The Tidal Sleep – Be Water (This Charming Man, 26.05.2017)

Ich bin mal wieder viel zu spät dran, Asche auf mein Haupt. Viele, liebe Kollegen haben schon über diese Platte geschrieben, sodass es von meiner Seite nicht mehr viel hinzuzufügen gibt. Trotzdem möchte ich es mir nicht nehmen lassen, doch noch ein paar wenige Zeilen zum neuen Werk der deutschen Postrock/Hardcore-Hoffnung Nummer 1, The Tidal Sleep, das auf den Namen „Be Water“ hört, zu schreiben.

Diese Band, die es mühelos schafft, auf dem Niveau von Giganten wie Envy, MONO oder Explosions In The Sky zu operieren und dabei Aggressivität, Verzweiflung und Wut mit Erhabenheit, Trauer, Hoffnung und Epik zu verschmelzen, vermag auch auf ihrem neusten Langspieler die Freunde ihres Sounds zu begeistern.

Dabei knüpfen die Kompositionen teilweise an das Setting der durchaus postrocklastigeren „4 Songs“ EP und des letzten Albums „Vorstellungskraft“ an. Die obligatorischen Reverb- und Delay-Flächen der Gitarren (ich liebe den Strymon-Shimmer auch) paaren sich abermals mit dem treibenden und hervorragend produzierten Schlagzeug und einem druckvollen aber trotzdem unglaublich warmen Bass, der, gerade in den flächigen Passagen, für die Energie und Wucht des Quintetts zuständig ist. Darüber hinaus ist den fünf Jungs aber in jedem Fall eine Weiterentwicklung ihres Schaffens zu attestieren. Das Klangarsenal hat sich verbreitert, immer wieder schleichen sich Passagen in die Songs ein, die man so noch nicht von The Tidal Sleep gehört hat.

Dazu gehören vor allen Dingen die sehr ruhigen und andächtigen, langsameren Parts in „Sogas“, die vom spanischen Gastgesang durch die ebenfalls so großartigen Kollegen von Viva Belgrado in ein erschlagendes Crescendo münden und einen ersten Höhepunkt auf „Be Water“ darstellen. Gleichwohl fällt aber auch der immer wieder hervortretende, cleane Gesang des sonst eher schreienden Sängers Nicolas angenehm positiv auf und sorgt auf vokaler Ebene, neben den obligatorischen und charakteristischen Spoken-Word-Passagen und den Screams, für noch mehr Abwechslung.

Ein weiterer Höhepunkt findet sich durch eben jenen Cleangesang im Finale der Vorab-Single „Undertows“. Häufig wirkt es mehr gewollt denn gekonnt, wenn Bands, die sonst eher im Schrei-Department unterwegs sind, plötzlich anfangen, Clean-Gesang in ihren Sound zu implementieren. Das bleibt uns in diesem Fall glücklicherweise erspart, denn die Melodien sind gut geschrieben und fügen sich nahtlos in den Sound der Band ein.

„Be Water“ ist außerdem noch in der Lage das hohe Niveau bis zum Ende hochzuhalten und liefert mit Stücken wie „Changes“ und „Wreckages“ auch auf den hinteren Rängen ein breites Arsenal an Stimmungen und Energielevels, von harmonisch und angenehm catchy, bis hin zu metalesquen Momenten und abwechslungsreichen Dur-Moll-Figuren.

Ganz zum Schluss wird es dann mit „Footsteps“ und weiblichem Gastgesang doch noch etwas sehr schmonzettig. Das mag dem einen oder anderen dann vielleicht doch einen tad zu viel sein, ich persönliche finde das Gehen neuer Wege und Ausprobieren anderer kompositorischer Elemente aber auch an dieser Stelle durchaus begrüßenswert.

Fest steht in jedem Fall, dass The Tidal Sleep uns mit „Be Water“ einen Geniestreich allererster Güte vorsetzen, dessen Emotionalität, Musikalität und Abwechslung man sich als Hörer nur schwerlich entziehen kann. Fünf verdiente Sterne.

01. Bandages
02. Spills
03. Words
04. Sogas
05. Hearses
06. Undertows
07. Poisons
08. Collapses
09. Changes
10. Wreckages
11. Footsteps

5