The Necks – Travel (Northern Spy – 24.02.2023)

„Travel“ ist das bereits 19. Album der australischen Band The Necks. Auf diesem Vinyl-Doppelalbum bieten sie vier jeweils um die 20 Minuten lange Stücke, auf denen sie ihr hohes instrumentales Niveau bestätigen und sogar auf ein neues Level heben.

Das erste Stück „Signal“ beginnt mit einer sich durchgehend wiederholenden Basssequenz über die sich dann fein arrangiert die anderen Instrumente legen. Die Bassmelodie treibt sanft voran, eine weiche Pianospur legt sich darüber und arbeitet das Thema mehr und mehr aus. Neben diesen beiden Hauptelementen passiert aber noch viel mehr im betörenden Klangbild. Ein mystischer und sanfter Perkussionssound verbreitet viel Atmosphäre und immer wieder tauchen kleine Sequenzen anderer Instrumente auf. So wird der Hörer durch diese träumerische, melancholische und an manchen Stellen auch etwas bedrohlich wirkende Landschaft geleitet und schließt man dazu die Augen, verschwimmen Zeit und Raum.

Auch das zweite Stück „Forming“ knackt die 20-Minuten-Grenze. Ein dunkles Piano erklingt über einem mysteriösen Perkussionssound, weit im Hintergrund schwurbelt eine Orgel oder ein Keyboard, welches die Stimmung noch unterstützt. Mit der Zeit werden die Instrumente dann aggressiver, es formt sich nach und nach ein brodelnder Sturm zusammen. Die Perkussion wirkt dissonant, das Klavier wählt härtere Anschläge und der Bass beginnt sich zu überschlagen. Ja, man könnte das hier als eine musikalische Umschreibung eines heraufziehenden Gewittersturmes bezeichnen.

Stück Nummer drei bringt es auf 17 Minuten und trägt den Titel „Imprinting“. Hier findet die Band ein wenig zur Ruhe zurück. Die ersten Passagen erinnern mit ihrer Perkussion, dem Einsatz des Blasinstrumentes und den Klavierpassagen doch schon stark an die späten Talk Talk. Eine schwummerige Orgel passt da sehr gut ins Bild. Es ist ein ruhiges, und doch unruhiges Stück. Betörend ist die Klaviermelodie, die Atmosphäre fängt den Hörer ein und trägt in mit. Dieses Stück zeigt sehr deutlich auf, mit welcher Leichtigkeit die Band diese starken Stücke kreiert. Spielfreude und Experiment gehen nie zu Lasten der Hörbarkeit.

„Bloodstream“, das letzte Stück bringt es auf 18 Minuten und startet mit einem vermutlich elektronisch generiertem Kirchenorgelsound. Ein dunkler Drone gesellt sich hinzu und baut direkt wieder dieser großartige Atmosphäre auf. Auch dieses Stück verändert sich eigentlich nur in Nuancen, bietet aber trotzdem soviel Entdeckens wertes, das es trotz seiner Länge niemals langweilig wird

„Travel“ ist ein großartiges Album zwischen experimenteller, improvisierter Musik, Postrock und Jazz. Die Band wird von Album zu Album besser, was man kaum glauben mag. Ihr 19. Album zeigt sie wirklich auf dem Höhepunkt ihres Schaffens. Hier wirkt alles organisch und trotz aller Schwere, die die Musik inne hat, hört man jedem Ton die Leichtigkeit der Musiker heraus. Ihr langjähriges Schaffen hat sie nicht routiniert und langweilig, sondern perfektioniert und ambitioniert gemacht.

„Travel“ bietet knapp 80 Minuten feinster Musik, die sich eigentlich jeder Kategorisierung entzieht. Es gelingt das Kunststück, spannende und experimentelle Musik so zu gestalten, dass sie auch das ungeübte Ohr in keiner Weise vergrault. Ganz starkes Album.

 

  1. Signal
  2. Forming
  3. Imprinting
  4. Bloodstream

 

https://thenecksau.bandcamp.com/album/travel

 

4.7