Wishbone Ash live in Augsburg (Spectrum, 13.01.2025)

Wishbone Ash haben sich für die „Wishlist“-Tour etwas ganz Besonderes ausgedacht. Bereits im Vorfeld konnten die Fans auf ihrer Homepage abstimmen, welche Songs gespielt werden sollen. Ich habe mich auch daran beteiligt und meine eher selten gespielten Favoriten „Sorrel“, „Lady Jay“ und „Valediction“ ausgewählt. Das Spectrum ist gut gefüllt, Wishbone Ash ziehen nach wie vor ein großes Publikum an. Am Merchandise-Stand werden zu fairen Preisen CDs und T-Shirts verkauft, so muss das sein.

Eine Vorband gibt es nicht. Bevor es losgeht, kommt eine Ansage vom Veranstalter. Wishbone Ash selbst haben ihn darum gebeten. Sänger und Gitarrist Andy Powell hat Stimmbandprobleme. Die Band hat sich dazu entschlossen, das Konzert trotzdem durchzuziehen. Sie weisen darauf hin, dass gesanglich mit Abstrichen gerechnet werden muss.

Wishbone Ash beginnen um 20 Uhr und starten mit dem verhältnismäßig ruhigen „(In All Of My Dreams) You Rescue Me“. Die Band wirkt anfangs leicht vorsichtig, Powells Stimme wirkt sehr rau. Musikalisch klingt wie immer alles aus einem Guss. Die Gitarristen Andy Powell und Mark Abrahams zaubern bei glasklarem Sound ein Gitarrenduell nach dem anderen aus dem Hut. Der Gesang von Powell geht durchaus in Ordnung, verlangt ihm jedoch bestimmt einiges ab. So wird diesmal etwas mehr improvisiert als sonst. Powell hält eine kurze Ansprache und widmet „In Crisis“ allen Kriegsopfern und den Opfern der verheerenden Brände in Los Angeles, wo er selbst etliche Freunde und Bekannte hat. Dafür bekommt er sehr viel Zuspruch vom Augsburger Publikum.

Bereits sehr früh im Set wird das Klassiker-Album „Argus“ ausgepackt. Das unverwüstliche „The King Will Come“ wird geradezu leidenschaftlich zelebriert. Powell und Abrahams duellieren sich hier um die Wette und lassen keine Wünsche offen. „Warrior“ mit seiner verträumt-mystischen Aura setzt gleich noch einen drauf. Zum Abschluss der Argus-Trilogie folgt eine Mega-Version von „Throw Down The Sword“. Das Stück ist einer meiner Favoriten und thematisch leider nach wie vor aktuell.

Powells Stimme braucht ein bisschen Pause und so sorgt das durchgeknallte „F.U.B.B.“ spürbar für Entlastung. Der urige Bassist Bob Skeat beginnt am Bühnenrand mit dem stoischen Basslauf und die Band steigt mit Leichtigkeit und unbändiger Spielfreude darauf ein. Die musikalische Achterbahnfahrt wird mit einem riesigen Applaus belohnt. Zu „Errors On My Way“ hält Powell eine kurze Ansprache. Er habe sich früher hin und wieder wie ein Arschloch benommen und das Stück handelt davon. Eine sehr beeindruckende Aussage einer echten Persönlichkeit.

„Ballad Of The Beacon“ kommt beim Publikum hervorragend an und sorgt für eine folkige Abwechslung im sonst eher rockigen Set. Die Fans im Spectrum lassen sich von Powells stimmlichen Einschränkungen die Laune nicht verderben – ganz im Gegenteil! Das Publikum unterstützt die Band nach Kräften und gibt nach jedem Solo und jedem Song Szenenapplaus, was der Band sichtlich guttut. Powell hat immer noch genügend Humor, um die eine oder andere lustige Ansage zu bringen. Eine davon ist „Oh Leute, ich höre mich heute an wie Tom Waits“.

Die legendäre Boogie-Dampframme „Jailbait“ bringt den gesamten Saal zum Kochen. Die Gitarristen bieten eine Weltklasse-Leistung und lassen auch hier wieder ihren Humor aufblitzen. Eine kurze Sequenz spielen sie während der Solo-Passagen sogar synchron das Riff von „Smoke On The Water“. Dazu muss man wissen: Wishbone Ash verdanken ihren ersten Plattenvertrag in Amerika Ritchie Blackmore. Blackmore hatte nach einem Jam mit Andy Powell auf einer gemeinsamen Tour von Deep Purple mit Wishbone Ash seiner amerikanischen Plattenfirma die Band wärmstens empfohlen. Tolle Aktion!

Mit „Way Of The World“ wird ein Stück präsentiert, das ich live noch nicht oft gehört habe. Das fast zehnminütige Stück bietet alles, was man sich als Wishbone-Ash-Fan wünscht. Traumwandlerische Soli, wahnwitzige Gitarrenläufe und eine Melodie, die im Ohr bleibt. Das ewigjunge „Blowin‘ Free“ beendet das reguläre Set und versetzt noch einmal Musiker und Fans in Ekstase. Wer hier keine gute Laune bekommt, dem ist definitiv nicht mehr zu helfen.

Ohne Zugaben geht es natürlich auch heute nicht. Die ersten Töne vom Überklassiker „Living Proof“ kommen aus den Boxen und die Party geht weiter. Die Stimmung an dem heutigen Abend ist wirklich ausgezeichnet. Die Fans feiern die Band nach allen Regeln der Kunst. Leistung und Engagement werden belohnt – beides bekommt man heute im Übermaß geboten. Schlagzeuger Mike Truscott filmt den Song zu Beginn mit seinem Smartphone und kommt dabei aus dem Staunen nicht mehr heraus. Zu den ruhigen Tönen des Instrumentals „Peace“ vom bockstarken „Bonafide“-Album verabschiedet sich das Quartett und lässt so noch einmal ihr ganzes Können aufblitzen. Ich könnte mir die Band noch stundenlang anhören, auch wenn der Gesang heute etwas eingeschränkt ist. Danach ist nach fast 105 Minuten Schluss.

Wishbone Ash bekommen minutenlangen Applaus und bedanken sich gerührt von ihrem traumhaften Publikum. Das heute war ein magischer Moment, ein wunderbares Konzert. Vielleicht wird die Tour ja wiederholt und einige meiner musikalischen Wünsche kommt nächstes Mal zum Zug. Am meisten würde ich mich über das geniale „Lady Jay“ freuen, das heute leider nicht gespielt wurde. Ich ziehe meinen Hut vor Powell. Jede andere Band hätte wahrscheinlich das Konzert abgesagt. Auf der anderen Seite ist es natürlich auch sehr gefährlich, so fahrlässig mit seiner Stimme zu agieren. Ich hoffe, dass er sich bald wieder erholt. Vielen Dank für das geniale Konzert!