White Wizzard – Infernal Overdrive (M-Theory Audio, 12.01.2018)

„Totgesagte leben länger“, heißt es bekanntlich. Dann gilt das wohl auch für die Kalifornier White Wizzard. Es war nämlich sehr ruhig um die Band die letzte Zeit. Seit fünf Jahren gab es kein Album, man ist höchstens mal mit dem einen oder anderem Besetzungswechsel aufgefallen. Aber das ist auch nix besonderes. Die Liste der Ex-Mitglieder der Truppe nimmt schließlich schon bald die Ausmaße eines Telefonbuchs an.

Jetzt meldet sich Bandboss Jon Leon wieder zurück. Zusammen mit dem zurück gekehrten Gitarristen und Gründungskollege James LaRue und Ex-Sänger Wyatt Anderson soll es in die Zeit zurück gehen, als man vor einem knappen Jahrzehnt ganz vorne mit dabei war, als traditioneller Stahl von jungen Bands plötzlich wieder hip war und selbst ein (ehemaliges) Death-Metal-Label wie Earache auf diesen Zug aufsprang.

Zwar wird „Infernal Overdrive“ von einem echt scheußlichen Cover geziert, aber dahinter verbirgt sich richtig deftiger Heavy Metal. Mit dem Titeltrack geht es etwas hektisch los und aufgrund der Gesangslinien fühlt man sich an Judas Priests „Painkiller“ erinnert. Mit dem aufwühlenden Refrain steht man aber voll und ganz im klassischen US-Metal. Schon mal kein schlechter Start. Im Folgenden hält man sich aber etwas mehr an die britische Schule mit zahlreichen NWOBHM-typischen Twin-Lead-Gitarren, was ziemlich Laune macht. „Storm The Shores“ und „Pretty“ sind solch treibende Metalsongs mit leicht hymnischem Unterton. Aber es wird nie zu penetrant kitschig.

Einflüsse geben White Wizzard für dieses Album so einige an. Unter anderem den progressiven Hardrock der 70er. Also auch das was Steve Harris in seiner Jugend genoss. Denn immer wieder lässt die Band es ähnlich wie die Iron Maiden der letzten eineinhalb Jahrzehnte etwas epischer laufen, gibt sich verspielt und sorgt durch Tempowechsel für Abwechslung. Ergebnis sind überlange Nummern wie „Voyage Of The Wolf Raider“ oder „Critial Mass“. Bei letzterem übertreibt es Wyatt Anderson im ersten Drittel etwas mit seinem Falsettgesang. Das klingt fast ein wenig lächerlich, was schade ist, denn ansonsten reißt er einen mit seiner Stimme doch mit und er versteht es gute Gesangslinien einzubauen. Diese münden auch hin und wieder in angenehmen Harmonie-Refrains.

Ach ja, Texte gibt es auch. Diese fallen allerdings nicht besonders auf. Die Klischeekeule wird nicht geschwungen. Manchmal gibt es auch ein paar kritische Worte, dann aber auch etwas typisch amerikanischen Soldaten-Jubel-Pathos, was für einen Deutschen in gewissem Maße befremdlich rüberkommt. Legen wir das aber mal als „kulturelle Unterschiede“ ab.

Echte Ausfälle gibt es auf „Infernal Overdrive“ nicht, auch wenn z.B. „Metamorphosis“ teilweise etwas unspektakulär klingt. Dafür jede Menge spritzigen Metal, der Laune macht, der an den richtigen Stellen deftig rockt, angenehm verspielt ist und beim abschließenden Epos „The Illusion’s Tears“ Atmosphäre verbreitet. Kurz gesagt: Eine rundum gelungene Sache für Classic-Metal-Fans!

Trackliste:
1. Infernal Overdrive
2. Storm The Shores
3. Pretty May
4. Chasing Dragons
5. Voyage Of The Wolf Raiders
6. Critical Mass
7. Cocoon
8. Metamorphosis
9. The Illusion’s Tears

4.2