Type O Negative – Bloody Kisses (Roadrunner Records, 1993)

Type O Negative! Für einen Pubertierenden war diese Band in den frühen 90ern äußerst reizend. Die düsteren Artworks und Bandfotos in grün-schwarz, der gruselige Frontmann mit den harten Gesichtszügen, zudem gab es immer wieder starke Anfeindungen von seltsamen Gruppierungen und Bombendrohungen bei ihren Konzerten. Das müssen ja wirklich so richtig böse Jungs sein!

Und dann bekam ich in der wöchentlichen Sendung des österreichischen Rocksenders M1 (der im südlichen Bayern absoluter Kult war!) plötzlich diesen Song zu hören: „Christian Woman“. Wow, was für ein Teil. So ganz anders als vorher präferierte Bands wie Guns N’ Roses oder Metallica. Düster, ja, bisweilen ziemlich sakral, aber auch wie eine Metalversion des „Munsters“-Soundtracks und dann mit einem starken sexualisiertem Unterton – auch wenn ich diesen erst später kapierte. Geil, das Album dazu musste her!

Was sich hinter dem Cover mit den sich zwei liebenden Frauen verbirgt, fasziniert auch heute noch. Wo das Debüt „Slow, Deep And Hard“ ein dunkler, schwerer Hassbatzen ist, dem man die Hardcore-Wurzeln der Truppe um Fronthüne Peter Steele noch anhört, hat das Quartett ein Album später einen ganz eigenen und auch eigenwilligen Sound kultiviert. Irgendwie Metal, zweifelsohne. Er hat was von Doom, tendiert aber auch in Richtung Gothic, was damals noch kein Schimpfwort war. Die Texte drehen sich rund um die Themen, Liebe, Verlangen, Depression und Tod. Hier treibt jemand definitiv seine Dämon aus. Aber stets schwingen schwarzer Humor und Ironie mit. Etwas das viele immer wieder falsch interpretierten und Type O Negative deswegen anfeindeten.

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Das ist auch ein Erbe das 2010 leider verstorbenem Peter Steele von seiner alten, hardcorelastigen Metaltruppe Carnivore mitbrachte, die in dieser Richtung noch viel expliziter war. Als Gegenreaktion zu Rassismus- und Gewaltvorwürfen packte man auf „Bloody Kisses“ die beiden Nummern „Kill All The White People“ und „We Hate Everyone“. Wütender Sound, sarkastischer Inhalt. Das sitzt. Die beiden Nummern sind musikalisch allerdings arge Ausreißer. Auf einer späteren Version des Album waren sie nicht einmal mehr drauf.

Es sind auch die langsameren, getrageneren Nummern, die am meisten gefallen. So ein bisschen Weltuntergangs-Sound mit orchestralen Anklängen und viel Georgel im Kirchenformat. Keyboarder Josh Silver, in dessen Studio die Platte auch entstand, war also stark maßgebend für den Sound der Truppe. Highlights sind das genannte, dreiteilige „Christian Women“, die Party-Doom-Nummer „Summer Breeze“ (eine Coverversion eines ekligen Popsongs aus den 70ern), der Liebeskummer-Titel „Too Late: Frozen“, der eingängige Rocker „Blood and Fore“ sowie der suizidale Titeltrack. Und da wäre natürlich noch das hymnenhafte „Black No. 1“ – ein beißendes Anti-Gothic-Girlie-Stück. Trotz aller Düsternis findet man immer wieder helle und irgendwie seltsam heitere Momente in der Musik. Liegt wohl auch daran, dass Peter Steele aus seiner Vorliebe für die Beatles keinen Hehl machte. Das abschließende „Can’t Lose You“ hat sogar etwas von einem „Tomorrow Never Knows“-Revisited.

Dass „Bloody Kisses“ vor über 20 Jahren entstand, hört man der Platte schon irgendwie an. Aber die Musik darauf ist erstaunlich gut gealtert. Etwas das einen echten Klassiker auszeichnet. Auch heute noch eine dicke Empfehlung!

 

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Trackliste:
1. Machine Screw
2. Christian Woman
3. Black No. 1
4. Fay Wray Come Out and Play
5. Kill All the White People
6. Summer Breeze
7. Set Me on Fire
8. Dark Side of the Womb
9. We Hate Everyone
10. Bloody Kisses
11. 3.0.I.F.
12. Too Late: Frozen
13. Blood and Fire
14. Can’t Lose You