The Who – Live At Shea Stadium 1982 (Universal Music, 01.03.2024)

Die Tour zum Album „It’s Hard“ wurde im Vorfeld als Abschiedstour von The Who angekündigt. Dies war zum Glück nicht der Fall, aber bis zur nächsten Konzertreise sollte es viele Jahre dauern. Erst 1989 fand die Reunion-Tour statt, die der Band regelrechte Besucherrekorde bescherte.

Die Situation für The Who war 1982 sicher nicht einfach. Ihr legendärer Schlagzeuger Keith Moon war vor vier Jahren gestorben und die Band suchte ihren Platz in der sich ständig verändernden Musikwelt. Zudem hatte Pete Townshend Probleme beim Songwriting. Drogenprobleme und Depressionen taten ihr Übriges, um das Nervenkostüm des Gitarrenderwischs anzugreifen. In der Info der CD steht, dass es hauptsächlich Townshend war, der das Ende von The Who forcierte. Also: Alles nicht gerade optimal. Doch hört man dies bei der Aufnahme?

Ich drücke den Play-Knopf und habe sofort das Gefühl, mitten im Konzert zu sein. „Substitute“ explodiert förmlich und zeigt, wieviel Power in dem um Keyboarder Tim Gorman verstärkten Quintett immer noch steckt. Soundmäßig ist hier alles hervorragend. Der Bass von John Entwistle im Verbund mit Kenney Jones furiosem Schlagzeugspiel setzt für mich dem Ganzen die Krone auf. Schon allein „The Quiet One“: „The Ox“ singt hier zusammen mit Daltrey und bekommt vom amerikanischen Publikum viel Applaus.

Die Band spielt vier Stücke ihres aktuellen Albums. Mir gefallen die Live-Versionen besser als auf der Studioproduktion, da sie aggressiver und wilder rüberkommen. Gelegentlich singt Entwistle etwas schief und manchmal klingt es zu leise. Aber das tut dem großen Spaß, den ich mit dieser Liveaufnahme habe, keinen Abbruch. Die Setlist ist sehr ausgewogen. Neue Stücke wechseln sich mit Uralt-Schinken wie „Tattoo“, „Young Man Blues“ oder dem magischen „Naked Eye“ ab. Und natürlich gibt es einen Block mit Stücken von “Tommy” und “Quadrophenia”, die beim Publikum erwartungsgemäß sehr gut ankommen. Warum jedoch „You Better You Bet“ fehlt, ist mir ein Rätsel.

Roger Daltrey hat alles im Griff. Seine Stimme thront über allem und man merkt ihm die Abgebrühtheit von vielen Jahren auf der Bühne deutlich an. Was auch ganz klar hörbar ist: Townshend hatte nicht gerade seine beste Phase. Gesanglich tritt er erst bei „I’m One“ richtig in Erscheinung und wird dann von dem äußerst ruppigen „The Punk And The Godfather“ mehr oder weniger abgewürgt. Auch klingt die Gitarre nicht so aggressiv, wie man es von dem Windmühlenfanatiker gewohnt ist. Was bei „Drowned“ abgeht, ist jedoch ganz großes Kino. Die Band spielt sich in einen schieren Rausch, dem man sich als Zuhörer einfach nicht entziehen kann. „Who Are You“, „Won’t Get Fooled Again“, „Long Live Rock“ oder „Love Reign O’er Me“ in Hammer-Versionen lassen keine Wünsche offen. Als Zugaben werden mit „I Saw Her Standing There“ und „Twist And Shout“ sogar zwei Stücke von den Beatles gespielt, bevor dann endgültig der Vorhang fällt.

Die Doppel-CD vermittelt einen authentischen Eindruck eines Live-Konzerts einer der besten Rockbands aller Zeiten. Trotz ihrer Probleme war die Band auf der Bühne immer noch zu Höchstleistungen fähig. Was ich sehr cool finde: Townshend wird spürbar von seinen Kollegen unterstützt. Die anderen reißen sich für ihn musikalisch sprichwörtlich den Hintern auf, was man am Deutlichsten bei Entwistle merkt. Die DVD gibt es ja schon seit 2015, auf CD wird das Konzert nun das erste Mal veröffentlicht. Ich kann nur sagen: Legt euch das Teil zu, es ist gigantisch.

Einen Minuspunkt gibt es nur für die Karton-Verpackung. Die ausführlichen Infos sind direkt auf die Verpackung gedruckt, auf ein Booklet wurde komplett verzichtet. Hier hätte man sich mehr Mühe geben können.

 

Tracklist CD 1:
1. Substitute
2. I Can’t Explain
3. Dangerous
4. Sister Disco
5. The Quiet One
6. It’s Hard
7. Eminence Front
8. Behind Blue Eyes
9. Baba O‘ Riley
10. I’m One
11. The Punk And The Godfather
12. Drowned
13. Tattoo
14. Cry If You Want

Tracklist CD 2:
1. Who Are You
2. Pinball Wizard
3. See Me Feel Me
4. Love Reign O’er Me
5. Long Live Rock
6. Won’t Get Fooled Again
7. Young Man Blues
8. Naked Eye
9. I Saw Her Standing There
10. Summertime Blues
11. Twist And Shout

 

4.8