Good Riddance – Thoughts and Prayers (Fat Wreck Chords, 19.07.2019)

Good Riddance. Das bedeutet so viel wie „Gut, dass ich dieses oder jenes los bin“. Im Zusammenhang mit Gitarrenmusik assoziieren viele sicherlich die immens erfolgreiche Irish-Folk-Ballade, die Green Day auf ihrem „Nimrod“-Album als Single-Auskopplung mit dem Titelzusatz “Time Of Your Life” inkludierten und bis heute wohl neben „When I Come Around“ und „Basket Case“ mit zu den bekanntesten Stücken des Pop-Punk-Outfits gehört.

Wer zu Punk und Hardcore eine innigere Beziehung pflegt als den Wochenendausflug in die Alternadisco und das Green-Day-Stadionkonzert, der dürfte bei dem Namen Good Riddance die Assoziation einer der wichtigsten und einflussreichsten Punkbands der 1990er-Jahre haben. Neben Bands wie Strung Out, Lagwagon oder No Use For A Name erspielte sich das Quartett in diesem Jahrzehnt einen Ruf als schnelle und aggressive, gleichzeitig aber auch immens melodische Band.

2007 aufgelöst, hinterließen die Kalifornier ein Loch in der melodischen Punk/HC-Szene und viele Fans traurig zurück. Jedoch nicht allzu lange, denn bereits 2012 kündigte die Band an, sich wiedervereint zu haben. 2015 folgte dann mit „Peace In Our Time“ auch ein neues Album. Umso schöner ist es, dass die Reunion scheinbar kein einfaches One-Off war und die Historie von Good Riddance weitergeht. Mit „Thoughts and Prayers“ schlägt das Veteranen-Quartett nun ein weiteres Kapitel auf.

Poppig sind sie geworden, die Mannen um Sänger und Songschreiber Russ Rankin. Nachdem bereits „My Republic“, das letzte Album vor der Auflösung, harmonischere, häufig langsamere und vor allen Dingen poppigere Töne anschlug, markierte das Comeback Album „Peace In Our Time“ wieder einen Schritt in die ursprüngliche Richtung der Band. Der neue Langspieler orientiert sich nun musikalisch wieder mehr am 2000er Material mit einem auffälligen Fokus auf den Sound der „My Republic“.

Aber first things first. Die Platte beginnt traditionell mit einem Sample, das die politische Situation in Amerika und das kapitalistische Gesellschaftssystem als nicht demokratisch charakterisiert und in diesem Fall auf die krass unverhältnismäßige Verteilung von Reichtum in den USA verweist. Die Kalifornier haben nichts von ihrer politischen Bissigkeit eingebüßt. Gut so. Während Good-Riddance-Alben jedoch traditionell mit einer wilden und schnellen Nummer eröffnen, schlägt der Opener „Edmund Pettus Bridge“ ein langsameres Tempo an. Für Geschwindigkeit sorgen erst das nachfolgende, 45-sekündige „Rapture“ und das anderthalbminütige „Don’t Have Time“ (No pun intended?).

Die langsameren, dafür aber unfassbar hymnischen und melodischen Songs herrschen auf „Thoughts and Prayers“ aber wie gesagt vor. Dabei kommt es mit beispielsweise „Wish You Well“ und „No Safe Place“ zum poppigsten Material, das ich je von Rankin und Co. gehört habe. Während letzteres streckenweise als astreine Pop-Punk-Nummer durchgeht und zuweilen an frühe Sum 41 und New Found Glory erinnert (kein Witz), machen Good Riddance aber auch ganz klar, wie man Pop-Punk richtig macht.

Mögen die Strophen der/dem einen oder anderen etwas zu cheesy daherkommen (ich persönliche freunde mich ja gerne mit Cheese an), gehört spätestens der C-Teil, was Songwriting, Arrangement, Performance und harmonische Struktur angeht, mit zum besten Material das die Band je dargeboten hat. Von „No Safe Place“ kann sich jede Pop-Punk Band des Planeten gerne eine Scheibe abschneiden und auch Descendents-Frontdrummer Bill Stevenson, der erneut die Produzentenrolle dieser Platte übernommen hat, dürfte bei dieser Nummer im Studio ein fettes Grinsen im Gesicht gehabt haben.

Gegen Ende verabschieden sich Good Riddance mit der halbspanischen Nummer „Lo Que Sucede“ (…necesitamos usar la voz – Jene, die erfolgreich sind, müssen ihre Stimme nutzen), die sicherlich als Solidaritätsbekundung mit der von der autokratischen Trump-Regierung targetierten lateinamerikanischen Community zu verstehen ist, und dem Closer „Requisite Catastrophes“, der leider hinter den vorherigen Höhepunkten zurückbleibt und ein Gefühl der Unabgeschlossenheit zurücklässt. Vielleicht ist das aber auch etwas Gutes und wir brauchen gar nicht lange auf den nächsten Release der Legenden aus Santa Cruz warten. Ich persönlich hätte nichts dagegen.

 

01. Edmund Pettus Bridge
02. Rapture
03. Don’t Have Time
04. Our Great Divide
05. Wish You Well
06. Precariat
07. No King but Caesar
08. Who We Are
09. No Safe Place
10. Pox Americana
11. Lo Que Sucede
12. Requisite Catastrophes

4.5