Wucan – Reap The Storm (MIG/Indigo, 29.09.2017)

Vintage-Rock mit Sängerin. Da denkt man in erster Linie an die überpräsenten Blues Pills. Oder an die knackigeren (Achtung, Geheimtipp!) Wolvespirit. Vor zwei Jahren schälten sich aus dem bundesdeutschen Underground Wucan nach oben. Die Band um Multiinstrumentalistin, Songschreiberin und Aushängeschild Francis Tobolsky ist aber ein bisschen anders, eigensinniger.

Bluesige Riffs treffen auf versponnene Psychedelic-Parts, dampfende Grooves auf knalliges Stampfen, nur um später in Hippie-Sphären abzutauchen. Die Songs mal betont jammig, dann straight und kompakt. Schlagzeug, Bass, Gitarre und Keyboardsounds geben die Richtung vor, die fast durchgehend präsente Jethro-Tull-Gedächtnisquerflöte springt genussvoll drüber hinweg und am Ende reist Sängerin, Multiinstrumentalistin sowie Songschreiberin Francis Tobolsky das Geschehen doch immer ganz selbstbewusst an sich. Dabei gibt sie abwechselnd das Blumenmädchen, die Rockfurie mit Hang zum Soul oder überrascht mit einer Exzentrik in bester Nina-Hagen-Manier.

Deutsch wird hier auch mal gesungen. Das dementsprechende Aushängeschild „Wie die Welt sich dreht“ packte man gleich an den Anfang der Platte, die eigentlich ein Doppelalbum ist. Ein herzhafter Boogie mit fuzzy Gitarren und lässigem 70er-Flair, fein verspielt und trotz seiner Länge keineswegs langatmig. Es ist nicht die einzige ausgedehnte Nummer. Die beiden letzten Tracks „Again Ten Years In Two Seconds“ und „Cosmic Guilt“ nehmen glatt zwei komplette Vinylseiten für sich ein.

Während erstgenanntes Stück durch sämtliche Tiefen des Wucan-Sounds taucht und als fein ausgelegtes Opus taugt, zeigt die Abschlussnummer die Jam-Lust der Band. Raus aus dem Proberaum und rein in die Platte. Purer Psychedelic-Blues. Kurz und knackig können es Wucan aber auch. Dann reiht man sich irgendwo zwischen treibendem Proto-Metal („Out Of Sight, Out Of Mind“) und halluzinogenem Schlender-Rock ein. Und egal in welche Richtung man schwankt: es bleibt sympathisch kauzig.

Mit Einfallsreichtum und aufreizenden Songs heben sich Wucan mit Genuss von der restlichen Retrorock-Mischpoke etwas ab und machen es sich in ihrer eigenen kleinen Nische – ironisch als “Kräuterrock” tituliert – gemütlich. Schön gemacht!

 

Trackliste:
1. Wie die Welt sich dreht 9:59
2. Ebb and Flute- The Eternal Groove 6:04
3. Out of Sight, Out of Mind 3:24
4. I’m Gonna Leave You 5:00
5. The Rat Catcher 5:25
6. Falkenlied 4:50
7. Aging Ten Years in Two Seconds 21:05
8. Cosmic Guilt 18:04

 

4.2