Underoath – Erase Me (Fearless, 06.04.2018)

Comeback-Alben haben es nicht leicht. Oftmals lasten viel zu große Erwartungen auf ihnen. Sie sollen die Band, so wie sie einst war, widerspiegeln, zugleich aber auch dem kontemporären Zeitgeist gerecht werden. Darüber hinaus muss das Songwriting stimmen, die neuen Songs sollen sich in das Gesamtrepertoire der Band einfügen, gleichzeitig aber nicht wie ein billiger Abklatsch vergangener Tage klingen.

Und dann ist da noch der bittere Beigeschmack des unterschwelligen Vorwurfs, die Band wolle doch nur nochmal sehen, ob sich noch ein wenig Geld verdienen lässt. Ein Vorwurf, den jeder von Fall zu Fall für sich selbst entscheiden sollte, ob er gerechtfertigt ist oder nicht.

Das ist alles ganz schön viel Holz und eine sich wieder zusammengeraffte Band besteht auch nur aus Menschen, die (hoffentlich) versuchen, einfach nur ihr Bestes zu geben, unter einem Druck leiden, versuchen, es allen recht zu machen, und dabei an ihre künstlerischen Grenzen stoßen.

Im Fall von Underoath kommt nun noch der Umstand hinzu, dass sich an dieser Band viele Geister scheiden. Zum einen hat sich die Kapelle aus Florida durch ihre unglaublich pathetische, fanatische Religionstümelei einen Namen gemacht. Das ist vielen Musikfans, auch mir, stets übel aufgestoßen. Irgendwann trennte sich die Band von Schlagzeuger/Clean-Sänger, und nach Eigenaussage wohl der treibenden Kraft hinter dem Jesus-Freaktum, Aaron Gillespie, und veröffentlichte 2010 mit „Disambiguation“ das letzte Album vor dem Hiatus ohne sein Mitwirken.

Zum anderen hat die Band aber auch bereits eine turbulente Karriere hinter sich, mit mehreren Line-Up-Wechseln und einer durchaus interessanten, musikalischen Evolution von einer unbeholfenen Metalband zu einer der Shooting-Stars der kommerziell erfolgreichen Emocore-Szene der 2000er hin zu einer experimentelleren Post-Hardcore-Band ab „Define The Great Line“ 2006. Hits wie „When The Sun Sleeps“ oder „A Boy Brushed Red Living In Black And White” hallen noch immer auf den Tanzflächen der Alternadiscos, auch hierzulande, nach. Daraufhin folgte eine experimentellere Phase, die Underoath als feste Größe im Post-2000-Pop-Hardcore-Zirkus verankerte.

Vieles aus der Diskografie der Floridaner sagt mir zu, von den Emo-Hits mit denen ich als Teenager aufgewachsen bin, bis hin zu den vertrackteren Strukturen der darauffolgenden Phase. Nun ist Gillespie zur Band zurückgekehrt. Vergangenes Jahr spielte die Band bereits einige Konzerte, auch in Europa, und die Reunion ist jetzt mit „Erase Me“ perfekt.

Und dieses Comeback-Album scheitert grandios auf vollster Linie. Der Wiedereinstieg Gillespies hat der Band offensichtlich nicht gutgetan. Zwar lässt der Opener „It Has To Start Somewhere“ noch erahnen, wo Underoath mal gewesen sind und wozu sie stukturell, kreativ und sonisch eigentlich in der Lage wären. Aber spätestens mit „Wake Me“, einer der belanglosesten Popcore-Schmonzetten die ich je hören musste, wird klar, dass dieses Album keine gute Idee war. Getopped wird das eigentlich nur noch von den lächerlich deplatzierten Misfits-Chören im Refrain von “ihateit”. Ich hasse das auch.

Um fair zu bleiben, Pathos war schon immer ein zentrales Element der Truppe aus Florida. Aber der klang in der Vergangenheit einfach ehrlicher und war songwriterisch wirksamer und glaubwürdiger in die Songs implementiert. Was die Band jetzt hier auffährt ist eine wahrlich alberne Selbstkopie ohne jegliche Kreativität. Fast jeder Song wirkt, als hätte man sich mit Würfeln im Studio hingesetzt, auf jede Seite ein Stilmerkmal aus dem Repertoire der Band gekritzelt, und sie dann geworfen. Ganz losgelöst davon was zusammenpasst, was authentisch oder gut wirkt oder was Sinn macht.

Für mich jedenfalls macht hier fast nichts Sinn. Außer der schlimme Verdacht, dass hier eine Truppe keine guten Ideen mehr hat und ein vollkommen unleidenschaftliches, lust- und belangloses Album, das vor Cringe-Momenten nur so strotzt, zusammenträgt, das vielleicht als B-Seiten-Compilation für die (Christen-) Hardcore-Fans noch etwas taugt. Sonst aber leider auch nicht.

01. It Has To Start Somewhere
02. Rapture
03. On My Teeth
04. Wake Me
05. Bloodlust
06. Sink With You
07. ihateit
08. Hold Your Breath
09. No Frame
10. In Motion
11. I Gave Up

1.5