Das kleine, aber feine Berliner Label Lollipoppeshoppe hebt mal wieder einen wahren Schatz. Da die Firma nicht nur, aber doch schon einen starken Fokus auf Musik aus den Balkanstaaten legt, ist es kein Wunder, dass auch dieses Kleinod daher stammt.
Es handelt sich dabei um „93“, ein Album das die allerersten Aufnahmen der ungarischen Band Uzgin Üver erstmals auf Vinyl bringt. Die Band, Anfang der 90er gegründet und bis ca. 2015 aktiv, verband Folklore vom Balkan mit allen möglichen anderen folkloristischen Klängen, gern asiatischer Herkunft, und einem modernen Rockgewand mit kräftigen psychedelischen und spacigen, aber auch ambienten Klängen. Und es durften auch durchaus mal Jazzanklänge in Bläserform einfließen. Geführt wurde das Ganze häufig von einem durchaus tanzbaren und spannend gespielten Perkussionsmix und einem häufig stoischen Bass. An sich gibt es nicht viele Bands, die mir zum Vergleich einfallen. Wenn, dann vielleicht Korai Örum, wobei die zumindest in ihrer bekanntesten Phase wesentlich tanzflächenorientierter waren.
Dieses neue, eigentlich alte Album zeigt mit seinen sechs Stücken aber deutlich auf, dass Uzgin Ülver möglicherweise eine starke Inspirationsquelle für eben Korai Örum waren.
Denn diese ersten sechs Stücke sind wirklich enorm gut komponiert, wenn auch die eine oder andere Improvisation mit einzufließen scheint, ebenso außerordentlich beeindruckend arrangiert und über die instrumentellen der beteiligten Musiker wollen wir mal gar nicht erst anfangen.
(Leider ist noch keines der neuen Stücke verfügbar – deshalb dieses als Beispiel)
Die sechs rein instrumentalen Stücke (die wenigen Stimmen, die vorkommen, werden als zusätzliches Instrument betrachtet) zeigen eigentlich schon alles auf, was diese Band später noch machen sollte. Leitet das erste noch in instrumentaler Vielfalt überwiegend folkloristisch ein, bauen sich spätestens ab dem zweiten die modernen Rock- und Jazzelemente ein. Den ersten Höhepunkt findet das Album mit dem letzten Stück der ersten Vinylseite, in dem alle Register gezogen werden. Nach der eher ruhigen, folkloristischen Einleitung arbeitet sich ein immer mehr rockiger Song heraus, unter dem die manischen Perkussionen brodeln. Darüber bleibt zunächst das folkloristische Streicherinstrumentarium, bevor der Song am Schluss in eine rockige Jazzkakophonie aus sich an einender abarbeitetenden Bläsern wird.
Diese Klangfarben werden dann auch auf den ersten beiden Stücken der zweiten Seite variiert. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Band in ihrer Anfangszeit offensichtlich viel jazziger als später war. Hier sticht für mich das manische „Snnai“ heraus. Military-Drums, darüber ebenso marschierende Streicher, über denen sich zunächst noch melodische Bläser duellieren. Darauf folgt eine kakophonische Einlage von Stimmen, Perkussionen und Bläsern, welche dann in einem kurzen Violinenoutro münden.
„Siren“ nimmt dann wieder etwas eingängiger Klänge an, ohne auch nur einen Deut langweiliger zu werden. Nun „weinen“ zunächst Streicher, unterstützt von einem langsam, sich stets steigenden Schlagzeug. Auch hier geben die Bläser dann wieder jazzige, kantige Klangfarben in den an sich mystisch schönen, aber gefährlich brodelnden Song.
Wenn man bedenkt, dass es sich hier quasi um Demoaufnahmen, bzw. Aufnahmen, die nicht zur Veröffentlichung vorgesehen waren, handelt, kann man über die Qualität in allen Bereichen nur staunend die Augen, respektiv die Ohren aufreißen.
Ein wirklich großartiges Album.
- Thrill
- Simple
- Old-New
- Anaii
- Siren
- Finish
https://www.discogs.com/de/release/32103165-%C3%9Azgin-%C5%B0ver-93
https://lollipoppeshoppe.bandcamp.com/album/93-2