal so ausdrücken: Kunst ist eine Form der Kommunikation und ich bin interessiert daran, mit vielen Leuten zu kommunizieren. Und ich muss auch sagen, dass ich mittlerweile auch zu alt bin, um mich von dem „Du-musst-für-den-Rest-deines-Lebens-Underground-bleiben“-Gerede beeindrucken zu lassen. Wer das so machen möchte, ok, aber ich bin einfach zu alt, um mich darum zu scheren, was Leute über mich denken und für wie viel Zuschauer ich Konzerte spielen sollte usw.

Das ist etwas, was mich an dem ganzen Punk-Ding immer genervt hat: Dieses elitäre und abgehobene Denken und die ganzen Vorschriften, wer was warum gut finden darf und wer nicht. Das ist Bullshit. Jeder sollte das machen, was er möchte. Man sollte sich nicht daran aufhängen, welcher Künstler jetzt gerade wie große Konzerte spielt und bei welchem Label unter Vertrag ist. Die Erde dreht sich nun mal weiter. Die letzten Jahre war ich mit einem Album auf Epitaph auf Tour, jetzt bin ich mit einem neuen Album auf einem Major Label auf Tour und in Zukunft mache ich vielleicht nochmal was ganz anderes. Wichtig für mich ist: Ich möchte nicht immer das Gleiche machen. Das wird irgendwann langweilig. Für mich und für alle anderen auch.

Björn:
Gibt es ein Lieblingsalbum von dir, vielleicht aufgrund einer spezifischen Zusammenstellung von Songs, die dir viel bedeuten, oder aufgrund von schönen Erinnerungen, die du beim Schreiben oder Produzieren des Albums hattest?

Frank:
Haha, ich musste für einen Kumpel von mir bei der Vice gerade erst ein Ranking meiner eigenen Alben erstellen. Das war die reinste Qual. Aber deswegen wird sowas ja auch vermutlich gemacht. Das ist auch schwierig: Wenn es darum geht Setlisten zu schreiben, bin ich ziemlich populistisch. Ich beuge mich da sehr schnell dem Willen der Fans und spiele so viele Wünsche wie möglich.

Meine erfolgreichsten Alben sind „England Keep My Bones“ und „Love, Ire and Song“, also mag ich sie deswegen. „Poetry Of The Deed“ ist ein unfertiges Album. Ich habe mir zu der Zeit leider einfach nicht genug Zeit genommen, um es richtig auszuarbeiten. „Sleep Is For The Weak“ wirkt unglaublich naiv. Das meine ich aber gar nicht negativ. Naivität ist etwas Wertvolles. Ich denke mir aus heutiger Sicht nur manchmal „Wow, wirklich? Das hast du damals geschrieben?“. „Tape Deck Heart“ ist ein schwieriges Album für mich, weil es zu einer ziemlich traumatischen Lebensphase entstanden ist. Ich denke, ich brauche noch ein wenig mehr Zeit, um genügend Abstand zu gewinnen und das Album einordnen zu können. „Positive Songs…“ liebe ich total.

Da ich das meiste Zeug autobiografisch schreibe, haben alle Alben auch immer einen direkten Bezug zu der Zeit in meinem Leben, in dem sie entstanden sind und zu dem Mensch, der ich zu diesem Zeitpunkt war. Daher ist es so schwierig das miteinander zu vergleichen.

Björn:
Was meinst du, ist Punk jetzt tot oder nicht?

Frank:
Nein, es ist überhaupt nicht tot. Den Leuten, die das sagen sind einfach nur die Ideen ausgegangen. Jetzt genau zu definieren, was Punk ist, bringt glaube ich wenig. Aber ich denke, man kann sagen, dass es sich im weitesten Sinne dabei um eine Musikgemeinschaft handelt. Und solange Typen wie du und ich mit unseren Tattoos und Bandshirts auf die nächste Against Me!-Show gehen und Spaß dabei haben, ist Punk nicht tot. Und ich gehe immer, wenn ich Zeit habe.

Björn:
Momentan gibt es ja ein ziemlich großes 90s-Revival in der Rockmusik. Emo, so wie er in den 90ern interpretiert wurde und auch Grunge sind derzeit, auch in der Punkszene, sehr beliebt. Was denkst du darüber, gefallen dir die jüngeren Bands, die jetzt so eine Musik machen?

Frank:
Um ehrlich zu sein, ich bin da gar nicht so wirklich drin. Ich höre derzeit fast nur Gram Parsons B-Sides, jede Menge Northern Soul und Stax Records. Ich glaube absolute Originalität ist überbewertet. Rock’n’Roll ist eine selbstreferentielle Kunstform. Fugazi klingen eigentlich wie MC5. Dinge wiederholen sich nun mal, und das ist gar nicht zwingend etwas Schlechtes. Wenn wir über Folkmusik reden ist es total sinnlos, denn gerade das ist der Kern von Folkmusik: Dass es traditionell ist, und von dem Vorhergegangenen und seinen Referenzen lebt. Viel wichtiger finde ich Songwriting. Das ist es, was einen Künstler ausmacht. Welcher musikalische Stil dieses Songwriting begleitet, interessiert mich einfach weniger. Letztendlich ist das nämlich nicht wichtig.

Björn:
Darf ich zum Ende ein kleines Entweder-Oder-Spiel mit dir spielen?

Frank:
Haha, ja natürlich

Björn
Black Flag oder Minor Threat?

Frank:
(Wie aus der Pistole geschossen) Black Flag.

Björn:
Bad Religion oder NOFX?

Frank:
NOFX. Ich war nie so ein richtiger Bad Religion-Fan, obwohl ich ihren Einfluss natürlich anerkenne.

Björn:
Maiden oder Metallica?

Frank:
Unbestritten Maiden natürlich, ich mag Metallica auch, aber komm schon…Maiden. (zeigt mir sein Maiden-Tattoo auf dem Bein)

Björn:
Pils oder Ale?

Frank:
Pils, obwohl ich zurzeit nicht trinke, also eigentlich weder noch.

Björn:
Bukowski oder Hemingway?

Frank:
(zögernd) Hemingway, obwohl das echt schwierig ist.

Björn:
East- oder Westcoast?

Frank:
Haha, ich glaube eher East-Coast, ich habe allerdings keine Ahnung von Hip-Hop, also bitte nicht zu ernst nehmen.

Björn:
Beatles oder Stones?

Frank:
Beatles. Ich hasse die Rolling Stones. Ich hasse es, dass er mit falschem amerikanischen Akzent singt. Er kommt aus South London verdammt, ich weiß wo sein Haus steht.

Björn:
Münster oder München?

Frank:
(lacht lauthals) Na was meinst du, was ich da sage.

Björn:
Du kannst alles sagen, ich bin nicht aus Münster, mir ist das also egal.

Frank:
Naja also das hier ist die erste Show auf der Tour, die ausverkauft ist. Also sage ich deswegen Münster.

Björn:
Cool, damit wäre ich fertig, danke für deine Zeit.

Frank:
(auf Deutsch) Dankeschön.

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