Interview mit Linie – „Das Wichtigste ist, dass uns die Musik Spaß macht!“

Manchmal dauert es eben ein bisschen länger… Der aus Hamburg stammende Fünfer mit dem unscheinbaren Namen Linie veröffentlichte bereits im Sommer sein Debüt, als dieses kleine Magazin hier noch fast in den Geburtswehen steckte. Aber es lohnt sich, den Blick noch einmal zurück schweifen zu lassen. Denn das Albumdebüt „What we make our demons do“ (siehe Review) ist ein interessantes Stück Musik, das eh viel besser in die dunklen Monate passt. Genau definieren lässt sie die Band nicht: Stoner mit elektronischen Einsprengseln? Beißender Alternative-Rock? Irgendwas und doch nichts. Genreschubladen sind schließlich zum Sprengen da. Auf jeden Fall ist es düster und garstig, definitiv eigenwillig, und überhaupt… Wir fragten mal bei Schlagzeuger Alex Bujack nach.

 

Handwritten-Mario:
Moin Alex! Wollt ihr uns etwas im Unklaren und alles offen lassen? Euer Bandname sowie das Cover der Platte lassen erstmal keine wirklichen Assoziationen zum Inhalt zu.

Alex B.:
Schon, ja. Uns interessieren Bands und Alben, die nicht gleich auf den ersten Blick preisgeben, was sich dahinter verbirgt. Ob das jetzt der Bandname, das Cover, ein Foto oder der Albumtitel ist: was Interesse weckt ist zweitrangig. Es muss was mit dem Betrachter bzw. Hörer machen. Im Idealfall löst es Neugier aus und man möchte wissen welche Art von Musik dahinter steht. Beschäftigt man sich dann damit und die Musik kann dich ebenfalls überzeugen, ist das ein wunderbarer Moment. Man hat was für sich „entdeckt“. Das passiert natürlich nicht jeden Tag, aber wenn ist das immer was Besonderes.

Handwritten-Mario:
Wenn ihr Euch schon etwas bedeckt haltet: Welchem Selbstverständnis folgt ihr eigentlich?

Alex B.:
Wir machen das als erstes für uns und haben keinen Masterplan wie man einen Song am besten schreibt, so dass er bestimmten Leuten gefallen könnte. Gefällt er uns, ist das der Grundstein. Können wir Leute damit live oder auf Platte begeistern, ist das die Sahne obendrauf. Das Wichtigste ist, dass uns die Musik und die Arbeit daran Spaß macht. Aber der Grundstein ist unsere Freundschaft und die Liebe an der Musik.

Handwritten-Mario:
Wenn Du schon von Freundschaft sprichst. Das klingt ja nicht, als wärt ihr eine „Castingband“. Wie kam’s denn zu Linie?

Alex B.:
Wir haben alle vorher schon in Bands gespielt, mal mehr, mal weniger ambitioniert. Iggi (Keyboarder/Elektroniker Alex Küßner – Anm.d.Verf.) hatte ebenfalls einige Projekte auf dem Buckel in Sachen elektronischer Musik. Als die letzte Band von Jörn, Alex Wille und mir nach dem Weggang des Bassisten ein wenig ins Stocken geriet, lernten wir in kurzer Zeit Ralph (Ralph Ulrich, Bass – Anm.d.Verf.) und Iggi mehr oder weniger durch einen glücklichen Zufall kennen. Die Sache nahm dann ziemlich schnell Fahrt auf und wir waren alle sehr froh über den frischen Wind den die beiden in die Band brachten.

Linie - Negative enthusiasm
Demo-EP-Cover “Negative enthusiasm”

Handwritten-Mario:
Da Iggi aus dem elektronischen Bereich kommt, müsste man ihn ja schon fast als einen „Genrefremden“ bezeichnen.

Alex B.:
Als „genrefremd“ würde ich Iggi nicht bezeichnen. Er hat auch vorher schon mit Rockbands gearbeitet und hat auch privat einen sehr breit angelegten Musikgeschmack. Dass Iggi dann nach der Arbeit an der EP fest dazu kam war der nächste logische Schritt. Wir haben gemerkt, dass da noch viel im Verborgenen schlummert, was mit Iggi und seinen Einflüssen sehr interessant für die Band werden kann. Somit kann man sagen, dass Linie ohne ihn definitiv eine andere Band wäre.

Handwritten-Mario:
Die erwähnte Demo-EP „Negative Enthusiasm“ hat mich nicht so begeistert und ließ mich etwas ratlos zurück. Das Album klingt da schon wesentlich fetter und mehr nach einer Band, die langsam weiß wo sie hinmöchte.

Alex B.:
Als wir die EP aufgenommen haben, war alles noch ziemlich frisch und wir hatten ein paar Songs geschrieben, die wir gerne aufnehmen wollten. Wir merkten, dass sich was entwickelt und wollten das in Form der EP als Momentaufnahme festhalten. Alles sehr DIY und ohne großen Aufwand. Wir hatten kein richtiges Studio oder einen unerschöpflichen Pool an Mikrofonen oder Geräten. Nur einen kleinen Raum, ein paar lockere Ideen, Songs und mit Iggi und Ralph eine neue Konstellation, die sich ausprobierte. Als wir dann die nächsten Songs schrieben, die dann später auch auf dem Album landen sollten, war das schon wesentlich ausgereifter. Jeder hatte seinen Platz mehr oder weniger gefunden und wir hatten eine Art Richtung. Die Entscheidung zum Album viel dann auch erst relativ spät. Dafür aber umso zielgesetzter. Es war schnell klar, dass wir die Songs in den für uns bestmöglichen Bedingungen aufnehmen wollten.

Handwritten-Mario:
Und da kam dann Produzent Timo Höcke (u.a. Mantar) ins Spiel, nehme ich an?

Alex B.:
Timo kannte ich schon etwas länger und ich fragte ihn, ob er sich das vorstellen könnte mit uns zusammen zu arbeiten. Nach ein paar Gesprächen waren wir uns dann einig und wir enterten sein Studio im November 2014. Die zwei Wochen waren super und wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis nach Hause gegangen. Timo hat uns auch als Produzent unterstützt und wichtige Tipps gegeben, die den Song am Ende das gewisse etwas gegeben haben bzw. sie in die Richtung gebracht, die sie transportieren sollen. Alles in allem eine gelungene Zusammenarbeit und sehr zufriedene Gesichter auf beiden Seiten.

Handwritten-Mario:
War sich auch für Timo interessant. Denn Euer Sound ist doch etwas speziell, ein kruder, aber interessanter Genre-Mix. Klingt nach intensiver Proberaumarbeit und nicht nach Reißbrett.

Alex B.:
Das entsteht ohne großen Masterplan. Jeder bringt seine Einflüsse, Vorlieben und Verhalten am Instrument mit rein. Wir spielen mittlerweile bei jeder Probe einfach drauflos, bevor wir das aktuelle Set in Angriff nehmen. Also ein sehr spontaner Austausch an Riffs, Rhythmen und Tönen, die uns in diesem Moment gerade aus den Fingern kommen. Je nach Stimmung und Tagesverlauf variiert das natürlich in Sachen Intensität, Härte oder Lautstärke. Hin und wieder bleiben wir dann auf einem Ablauf hängen, auf dem wir dann später aufbauen und die Ideen weiter ausarbeiten. Jörn, Iggi oder Alex bringen aber auch schon mal was von zu Hause mit das wir dann im Kollektiv ausprobieren und gucken, ob daraus was werden könnte.

Handwritten-Mario:
Wie viel Spontanität spielt da noch im Studio mit rein?

Linie - What we make our demons do
CD-Cover “What we make our demons do”

Alex B.:
Im Studio standen die Songgerüste zu einem Großteil schon fest. Es gab aber auch spontane Ideen, die dann mit eingeflossen sind und eingefügt wurden. In der Studiosituation kann man sich schon ein paar Türen offen lassen, sollte sich aber gleichzeitig auch nicht verrennen. Wir haben da einen guten Mittelweg gefunden.

Handwritten-Mario:
Ich finde den Einsatz des Gesangs bei Linie interessant. Klingt wie so ein Mittelding zwischen Sprechgesang und „normalem“ Gesang. Klingt sehr direktes und ungeschönt. Was steht dabei zuerst, die Musik oder die Worte?

Alex B.:
Bei uns steht klar die Musik als Erstes. Der Gesang und Text folgen dann später. Die Stimme kann das Ganze dann noch mal auf ein anderes Level heben, sollte sich aber auch gleichzeitig wie ein zusätzliches Instrument im Rest einfügen. Jörns Stimme ist markant und wichtig für unseren Sound.

Handwritten-Mario:
Also ist der Gesang eher eine Art weiteres Instrument?

Alex B.:
Ich würde deine Aussage bestätigen und sie als wichtiges Instrument der Band sehen.

Handwritten-Mario:
Musik wie Texte wirken ziemlich dunkel und garstig, bisweilen sogar äußerst negativ. Kannst Du etwas Licht ins Dunkel bringen um was es in den Texten geht?

Alex B.:
Die Texte handeln von Erlebnissen, Gedanken oder entstehen um einen für uns interessanten Satz oder Ansatz – spontan aufgegriffen bzw. etwas das uns beschäftigt. Das kann im Falle von „Inability“ das Thema Asperger-Syndrom sein oder wie bei „Bearing Life“ der Verlust einer Person. Nichtsdestotrotz lassen die Texte auch Raum für Interpretationen, was wir wichtig finden. Wir geben ein Gerüst vor, das aber im Prinzip von jedem anders wahrgenommen werden kann. Die Musik kommt zwar vor dem Text, das heißt aber nicht, dass man sich darüber weniger Gedanken machen sollte. Es steht also bei jedem Text ein persönlicher Ansatz dahinter, der aber nicht vorschreibt, sondern nur beschreibt und Platz für die Gedanken des Hörers lässt.

Handwritten-Mario:
Im Zusammenhang mit düsterer Musik haben nicht wenige Musiker eine Art „kathartisches“ Element darin hervor. Wie ist es bei Euch, ist Musik eine Art Therapie, negative Gefühle freien Lauf zu lassen? Müsst ihr Euch in eine bestimmt Stimmung bringen, um „Linie-Musik“ spielen zu können?

Alex B.:
Ja, da ist schon was dran. Es ist auf jeden Fall sehr befreiend diese Art von Musik zu spielen. Sie verlangt einem etwas ab, gleichzeitig bekommt man aber auch was zurück. Das kann dann auch schon mal reinigend oder therapierend sein. In Stimmung bringen müssen wir uns dafür nicht. Sobald die ersten Töne erklingen sind wir drin und voll auf Intensität, Kraft und Leidenschaft gepolt. Das ist ein spezieller Zustand, der sich nur schwer beschreiben lässt, aber immens wichtig ist für die Band und letztendlich auch den Zuhörer bzw. Zuschauer

Handwritten-Mario:
Vielen Dank, Alex, dass Du etwas Lichts ins Denkel des Themas Linie gebracht hast!

 

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