Tiny Moving Parts – Swell (Big Scary Monsters, 26.01.2018)

Gefühlt ist es noch gar nicht so lange her, dass das letzte Album „Celebrations“ von Tiny Moving Parts auf meinem Teller rotierte und nachhaltig begeisterte. Auch deswegen, weil die Band im Interview so unglaublich sympathisch rüberkam und liebend gern mit mir über „Fargo“ und weitere TV-Serien abnerdete. Musikalisch war es die gelungene Implementierung eines hymnemartigen Pop-Punk Sounds in die Midwestern-Twinkle-Emo Ästhetik, mit der das Trio aus Minnesota ursprünglich angetreten war.

Was der Opener „Applause“ sofort klar macht: Die Marschrichtung von „Celebrations“ hat man konsequent beibehalten und weiter perfektioniert. Dabei hat man sich ein ganzes Stück weit von der klanglichen Ästhetik des Debüts „This Couch Is Long And Full Of Friendship“ und dem damit verbundenen mathigen Twinkle-Emo entfernt. Keyboard- und Synthie-Flächen sowie eine opulente Produktion bestimmen auf „Swell“ das Klangbild und ergänzen die technischen Akrobatik-Künststücke, die das Familienunternehmen Tiny Moving Parts (Schlagzeuger William Chevalier und Bassist Matthew Chevalier sind, wie der Name andeutet, Brüder, Gitarrist und Sänger Dylan Mattheisen ihr Cousin) auf ihren Instrumenten vollführt.

Vertrackte Rhythmik, wilde Tapping-Einlagen und rasend schnelle Arpeggios. Ein ganz grundsätzlich virtuoses Spielrepertoire sind schon immer das Markenzeichen des Trios aus Minnesota gewesen, seit dem letzten Album wurde dies jedoch massiv durch eine poppige Leichtigkeit ergänzt, die der Band ein größeres Publikum erschlossen haben dürfte. Zeitweilig fühlte man sich an die großen Pop-Punk-Hymnen rund um den Jahrtausendwechsel erinnert, an Hooks die auch von Blink 182, Sum 41 oder New Found Glory stammen könnten.

Diese Reminiszenzen intensivieren sich auf „Swell“ wesentlich und werden außerdem durch die zuweilen immens wuchtige Produktion getragen. Freunden des Sounds der ersten Stunde, die sich an American Football und andere erinnert fühlten und die Band deswegen ursprünglich in ihr Herz geschlossen hatten sei an dieser Stelle zur Vorsicht geraten. Der neue Langspieler hat sich vom Erstling ein ganzes Stück entfernt. Das sei eindeutig so gesagt.

Tiny Moving Parts haben technisch-virtuosen Math-Twinkle-Emo endgültig Salonfähig gemacht. Ein Unterfangen, das man zuvor als kaum lösbar hätte empfinden können. „Swell“ ist das ultimative Gegenbeispiel, das, ganz wie die Instrumentalarbeit des Trios, einen faszinierenden Drahtseiltanz auf einem Gerüst aus Virtuosität und Pop vollführt.

Die Voraussetzung diesen so spezifischen wie originellen Sound genießen zu können liegt wohl in der Bereitschaft der Fans früherer Tage, Popsongs akzeptieren zu können und der Bereitschaft der Pop-Punk-Begeisterten, auch hier und da mal eine verquere, technische Passage inmitten der hymnischen Kadenzen in Kauf zu nehmen. Wird dieses Toleranzpotential ausgeschöpft, dann bekommt man mit „Swell“ den ersten richtig großen Kracher dieses Jahres geboten, der die sympathischen Jungs aus Minnesota ganz hoffentlich in noch größere Erfolgssphären katapultiert. Verdient hätten sie es.

01. Applause
02. Smooth It Out
03. Feel Alive
04. Caution
05. Wildfire
06. Whale Watching
07. It’s Cold Tonight
08. Malfunction
09. Wishbone
10. Warm Hand Splash

 

4.8