Explosions In The Sky – The Wilderness (PIAS, 01.04.2016)

Vielleicht sollte man den 1. April diesen Jahres zum Postrock-Memorial-Day (bessere Titelvorschläge sind ausdrücklich erwünscht) ernennen. Nicht nur, dass das Duo Hammock an diesem Tag ein neues Studioalbum veröffentlichte, sondern mit Explosions In The Sky und Mogwai standen gleich zwei Genre-Titanen mit einem jeweils neuen Tonträger in den Startlöchern. Da kann man als Freizeitmusikjournalist schon mal hinterherhinken. Also immer schön eins nach dem anderen. Hammock wäre abgehakt, also widme ich mich in dieser Besprechung nun Explosions In The Sky, den Postrock-Giganten aus Austin, TX, und ihrem neuen Werk „The Wilderness“.

Der Name Explosions In The Sky ist, spätestens seit dem legendären “The World Is Not A Cold Dead Place”-Album von 2003, untrennbar mit der zweiten Welle an Postrockbands verwoben, die ein halbes bis ganzes Jahrzehnt nach der Pionierarbeit durch Bands wie Godspeed You! Black Emperor, Sigur Rós oder Mogwai den Weg für experimentelle, häufig instrumentale, atmosphärische Rockmusik weiter ebneten. Zahlreiche atmosphärische Bands beziehen sich auf die Texaner, die seit vielen Jahren zu den prominentesten Vertretern des Postrock-Genres gehören.

Mit „The Wilderness“ veröffentlicht das Quartett aus Austin nun das erste Studioalbum seit 5 Jahren. Schon das damalige Werk „Take Care, Take Care, Take Care“ hatte sich streckenweise vom bisherigen Sound der Band entfernt, und immer wieder mit Samples und kleinen, elektronischen Momenten aufgewartet. Dahinter war jedoch stets der unverkennbare Stil der Texaner erkennbar gewesen. Das ist bei „The Wilderness“ nun ungleich schwieriger. Direkt zu Anfang der Platte wird deutlich: Explosions In The Sky haben sich verändert. Elektronische Elemente stehen nun endgültig im Fokus. Von akribisch ausgearbeiteter Gitarrenarbeit für bis zu drei Gitarren, die Layer-artig Motive übereinanderschichteten und miteinander verwoben, hat sich die Band endgültig verabschiedet.

Elektronische Klangflächen, die gern hier und da von Streichern unterstützt werden, prägen nun das Bild. Von Dynamik, weiten Spannungsbögen und Klimax-Momenten, wie man sie auf den Frühwerken der Texaner kennen und lieben gelernt hatte, fehlen häufig jede Spur. Das Klangbild ist weniger von den Hallfahnen der früher so prominenten Gitarren geprägt. Weite und Atmosphäre funktionieren hier mehr über Samples oder computergenerierte Sounds. Nur ab und zu schimmert der altbekannte Stil, den man noch aus den 00er-Jahren von der Band kennt, durch die Wildnis der elektronischen Ambient-Passagen.

Es ist nicht grundsätzlich verkehrt, wenn eine Band sich auf zu neuen Ufern macht, altbewährte Klang- und Stilrezepte hinter sich lässt, herumexperimentiert und sich vielleicht sogar von Kernkompetenzen entfernt. Da liegt bei „The Wilderness“ auch gar nicht zwingend der Hund begraben. Was fehlt ist ein konstant gutes Songwriting. Die herausstechenden Momente. Die Passagen, die sich unverhofft in die Gehörgänge einbrennen und dieses Gefühl wecken, mehr zu wollen. Großartige Momente hat die Platte, keine Frage. Da wären Marching-Drums bei „Logic Of A Dream“, das Mosquitoschwarm-artige Bassflackern bei „Disintegration Anxiety“ oder die manchmal eben doch aus den elektronikverhangenen Wolkendecken durchbrechenden Twinkle-Gitarren, die einst den Sound der Band so sehr prägten. Aber die großartigen Momente, sie sind zu karg gesät. Zu oft driften die Texaner in die Belanglosigkeit ab, probieren Sounds aus, die andere Bands schon vor ihnen besser und raffinierter verwendeten.

Die Größe, die Herausstellungsmerkmale, das, was die Band aus Austin einst so sehr von der (mittlerweile) großen Masse an Postrockbands abzuheben vermochte, bleibt auf „The Wilderness“ leider etwas zu oft in der Wildnis hängen. Wirklich schlecht ist sie nicht, die neue Explosions In The Sky-Platte. Aber leider auch nicht so richtig gut. Und das ist für Postrock-Giganten einfach zu wenig.

Explosions In The Sky - The Wilderness

1. Wilderness
2. The Ecstatics
3. Tangle Formations
4. Logic Of A Dream
5. Disintegration Anxiety
6. Losing The Light
7. Infinite Orbit
8. Colours In Space
9. Landing Cliffs

3.8