Vicious Rumors

Vicious Rumors – Digital Dictator (Roadrunner Records, 1988)

1988 war ein verdammt gutes und teures Jahr für einen 17-jährigen Schüler, der nicht genug vom Heavy Metal bekommen konnte. Die einzige Möglichkeit sich damals über neue Bands aus Übersee und anderen Ländern zu informieren war die wöchentliche Radiosendung Scream auf WDR1. In einer dieser Sendungen hat der Moderator Volkmar Kramarz mein Taschengeld mehrerer Monate direkt pulverisiert. Am Stück liefen dort die 1988 erschienenen Alben „Operation: Mindcrime“ (Queensryche), „Transcedence“ (Crimson Glory), „Battalions Of Fear“ (Blind Guardian), „So Far, So Good… So What!“ (Megadeth) und Vicious Rumors’ „Digital Dictator“. Alles Schwermetall vom Feinsten.

Wenn mich heute jemand fragt, wie ich die Metalschublade Power Metal definiere, dann nenne ich immer drei Alben Savatages „Power Of The Night“, Metal Churchs Debütalbum und an erster Stelle immer „Digital Dictator“. Kaum ein Album dieser Zeit spiegelt das Attribut Power so wieder.

Vicious Rumors hatten fast immer mit einem unbeständigem Band Line-Up zu kämpfen. Nach dem guten Debütalbum „Soldiers Of The Night“ verließen Gitarrist Vinnie Moore und Sänger Gary St. Pierre die Band und wurden durch Carl Albert (Gesang) und Mark McGee (Gitarre) ersetzt. Zusammen mit Dave Starr (Bass), Larry Howe (Drums) und Bandmastermind Geoff Thorpe (Gitarre) spielte die Band „Digital Dictator“ ein und blieb bis 1995 in dieser Besetzung zusammen.

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Das Album startet mit dem kurzen, aber mächtigen Intro „Replicant“. Gitarren und donnernde Drums erzeugen noch heute Gänsehaut. Nahtlos geht es in den Titelsong über. Carl Albert setzt mit dem Gesang ein und im Hintergrund kitzeln die beiden Gitarristen Riffs und Melodielinien aus den Hüften, welche ich so zu diesem Zeitpunkt noch nicht gehört hatte. Auf dem Backcover der LP ist mit Symbolen markiert, welcher Gitarrist welches Riff aus der Hüfte schießt. Die Übergänge sind aber so fließend, da kommt man kaum mit.

„Minute To Kill“ dreht an der Geschwindigkeitsschraube. Hier kommt die ganze Klasse des Rhythmusduos Howe/Starr ans Tageslist. Die beiden nageln Pflastersteine mit ihren Rhythmen an die Wand. „Towns On Fire“ nimmt das Tempo wieder etwas heraus und wird mit einem messerscharfen Gitarrenlead eröffnet und Sänger Carl reizt hier seine Stimme mit langgezogenen Vokalen komplett aus.

„Lady Took A Chance“ ist mein All-Time-Favorit von Vicious Rumors. Die Röhren der Gitarrenamps dürften hier am Glühen gewesen sein. In diesem Song vereint die Band alle Attribute, welche das Album so großartig macht. Melodie, Groove, großer Gesang.

Die ersten Takte von „Worlds And Machines“ geben dann ein wenig Zeit zum Erholen, aber auch nur solange, bis Schlagzeuger Howe den Hammer auspackt. Aufgrund der Rhythmik erinnert das Lied ein wenig an Iron Maiden.

Das kurze und sperrige „The Crest“ passt nicht wirklich zum Rest des Albums. Der Song wirkt ein wenig wie ein Fremdkörper.

„R.L.H.“ ist dann wieder von anderem Kaliber. Zwischen den Strophen schnell, abgefahrene Gitarrensoli. Passt!

Mit den beiden Rausschmeißern „Condemned“ und „Out Of The Shadows“ warten am Ende des Albums noch zwei schnelle und sehr melodische Songs.

Kritik? Ja, gibt es auch. Die Texte sind strunzdoof. Die üblichen Metal-Klischees! Egal, damals war das genau das Richtige!

Die Band veröffentlicht bis heute Alben. In der oben genannten Besetzung folgten noch die Langeisen „Vicious Rumors“, „Welcome To The Ball“, „Word Of Mouth“. Die Alben sind auf einem ähnlichen Qualtitätslevel und für den Fan von US / Power Metal eigentlich eine Pflichtübung. Live war die Band auch in der Lage die unbändige Power ihrer Alben umzusetzen. Das Konzert im Oktober ´91 im Kölner E-Werk, zusammen mit Savatage,gehört zu den besten Gigs die ich mir bisher angeschaut habe.

1994 starb Sänger Carl Albert an den Folgen eines Autounfalls und Gitarrist Mark McGee stieg aus der Band aus. Die folgenden Alben waren nicht grade berauschend, aber seit dem starken 2006er Werk „Warball“ ist die Band wieder auf Kurs.

Fazit: Wer „Digital Dictator“ noch nicht im Regal stehen hat – ab zum CD-Dealer!

 

vicious_rumors_digital

Replicant
Digital Dictator
Minute To Kill
Towns On Fire
Lady Took A Chance
Worlds And Machines
The Crest
R.L.H.
Condemned
Out Of The Shadows

 

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